François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Neununddreissigtses Kapitel

Wie Schlottig uns eines Papstes Urbild zeigte

Nach diesem zog Schlottig aus einem Kasten einen großen Schlüsselbund, mit dem er über dem Altar an einem mit starken Eisenbarren verwahrten Fenster zweiunddreißig Riegel- und vierzehn Vorhängschlösser aufsperrte. Drauf bedeckte er sich sehr geheimnisvoll mit einem nassen Sack, zog einen rotseidnen Vorhang auf und wies uns ein meines Erachtens ziemlich schlecht gemaltes Bildnis; er berührte es mit einem langen Stab und ließ uns Mann für Mann den Stab küssen; dann frug er uns: »Was haltet ihr von diesem Bild?« – »Es ist«, antwortete Pantagruel, »das Konterfei eines Papstes; ich kenn' es an der Tiara, am Pallium, der Dalmatik und dem Pantoffel.« – »Richtig«, sprach Schlottig, »es ist die Idee dieses grundgütigen Gottes auf Erden, dessen Zukunft wir demütiglich entgegenharren und ihn dereinst noch in diesem unserm Vaterland zu schauen hoffen. O ersehnter, o lang erharrter, seliger Tag! Und selig, aberselig auch ihr, die ihr Gestirn so wohl geführt hat, daß ihr diesen guten lieben Erdengott selbsteigenleiblich von Angesicht und in Person gesehen habt, dessen nun erblicktes Gleichnis schon uns vollen Erlaß aller unsrer bewußten Sünden und eines Drittels, ja sogar von achtzehn Vierzigteilen der schon vergeßnen einbringt! Wir sehen es nur alle hohen Feste einmal.«

Darauf meinte Pantagruel, es wär wie eine Arbeit des Dädalus: wiewohl unförmlich und grob gezeichnet, wär doch, was den Ablaß anbeträf, eine Art von göttlicher Energie darin verborgen und versteckt. – »Just wie die Bettler im Spittel zu Seuillé«, sprach Bruder Jahn, »die eines Abends an einem guten Feiertag bei ihrer Bettelsuppe sich rühmten, wieviel sie den Tag lang erfochten hätten, einer sechs Heller, der andre zwei Groschen, noch ein andrer sieben Fränklein; ein großer Schubjak kam gar und prahlte, daß er drei schwere Gulden erschnappt hätte. ›Ei‹, sprachen seine Gesellen zu ihm, ›du hast aber auch ein Gottesbein!‹ – Als wenn in einem brandig-faulen, eitrigen Bein was Göttliches stäke.«

»Wenn ihr«, versetzte Pantagruel, »hier solche Reden führen wollt, so habt nur auch gleich ein Becken zur Hand; denn wenig fehlt, so muß ich kotzen. Den heiligen Namen Gottes bei solchem Schund und Unflat zu brauchen! Pfui, sag ich! Pfui! Wenn solcher Mißbrauch der Worte in euerm Mönchtum Sitte ist, so laßt ihn nur im Kloster und bringt ihn nicht unter uns.«

»Mir will bedünken«, sprach Panurg, »dies Bildnis passe nicht gerade auf unsre letzten Päpste; denn die hab ich statt der Mitra den Helm auf'm Kopf tragen sehn und oben drauf war die persische Tiara gestülpt. Und wenn die ganze Christenheit in Fried und Ruh war, führten sie allein grausamen und blutigen Krieg.«

»Ei«, sprach Schlottig, »das taten sie eben wider die Rebellen, die Ketzer und die gottesvergessenen Protestanten, die Seiner lieben Heiligkeit, diesem grundgütigen Erdengott, nicht folgen wollten. Dieses ist ihm nicht nur verstattet und erlaubt, sondern durch die hochgelobten Dekretalien sogar geboten: er muß Kaiser, Könige, Fürsten, Herzöge und freie Städt sofort mit Feuer und Schwert und Blut ersäufen, sobald sie auch nur ein einziges Jota von seinen Geboten weichen; muß sie ihrer Habe berauben, des Regiments entsetzen, in Acht und Bann tun, und nicht nur ihre und ihrer Kinder und andern Blutsfreunde Leiber töten, sondern auch ihre Seelen bis zu dem heißesten Höllenpfuhl hinab verfluchen.«

»Nun gottlob!« rief hier Panurg, »hier unter uns, das weiß der Teufel! hat's keine Ketzer, wie in Deutschland oder England. Ihr habt doch noch euer Christentum am Schnürchen, als hätt' man euch extra ausgesucht!« – »Ei wohl!« sprach Schlottig, »ei potztausend! Wir werden aber auch alle selig! Und jetzt zum Weihwasser und dann zu Tisch!«


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