François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Siebtes Kapitel

Wie uns Papling mit genauer Not gezeigt wurde

Am dritten Tag, der ebenso mit Schmäusen und Banketten verstrich, wie die zwei vorigen, begehrte Pantagruel inständiglich den Papling zu sehen; Ädituus meinte aber, daß er sich so leicht nicht sehen ließ. »Wieso? wie?« frug Pantagruel, »trägt er etwa den Helm des Pluto auf dem Kopf, oder Gyges' Ring an den Klauen, daß ihn die Welt nicht schauen kann?« – »Mitnichten«, sprach Ädituus, »er ist nur von Natur ein wenig schwer zu sehen; ich werd' indessen dafür sorgen, daß Ihr, wo möglich, ihn zu sehn kriegt.« Mit diesen Worten ging er weg und ließ uns weiter schmausen.

Nach einer Viertelstund kam er zurück und meldete, der Papling wär sichtbar, und führte uns dann ganz still und ducklings grad auf den Vogelbauer los, worin er in Gesellschaft zweier kleiner Kardinlinge und sechs schmerbäuchiger Bischlinge kauerte. Panurg betrachtete sich seine Gestalt, Gebärden, Mienen sehr aufmerksam; dann schrie er laut: »Der Henker hol das Biest! Er sieht aus wie ein Wiedehopf.« – »Um Gottes willen, redet leise!« sprach der Ädituus, »er hat Ohren!« – »Nun, hat die nicht auch ein Wiedehopf?« sprach Panurg. – »Wenn er euch nur ein einzigmal so blasphemieren und lästern hört, seid ihr verloren, liebe Leute. Seht ihr den Napf in seinem Bauer? Daraus fährt Blitz und Donnerwetter und tausend Teufel; die schlagen euch in einem Umsehn hundert Schuh tief unter die Erde.« – »Da wär's doch besser«, sprach Bruder Jahn, »wir tränken und bankettierten weiter«. –

»Aber«, sprach Pantagruel, »laßt doch den Papling uns etwas singen, daß wir auch hören, wie er pfeift.« – »Er singt und ißt nur«, antwortete ihm Ädituus, »zu seinen gewissen Tagen und Stunden.« – »Da halt ich's anders«, sprach Panurg, »mir ist eine jede Stunde recht. Also marsch, dann zum Humpen!« – »Jetzt sprecht Ihr untadlig«, sprach Ädituus, »mit solchen Reden wird man nimmer zum Ketzer. Kommt, ich mein's auch so.«

Auf dem Rückweg zum Schoppen sahn wir einen alten grünköpfigen Bischling, der schnarchte für drei. Neben ihm saß ein niedliches Äbtinlein, das sang gar munter. Da sprach Panurg: »Dies artige Äbtinlein singt sich schier die Seel aus dem Leib, und dieses grobe Pferd von Bischling schnarcht alldieweil. Ich will ihn in drei Teufels Namen bald singen lehren.« – Sofort zog er an einer Glocke über seinem Bauer. Doch er mochte läuten, soviel er wollte, der Bischling schnarchte nur desto lauter und sang nicht eine Note. – »Na wart, du alter Luley«, sprach Panurg, »dich will ich wohl auf andre Art zum Singen kriegen!« – Damit nahm er einen großen Stein und wollt' ihn grad auf den Magen werfen. Aber der Ädituus schrie: »Ach werter Mann! Schlag, schmeiß, wirf, mord und erstich du doch alle Könige und Fürsten der Welt, meuchlings, mit Gift, wie, wann du willst, ja nimm die himmlischen Engelein aus ihren Nestern; alles dies verzeiht dir der Papling. Nur an diese geheiligten Vögel rühre nicht, so lieb dir Leib und Leben, Hab und Gut und Wohlfahrt deiner selbst, wie deiner Freunde und Anverwandten, lebender wie toter, sind. Hüt, o hüte dich vor jenem Napf!« – »Es wird demnach wohl besser sein, wir bankettieren und zechen weiter«, sprach Panurg. – »Er hat recht«, sprach Bruder Jahn! »ich lob' ihn drum, Herr Eseldumm; denn bei den Teufelsvögeln hier tun wir doch nichts als blasphemieren; hingegen bei Euern Humpen und Flaschen, so lang wir uns die Gurgeln waschen, ist es ein ewiger Gottesdienst. Fort denn zum Humpen! Das soll ein Wort sein!«

Am dritten Tag (nach dem Wein, versteht sich) gab der Ädituus uns Urlaub. Er schickte uns Erfrischungen aller Art auf unsre Schiffe, wünschte uns eine glückliche Reise, daß wir gesund zum Ziel gelangen und unsre Zweck erreichen möchten und ließ uns schwören beim heiligen Peter, auf der Rückfahrt wieder in seinem Ländlein vorzusprechen. Zu guter Letzt sprach er noch zu uns: »Ihr werdet finden, liebe Freunde, daß es auf Erden weit mehr Schellen als Männer gibt. Hieran gedenket!«


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