François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Erstes Kapitel

Von der Geburt des gestrengen Pantagruel

Gargantua erzeugte in seinem 524. Jahr seinen Sohn Pantagruel mit seinem Weibe Hängemunden, der Tochter des Amaurotenkönigs in Utopien, die im Kindbett starb; denn er war so unmäßig groß und stämmig, daß er nicht zur Welt kommen konnt', ohne seine Mutter mit zu ersticken. Aber damit ihr die Ursach und Bedeutung seines Namens, der ihm in der Tauf erteilet ward, gründlich verstehen mögt, so sollt ihr wissen: es war im ganzen Land Afrika dasselbe Jahr so große Dürre, daß sechsunddreißig Monat, drei Wochen, vier Tag, dreizehn Stunden und etwas weniges darüber ohne Regen verstrichen, bei so erschrecklicher Sonnenglut, daß die ganze Erd davon verdorrte.

Das ganze Land saß auf dem Trockenen. Die Müh und Angst der Sterblichen, dem schauderhaften Verdursten zu steuern, war kläglich anzusehen. Denn man hatt' alle Händ voll zu tun, daß nicht gar der Weihbrunn in den Kirchen aufgeleckt ward. Doch wußten die Herren Kardinäle und der Heilige Vater dafür bald so guten Rat, daß niemand mehr denn einen Segen davon zu nehmen sich getrauet'. Ja, wenn ein Mensch in die Kirche kam, hättet ihr wohl an zwanzig arme Durster hinter dem, der das Wasser austeilt', offenen Mundes daherziehn sehen, ob sie ein Tröpflein erschnappen möchten, wie der reiche Mann, auf daß nichts umkäm. O selig, wer in diesem Jahr einen kühlen und vollen Keller hatt'!

Eines Freitags nun, als alle Welt der Andacht pflog, und ein schöner Umgang mit Litaneien und Inprofundis schockscheffelweis' gehalten ward, Gott den Allmächtigen beschwörend, daß er in solchem Mißgeschick mit seinem Auge der Erbarmung sie gnädiglich ansehn wollt' – da sah man handgreiflich dicke Wassertropfen der Erd entquellen, wie wann eins stark schwitzet. Das arme Volk fing sich schon an zu freuen, als wenn es ihnen zum Heil und Labsal gewesen wär. Denn etliche sprachen, weil die Luft nicht einen Tropfen Feuchtigkeit mehr hätt', davon noch Regen zu hoffen stünde, hilf nun die Erde dem Mangel nach. Andre Leut, die Studierten, meinten, es wär halt Antipodenregen. Aber sie waren angeführt. Denn als nach abgehaltenem Umgang alles den Tau zu schöpfen lief und in vollen Zügen trinken wollt', fanden sie, daß es nichts andres war denn Heringslake, so bitter und salzig wie kein Seewasser nimmermehr. Und weil auf eben diesen Tag Pantagruel geboren ward, gab ihm sein Vater diesen Namen; denn Panta bedeutet auf Griechisch alles, und Gruel in arabischer Sprach so viel als durstig – anzuzeigen, daß alle Welt in seiner Geburtsstunde durstig gewesen; auch weil er zugleich im prophetischen Geist zum voraus sah, daß er dereinst Beherrscher der Durstigen sein würd, welches ihm außerdem noch durch ein offenbares Zeichen in eben der Stund erwiesen ward. Denn als seine Mutter Hängemunde mit ihm im Kreißen begriffen war und die Hebammen seines Empfanges harrten, kamen aus ihrem Leib voraus achtundsechzig Saumroßtreiber, und jeder führt' am Halfter ein Maultier mit eitel Salz beladen nach. Auf diese folgten neun Dromedare mit Schinken und geräucherten Rindszungen, sieben Kamele voll kleiner Aale, drauf fünfundzwanzig Karren mit Zwiebeln, Lauch, Porree, Knobloch und Schalotten. Die Hebammen waren baß erschrocken, und ihrer etliche sprachen zusammen: »Hie hat's gut Futter, weil wir zeither im Trinken zu schüchtern und allzu nüchtern waren. Dies Zeichen bedeutet uns nur Glück. Danach läßt sich's saufen.« – Und wie sie so noch untereinander plauderten, siehe! da trat heraus Pantagruel, über und über rauh wie ein Bär. Und eine prophezeiet' und sprach: »Er kommt mitsamt dem Haar zur Welt, er wird erstaunliche Dinge tun und, wenn er lang lebt, zu Jahren kommen.«


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