François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Zwanzigstes Kapitel

Wie Bruder Jahn dem Panurg beweist, daß er sich während des Sturmes ohne Ursach geängstigt habe

»Nun, ihr Herren alle miteinander!« sprach Panurg weiter. »Ihr seid ja samt und sonders wohl. Gott und euch sei Lob dafür! Kann ich euch etwa dort noch helfen? Ich lechze nach Dienst und Arbeit wie vier Ackerochsen. Ihr Kinder, bedürft ihr noch meiner Hilfe? Um Gottes willen, schont nur nicht den Schweiß meines Angesichts. Unser Herrgott, wie ihr wohl wißt, will, daß wir im Schweiß unsres Angesichtes unser Brot essen sollen, und nicht in Faulheit, wie dieser große Schlaps von Mönch hier, der Bruder Jahn, der sich besäuft vor Todesangst. Jetzt erkenn' ich erst, wie wahr und wohl erwogen jenes Wort des edeln Philosophen Anacharsis war, als man ihn frug, welches Schiff ihm das sicherste scheine, und er antwortete: ›Das im Hafen!‹«

»Bei meiner teuern Kutte, die ich trag'!« sprach Bruder Jahn zu Panurg, »mein Freund, du hast dich traun ohne allen Grund während des Sturms geängstigt. Denn es ist dir gar nicht beschieden, im Wasser zu sterben; du wirst ohnfehlbar einst hoch in Lüften aufgehenkt oder lustig geröstet bei einem hellen Feuerlein, wie ein Ketzerbraten. Gestrenger Herr, wollt Ihr einen guten Regenrock? Dann laßt nur Panurg das Fell abziehn und tut es um. Nehmt Euch in acht, daß Ihr dem Feuer nicht zu nahe kommt; denn in einem Nu wär's Staub und Asche. Allein dem Regen, dem Schnee, dem Hagel trutzt darin, so lang ihr wollt. In Gottes Namen taucht in das Wasser bis auf den Grund, es wird euch wahrlich kein Finger naß.

Drum, Freund Panurg«, fuhr Bruder Jahn fort, »hab du nur keine Furcht vorm Wasser, ich bitte dich drum: das Element, das deinem Leben ein End macht, ist ein andres.« – »Ja doch!« sprach Panurg, »allein die höllischen Köche versehn sich und stören mitunter gegenseitig ihren Dienst und setzen oft zum Sieden an, was braten sollte – wie schon bei uns in unserer Schiffsküche die Herren Köche oft Feldhühnlein, Turtel- und Ringeltauben spicken; man dächt', sie wollten's braten lassen; gleichwohl hat man schon oft erlebt, daß sie die Hühner mit Kohl, die Turteln mit Schnittlauch und die Ringeltauben mit weißen Rüben gesotten haben.

Jetzt hört mich an, ihr schönen Freunde! Vor dieser edeln Versammlung erklär' ich hiermit feierlich: was das Stift anlangt, das ich dem heiligen Monsieur Nikolas zwischen Quande und Monsoreau gelobt habe, da versteh ich drunter einen Drahtstift; weder Heu noch Stroh soll darin wachsen, denn ich werf ihn ins Wasser, wo's am tiefsten ist.« – »Nun seht den Zeisig!« rief Eusthenes, »den feinen Zeisig, den saubern Zeisig! Der macht das Lombardische Sprichwort wahr:

Der Heiligen Schar
Lacht man nach der Gefahr.


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