François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Sechsundzwanzigstes Kapitel

Wie Epistemon mit dem Brauch der Fasten unzufrieden war

»Habt Ihr wohl acht«, sprach Epistemon, »wie dieser schlechte Lotterbub und Brummpfaff uns den März als Monat der Unzucht pries?« – »Ei wohl«, antwortete Pantagruel, »und gleichwohl fällt er stets in die Fasten, die doch zu Kreuzigung des Fleisches, Ertötung aller Sinnenlüste und Venusfurien eingesetzt ist.« – »Nun könnt ihr schließen«, sprach Epistemon, »wie schlau der Papst gewesen sein muß; der's eingesetzt hat, wenn uns hier dies faule Kobenschwein von Brummer frei gesteht, daß es sich nie im Sündenschlamm der Hurerei so munter wie zur Fastenzeit herumgewälzt habe; nach dem offenbaren Zeugnis aller geschickten, erfahrnen Ärzte weiß man auch, daß das ganze Jahr lang keine zur Üppigkeit mehr reizende Speisen gegessen werden, als um die Zeit: Nüsse, Heringe, Erbsen, Bohnen, Zwiebeln, Anchovis, Austern, Mariniertes, Salate aller Art aus lauter venerischen Kräutern bereitet.« – »Wie aber solltet Ihr Euch erst wundern«, sprach Pantagruel, »wenn gar jener werte Papst und erste Stifter unsrer allerheiligsten Fasten die Speisen, die Ihr hier nennt, verordnet hätte, um die Vermehrung der Menschenrasse dadurch zu fördern? Was mich drauf bringt, ist, daß im Kirchenbuch zu Touars die Zahl der im Oktober und November geborenen Kinder größer als der zehn andern Monat des Jahrs ist, die mithin, wenn man rückwärts zählt, alle in den Fasten gemacht, erzeugt und empfangen sind!« – »Ich«, sprach Bruder Jahn von Klopffleisch, »hör' euern Reden fröhlich zu, und es ist mir immer ein groß Vergnügen! Allein der Pfarrer von Jambert schob dies häufigere Schwangerwerden der Weiber nicht auf die Fastenspeisen, sondern mehr auf die kleinen hökrigen Bettelmönche, auf die bekleckten und bedreckten Predigerlein, Seelsorgerlein und Stiefelpfäfflein; die verdammten gerade um die Zeit ihres Regiments die buhlerischen Ehemänner bis in den tiefsten Höllenpfuhl, so daß diese aus Angst vor ihnen nicht mehr die Zofen bürsteten, sondern wieder zu ihren Weibern kämen. Dixi

»Legt ihr«, sprach Epistemon, »den Brauch der Fasten nur nach Belieben aus; ein jeder hält auf seiner Meinung; aber wenn sie einst abgeschafft werden, werden sich alle Ärzte auflehnen; das weiß ich, ich hab's von ihnen selbst. Denn ohne Fasten wär ihre Kunst verachtet, sie lösten nichts, kein Mensch wär mehr krank. In der Fasten wird alle Krankheit gesäet; sie ist die wahre Pflanzschule aller Übel, recht ihr Mutterstock und Brutnest. Die Fasten fressen nicht nur die Leiber faul; nein, auch die Seelen stürzen sie mit in Verdammnis. Da hantieren die Teufel frei; da gehn die Kuttner an ihr Geschäft; da feiern Gleisner und Pharisäer scharenweis ihre hohen Feste, Ablässe, Stationen, Beichten, Staupen, Bannschießen.«

»Holla!« rief hier Panurg, »du Brummer! Komm her, Kujon, o Hurensohn; was hältst du von dem? Ist's nicht ein Ketzer?« Br. Erz.

Pan. Muß er nicht brennen? Br. Muß.

Pan. Und das je eher je lieber? Br. Stracks.

Pan. Ohn ihn erst vorzubräteln? Br. Ohn.

Pan. Also daß er im Feuer? Br. Leb.

Pan. Bis daß erfolgt der? Br. Tod.

Pan. Denn er hat Euch zu schwer gekränkt? Br. Oh!

Pan. Hieltet Ihr ihn nicht gar für? Br. Toll.

Pan. Was wollt Ihr, daß er gleich würd? Br. Asch.

Pan. Andre Leut hat man gebraten? Br. Viel.

Pan. Und war ihre Ketzerei nur? Br. Spiel.

Pan. Und man wird auch ihrer noch braten? Br. Mehr.

»Ich weiß doch nicht«, sprach Epistemon, »was Ihr nun für ein Wohlgefallen an dem Geschwätz mit diesem schlechten Mönchslump findet. Wenn ich Euch nicht von lang her kennte, würd' ich in meinem Sinn von Euch nicht eben allzu rühmlich denken.«

»In des Herren Namen«, sprach Panurg. »Ich wollt', ich könnte ihn dem Gargantua mitbringen, so gefällt er mir. Wenn ich vermählt bin, wär's ein guter Schalksnarr für meine Frau, ihr Spaßmacher!« – »Ja, ihr Kindmacher«, antwortete Epistemon. – »Ha ha, arm's Panurgel!« rief Bruder Jahn, »jetzt hast's. Lang zu. Deinen Hörnern kannst du nicht entlaufen.«


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