François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Achtundzwanzigstes Kapitel

Wie Gargantua von Paris aufbrach, sein Land zu retten, und wie Gymnastes unter die Feinde geriet

Um eben die Stund war Gargantua, der flugs nach Lesung des Briefes seines Vaters aus Paris gereist war, auf seiner großen Mähre bereits über die Nonnenbruck gegangen, er selbst, Gymnastes, Ponokrates und Eudämon, die ihm auf Postpferden folgten. Sein übriger Anhang kam in gesetzten Tagereisen und führt' ihm all seine Bücher und philosophisch Heergerät nach. Als er gen Pareillé kam, zeigt' ihm der Pächter von Gouguet an, wie Pikrocholus sich in Clermaldsburg verschanzt und den Hauptmann Kuttler mit vieler Mannschaft vorausgeschickt hätt', den Forst von Vede und Vaugaudry zu überrumpeln, und daß sie bis zur Billardskelter das Huhn im Topf ergatterten; der Mutwill war schier unerhört und kaum glaublich, den sie im Land verübten. Also daß er Gargantua Schrecken einjagt' und dieser nicht gleich wußt', was er beginnen noch sagen sollt'. Aber Ponokrates riet ihm, beim Herren von Vauguyon erst einzusprechen, der von jeher ihr alter Bundesfreund gewesen war und ihnen in allen Stücken bessern Bescheid könnt' geben. Ritten also gleich zu ihm hin und fanden ihn auch wohl gesonnen, ihnen zu helfen. Und war sein Rat, daß er etliche seiner Leut auf Erspähung des Landes ausschicken sollt', zu erforschen, wie der Feind sich hielt, damit man nach gegenwärtigem Stand der Ding einen Zuschnitt machen könnte. Gymnastes erbot seine Dienst dazu, es ward jedoch für sicherer befunden, daß ihn einer begleiten sollt', der alle Steg und Weg, auch Gewässer der Gegend wohl innen hätt'. So ritt er dann mit Vorleck, dem Knappen des von Vauguyon, aus, und sie spionierten unerschrocken nach allen Seiten, während Gargantua mit seinen Leuten sich etwas letzt', ein wenig futtert', auch seiner Mähre ein Mäßlein Haber aufschütten ließ, das 74 Wispel und 3 Scheffel hielt. Gymnastes ritt mit seinem Gesellen so lang herum, bis er die Feind ansichtig ward, die ganz zerstreut und außer Ordnung alles raubten und stahlen, was ihnen vor die Hand kam. Sobald sie ihn sahen, rannten sie haufenweis' auch schon herbei, ihn auszuziehen. Er aber rief ihnen entgegen: »Liebe Herren, ich bin ein armer Teufel! Ich bitt euch, habet Mitleid mit mir. Ich hab' noch etliche Taler hier, die wolln wir miteinander versaufen: es ist aurum potabile. Auch dieses Roß hier mag man verkaufen, euch meinen Willkomm zu bezahlen. Ist dies getan, so behaltet mich bei euch. Denn der Mensch lebt nicht, der Hühner besser mausen, spicken, sieden, braten – ja, will's Gott – transchieren und schnabulieren könnt' als ich, der ich hier vor euch steh. Und für mein Proficiat trink ich hier aufs Wohlsein aller guten Gesellen.« Damit zog er seine Feldflasch heraus, und ohn auch nur die Nas zu färben, tat er draus einen ziemlich derben.

Die Lümmel gafften ihn an und sperrten die Gurgeln schuhweit auf, ja hingen die Zungen so lang wie Windhund, in Hoffnung, nach ihm auch zu trinken; aber da kam ihr Hauptmann Kuttler just hergelaufen und wollt' auch sehen, was wär. Dem bot Gymnast sein Fläschlein und sprach: »Nehmt, Hauptmann, trinket frisch daraus! Hab's schon kredenzt, es ist Gewächs von der Faye Moniau.« – »Was!« schrie Kuttler, »ich glaub', der Kumpan da will uns foppen. Wer bist du?« – »Ein armer Teufel«, sprach Gymnast. – »Ho, ho«, sprach Kuttler, »armer Teufel! So du das bist, ist es billig, daß du weiter trabest, denn arme Teufel gehn überall frei ohn Zoll und Geleit. Ist aber nicht bräuchlich, daß arme Teufel so wohl beritten sein; darum, Herr Teufel, steigt nur ab und her mit dem Klepper, und wenn er nicht gut zu reiten ist, so reit ich euch selber, mein Herr Teufel; denn solche Teufel reit ich gern.«


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