François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Siebzehntes Kapitel

Wie Pantagruel die dreihundert Riesen in Werksteinrüstung, nebst Wärwolf, ihrem Hauptmann, erschlug

Als nun die Riesen ihr ganzes Lager ersoffen sahen, trugen sie ihren König Anarchos, so gut sie konnten, auf ihren Schultern aus dem Verhau. Kaum sah Panurg das, so sprach er zum Pantagruel: »Schauet, Herr, da ziehn die Riesen! Nun schlagt mal ritterlich drunter mit Eurem Mastbaum, denn nun ist's Zeit, sich wacker zu zeigen. Wir an unserm Teil wolln Euch auch nicht im Stiche lassen. Nur Herz gefaßt und dreingeschlagen auf Hieb und Stoß!« – »Ei«, sprach Pantagruel, »was Herz? Herz hab ich für mehr denn fünfzig Franken. Aber mit zwei auf einmal hat's Herkules selbst wohl bleiben lassen.« – »Scheiße!« sprach Panurg. »Wie? Ihr vergleicht Euch dem Herkules? Und habt doch bei Gott mehr Stärke in den Zähnen und mehr Verstand im Hintern als Herkules in Leib und Seel zusammengenommen! Der Mann ist das wert, wofür er sich hält!«

Während sie noch so sprachen, siehe! da kam Wärwolf mit allen seinen Riesen herbei, und als er sah, wie Pantagruel so allein war, ward er ganz übermütig und tolldreist, denn er hoffte, das arme Männlein stracks zu erlegen. Er sprach also zu seinen Gesellen, den Riesen: »Holla, ihr Bankertbande, wenn einer von euch mit diesem da sich anzubinden untersteht, so seid ihr bei meinem Bart des blassen Todes. Den werd' ich schon unterkriegen! Ihr könnt meinetwegen zuschauen.« Flugs retirierten alle Riesen nebst ihrem König auf die Seite, wo die Flaschenbatterie stand, und ihnen folgte mit seinen Gesellen Panurg, der sich anstellte, wie wenn er erst vor kurzem von der Franzosenkrankheit genesen wär; denn er verdrehte den Hals und verkrümmte die Finger und sprach mit heiserer Stimme: »Kam'raden, Kott verfluck mir, wenn wir Kriegsleut sind! Wir schlagen uns nit. Gebt uns bei euch zu essen, und laßt unsre Herren sich ruhig das Leder gerben.« – Der König und die Riesen waren des wohl zufrieden und ließen sie mit ihnen trinken.

Währenddessen schwang Wärwolf gegen Pantagruel eine massive stählerne Keule, 9700 Zentner und zwei Viertelpfund schwer, mit dreizehn Diamantspitzen beschlagen, deren kleinste so dick wie die größte Glocke auf Notre Dame zu Paris war. Dieselbe war gefeit, so daß sie niemals entzweibrechen konnt', sondern daß alles, was sie berührte, kurz und klein brach. Wie er so daherschritt, schlug Pantagruel seine Augen gen Himmel auf, befahl sich Gott aus ehrlichem Herzen und tat das Gelübde, daß er in seinen Landen immer den lauteren Glauben lehren und predigen lassen wolle.

Hierauf erscholl vom Himmel eine Stimme und sprach: »Hoc fac et vinces!« das heißt: ›Tu es, und du wirst siegen.‹ – Jetzt, wie Pantagruel den Wärwolf mit offenem Schlund anrennen sah, ging er ihm kühn entgegen und schrie, so laut er konnt': »Stirb, Unhold! stirb!« und warf ihm über 18 Pfund Salz aus seinem Schiff ins Gesicht, verschüttete ihm damit den ganzen Mund, Schlund, Gaumen und Gurgel, Nas und Augen. Ergrimmt holte Wärwolf zum Schlag aus, aber Pantagruel, nicht faul, sprang zur Seite und traf ihn mit seinem Mastbaum gerade zwischen die Beine, so daß der Mastkorb entzweiging und 3 bis 4 Ohm Wein abliefen. Wärwolf aber dachte, er hätte ihm die Blase entzweigeschlitzt, und der Wein, der auslief, wär' sein Harn.

Da holte er aufs neue aus, aber Pantagruel wich wiederum geschickt zur Seite, und Wärwolfs Keule fuhr über 73 Schuh tief ins Erdreich mitten durch einen starken Felsen, daß ein dicker Feuerstrahl hervorsprang. Wie nun Pantagruel sah, daß er sich damit aufhielt, seine Keul aus dem Gestein und Erdreich wieder herauszuziehen, rannte er auf ihn zu und wollte ihm das Haupt glatt abhaun; aber zum Unglück traf er mit seinem Mastbaum ein wenig an den Schaft der Keule des Wärwolf, die, wie gesagt, gefeit war, so daß der Mast ihm in der Hand zersplitterte. Da erschrak er wie ein Glockengießer und schrie laut auf: »Hoho, Panurg! Panurg! Wo bist du?« – Als es Panurg hörte, sprach er zu dem König und den Riesen: »Bei Gott, sie werden sich ein Leides tun, wenn keiner sich drein legt.« – Aber die Riesen waren bei ihrem Becher vergnügt wie die Hochzeiter und wollten von Kampf und Streit nichts hören. Jetzt sprang Karpalim auf und wollte seinem Herrn helfen, aber ein Riese ermahnte ihn: »Beim Golfarin, des Mahoms Neffen! Wo du dich rührst, steck ich dich in meinen Hosenboden statt Stuhlzäpfleins; ich bin ohnhin harten Leibs und kann nichts machen, wenn ich die Zähn nicht zusammenbeiß.«

Da Pantagruel jetzt unbewaffnet und wehrlos war, versuchte er's auf andere Weise: er gab dem Wärwolf mit dem Fuß einen so schweren Tritt vor den Bauch, daß der der Länge lang hinfiel, die Beine gen Himmel streckte. So schleift' er ihn über einen Bogenschuß weit an der Erden hin, und Wärwolf schrie in einem fort: »O Mahom! Mahom! Mahom! Mahom!« wobei ihm das Blut aus dem Schnabel schoß. Auf dies Schreien erhuben sich alle Riesen, um ihm beizustehen. Aber Panurg sprach: »Bleibt davon, ihr lieben Herrn, folgt mir! Denn unser Herr ist toll, er haut der Kreuz und Quer und sieht nicht, wo er zuschlägt.« Die Riesen achteten aber nicht drauf, weil sie ihn ohne Waffen sahen. Wie sie Pantagruel kommen sah, packte er den Wärwolf an beiden Beinen, hielt seinen Leib steif in die Luft statt einer Pike und stieß mit ihm unter die steingewappneten Riesen so rüstig drein, daß sie zerbröckelten wie Ziegel unterm Hammer, und keiner vor ihm Stich halten konnte. Panurg, Karpalim und Eusthenes erschlugen vollends die, welche an der Erd zerstreuet lagen, und glaubt mir, daß auch nicht ein Mann davonkam, und wie ein Schnitter war Pantagruel anzuschauen, welcher mit seiner Sense (dem Wärwolf) das Gras auf dem Anger (die Riesen) mähte. Zu guter Letzt, als er sie all erschlagen sah, warf er mit Macht den Leichnam gegen die Stadt; da fiel er mitten auf den Marktplatz platt wie ein Frosch hin auf den Bauch und erschlug im Fallen einen begossenen Hund, eine Märzkatze, eine Kirchmaus und einen Schnapphahn.


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