François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Drittes Buch

Erstes Kapitel

Wie Pantagruel eine Utopische Kolonie in Dipsodien einführte und den verschwenderischen Panurg zum Burgvogt machte

Nachdem Pantagruel ganz Dipsodien erobert hatte, führte er in das Land eine Utopische Kolonie von 9 076 043 010 Männern, ohne die Weiber und kleinen Kindlein; Handwerksleut aus allen Zünften, Professoren aller ersinnlichen freien Künste, um dies Land, das sonst nicht sehr bewohnt und meist verödet war, zu restaurieren, zu bevölkern und wiederum in Blüte zu bringen.

Hiebei bemerket nun, ihr Zecher, daß es der rechte Weg nicht ist, ein neu erobert Land in Pflicht und Gehorsam zu erhalten, wenn man, wie tyrannische Geister zu ihrem Schimpf und Schaden irrig vermeint haben, die Völker kränkt, plackt, schindet, martert, druckt, beraubt und sie mit eisernen Ruten züchtigt. Sondern man muß sie wie ein neugeboren Kindlein wiegen, säugen, ihnen schöntun; wie einen neugepflanzten Baum sie schützen, schirmen und vor allem Windbruch, Unbill und Wetterschaden hüten. Wie einen Menschen, der von schwerer langwieriger Krankheit wiederum sich zur Genesung erholen will, muß man sie warten, schonen und stärken; bis sie in ihren Herzen selbst der Meinung werden, daß sie von allen Königen und Fürsten der Welt keinen so ungern zu ihrem Feinde, keinen lieber zum Freund haben möchten.

Als Pantagruel nach diesem Rezept die ganze Dipsodische Landesverwaltung in Ordnung gebracht hatte, verlieh er an Panurg die Burgvogtei von Salmigundien, die jährlich 6 089 006 089 Goldgulden fix eintrug ohne die Einkünfte aus der Schnecken- und Maikäferzucht. Da hielt nun der neue Herr Burgvogt so wohl und ratsam Haus damit, daß er in noch nicht vierzehn Tagen alle Einkünfte der Vogtei auf drei Jahr verputzt hatte. Nicht etwa, wie ihr vielleicht denkt, mit Klösterstiften, Tempelbauen, Gründung von Schulen oder Spitälern, oder daß er seinen Speck sonst vor die Hunde geworfen hätte, sondern mit tausenderlei kleinen ergötzlichen Saufereien und Festlichkeiten, wo offene Tafel für jedermann gehalten wurde, insbesonders für gute Kameraden, junge Mädel und schmucke Dirnlein. Er schlug Holz, verbrannte die großen Stämme, damit er die Asche verkaufen könne, nahm Geld zum voraus auf, kaufte teuer, schlug wohlfeil los und aß sein Korn auf dem Halm. Als Pantagruel den Handel erfuhr, ward er darüber keineswegs bös, unwirsch oder mürrisch. – Er nahm Panurg bloß auf die Seite und hielt ihm liebreich vor, daß, wenn er nicht besser Haus halte, es ganz unmöglich oder zum mindesten doch sehr schwer sein werde, ihn jemals reich zu machen. »Reich?« sprach Panurg, »stand Euer Sinn Euch darnach, mich – mich reich zu machen in dieser Welt? Alle gute Geister! Denkt lieber darauf, daß wir ein lustiges Leben führen; all andre Sorg, all andrer Kummer sei doch fern von dem hochheiligen Sitz Eures himmlischen Gehirns, dessen Klarheit nimmer auch nur das kleinste Wölklein von Trübsinn oder Griesgram trüben möge! Wenn Ihr frisch, fröhlich und guter Ding seid, hab ich des Reichtums voll und satt.«


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