François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Einundzwanzigstes Kapitel

Wie die Königin beim Abendessen bedient wurde, und wie sie aß

Nach dieser Rede wandte sich die Dame an ihre Kavaliere und sprach zu ihnen: »Der Magenmund, als allgemeiner Hoflieferant und Proviantvogt aller Glieder, unterer wie oberer, bestürmt uns, mittels Auftragung genügender Nahrungsmittel ihnen wiederzugeben, was durch stete Wirkung der natürlichen Wärme auf unsre Körper ihnen entzogen worden war. Ihr Herren meines Hofes! An euerm Eifer fehl es nicht, daß sich die Tafeln schleunig decken, daß sie von allen Gattungen rechtmäßiger Erfrischung strotzen. Ihr auch, edle Herrn! Vorkoster und Kauer! Die Gewähr eurer mit Treu und Fleiß gezierten Geschicklichkeit macht, daß ich euch nicht erst gebieten darf, euch also in euerm Dienst zu zeigen und stets aufmerksam zu sein. Nur was ihr tut, zu tun, erinnr' ich euch.« – Nach diesem Spruch begab sie sich nebst etlichen von ihren Zofen auf kurze Zeit hinweg, und zwar ins Bad, wie man uns sagt'. Sogleich schlug man die Tafeln auf und deckte sie mit erlesnem Linnen. Die Hausordnung war, daß die Dame nichts aß als himmlische Ambrosia, nichts trank als Götternektar. Aber die Herrn und Damen ihres Hofes und wir desgleichen wurden mit so raren, leckern, köstlichen Gerichten, als sie je einem im Traum erschienen, bedient.

Neu aber fand ich vor allem die Art der Dame, wie sie zu essen pflegte. Sie kaute nichts, nicht weil ihr's etwa an guten, derben Zähnen gefehlt hätte, oder weil ihre Speisen nicht des Kauens wären bedürftig gewesen, sondern es war so ihr Gebrauch und Lebensart. Wenn die Vorkoster ihre Speisen zuvor erprobt hatten, empfingen sie die Vorkauer und kauten sie ihr zierlichst vor, wobei ihr Schlund mit Karmesinatlas von zarter Goldstickerei und ihr Gebiß mit schönem weißem Elfenbein gefüttert war; und wenn sie ihr damit das Essen sattsam klar und fein zerteilt hatten, ward es ihr durch einen Seiher von feinem Gold bis in den Magen hinabgeseiht. Desgleichen ward uns auch erzählt, daß sie nicht anders zu Stuhl ging als per procuram.


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