François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Fünfunddreissigstes Kapitel

Wie der Mönch seinen Gefährten Mut einspricht, und wie er an einem Baum hing

So zogen die edeln Streiter denn auf ihre Abenteuer aus, mit gutem Vorsatz, zu erspähen, wo sie den Feinden zu Leibe gehen, oder wovor sie sich hüten müßten, wenn der Tag der großen erschrecklichen Schlacht käm. Und der Mönch sprach ihnen Mut ein und rief: »Seid nur ohn Furcht und Sorgen, Kinder! Ich führ euch sicher. Gott mit uns, und Sankt Benedikt!

Hätt' ich die Kraft wie den Mut, Tod und Teufel! Ich wollt' sie euch wie eine Ente rupfen! Ich fürcht' mich vor nichts als dem groben Geschütz: doch weiß ich einen Segen dafür, unser Klosterküster lehrt' mir ihn; der schützt den Mann vor allen Kugeln; aber er wird mir eben nix helfen, denn ich setz keinen Glauben darauf. Aber mein Kreuzstock soll Teufel tun. Bei Gott! Wenn einer unter euch wäre, der etwa Reißaus nehmen wollt', ich sei des Teufels, wo ich ihn nicht an meiner Statt zum Mönch mach und ihm mein Kuttenhalfter umzäun'. Es ist ein Arzenei darin für feige Leut'. Habt ihr nicht von des Herrn von Meurles Windhund gehört, der ins Feld gar nicht taugen wollt', bis er ihm eine Mönchskutt an den Hals hing? Bei des Herrn Leichnam, von Stund an entwischt' ihm weder Has noch Fuchs, und was mehr ist: alle Hündinnen im ganzen Land belegt' er, und war zuvor doch kreuzlahm, de frigidis et maleficiatis

Der Mönch ritt, während er diese Worte im Zorn sprach, unter einem Nußbaum unfern des Weidichts: da spießt' ihm ein dicker Nußzanken durch das Helmvisier. Nichtsdestoweniger stach er grimmig sein Pferd an, welches sporenscheu war und vorwärts bäumt'. Da ließ der Mönch, der sein Visier loshaken will, den Zügel gehen und hing sich mit der Hand an die Äst, derweil das Pferd unter ihm durchlief. Solchergestalt blieb der Mönch am Nußbaum hangen, schrie hilf und mordio und protestiert' Verräterei. Eudämon ward ihn zuerst gewahr und rief den Gargantua: »Herr, Herr! Kommt und sehet da den Absalon hängen!« Gargantua kam, beschauet sich die Art und Haltung des Mönchs, wie er da hing, und sprach zum Eudämon: »Dem Absalon vergleicht Ihr ihn? Das trefft Ihr schlecht; denn Absalon behing an den Haaren, aber dieser beschorene Mönch hie henkt an den Ohren.« – »Ins Teufels Namen, helft mir«, schrie der Mönch; »ist's jetzt Spottens Zeit? Ihr mahnt mich an die Dekretalienprediger; die lehren auch, wenn einer seinen Nächsten in Todesnöten sieht, soll er bei Straf des dreizackigen Bannstrahls ihn viel eher zur Beicht ermahnen und an den Gnadenstand, als ihm helfen.

Wenn ich nur solche G'sellen einmal im Wasser zappeln seh, hart am Ersaufen, will ich ihnen auch anstatt der Hilf und Handreichung einen lieben langen Sermon über die Abkehr dieser eiteln Welt halten, und wenn sie dann stocksteif sind, aus der Patsch ziehen.« – »Halt doch still, mein Schätzel«, sprach Gymnast, »wart, bis ich komm, ich will dich langen, du artiger kleiner Monachus!

Mönchlein, drin in der Klausur,
Giltst du mir zwei Eier nur.
Aber treibst du's draußen fleißig,
Giltst du mir wohl an die dreißig.

Ich hab wohl bei fünfhundert sehn henken, aber keinen, der mit so feinem Anstand gebaumelt hätt' wie du, und stünd's mir auch nur halb so gut, so wollt' ich baumeln mein Leben lang.« – »Habt Ihr bald ausgepredigt?« rief der Mönch, so helft mir denn um Gottes willen, wenn Ihr's nicht um des Teufels willen wollt. Bei dem Kleid, das ich trag, es soll Euch seinerzeit teuer zu stehen kommen.«

Da sprang Gymnast von seinem Gaul, stieg auf den Nußbaum, hub den Mönch mit einer Hand bei den Achselbändern und hakt' mit der andern sein Visier vom Zanken los; ließ ihn zur Erden fallen und sich darnach. Sobald der Mönch unten war, riß er sich sein ganzes Waffengeschmeid vom Leib und schmiß es Stück für Stück ins Feld, nahm seinen Kreuzstock und setzt' sich wieder auf sein Pferd, das ihm Eudämon unterdes gefangen hatt'. So ritten sie lustig ihres Weges immerfort auf das Weidicht zu.


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