François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Zehntes Kapitel

Wie Panurg den englischen Zeichenfechter ad absurdum führte

Während nun alles mäusleinstill umherstand und die Ohren spitzte, erhob der Engländer beide Hand getrennt hoch in die Luft, wobei er alle Spitzen der Finger in der Figur zusammenkniff, die man um Chinon herum Hühnerburzel nennt, und mit den Nägeln der einen viermal gegen die andre schlug.

Alsbald erhob Panurg die Rechte, steckte den Daumen ins rechte Nasenloch, hielt die vier Finger ausgestreckt und gegen das Nasenbein, wobei er das linke Aug ganz zudrückte und mit dem Rechten blinzelte, so daß die Braue und die Wimper tief heruntergepreßt waren.

Da fing Thaumast zu zittern an und ward ganz bleich und machte dies Zeichen: Mit dem mittelsten Finger der Rechten schlug er gegen den Handtellermuskel, der unter dem Daumen ist; drauf steckte er den Zeigefinger der rechten Hand durch zwei Finger der Linken.

Jetzt schlug Panurg die Hände zusammen und hauchte darein, steckte abermals den Zeigefinger der rechten Hand in die Linke, zog und schob ihn wiederholt zwischendurch, hängte dann das Kinn lang und betrachtete Thaumast aufmerksam. Die Leute, die nichts von diesen Zeichen verstanden, sahen doch wohl, daß er damit Thaumast pantomimisch fragen wollte, was er darauf zu sagen hätte. Thaumastos fing schon dicke Tropfen zu schwitzen an und schien in tiefer Beschaulichkeit wie außer sich verzückt. Darnach bedachte er sich, legte alle Nägel der linken Hand an die Nägel der rechten, spreizte die Finger in halben Zirkeln auseinander und hob in dieser Positur die Hände, so hoch er konnte, empor. Worauf Panurg einen Finger der Linken in den Hintern steckte und mit dem Mund die Luft einsog, wie wenn man Austern in Schalen ißt oder Suppe schlürft; dann öffnete er den Mund ein wenig und schlug flach mit der rechten Hand drauf, daß es laut und tief klang, als ob der Schall von der oberen Fläche des Zwerchfells durch die Luftröhre käme, und dies machte er an sechzehnmal. Thaumastos aber fauchte immerzu wie eine Gans. Schließlich steckte Panurg den rechten Zeigefinger in den Mund, klemmte mit den Muskeln des Mundes ihn fest ein und zog ihn wieder heraus, daß beim Herausziehn ein lauter Schall ertönte, wie wenn die Kinder mit Rüben aus Holderbüchsen schießen.

Aber es schien, als sei Thaumast nicht zufrieden hiemit, denn er legte seinen linken Daumen an die Nasenspitze und schloß die übrigen Finger derselben Hand. Da legte Panurg die zwei Mittelfinger an beide Mundwinkel, zog den Mund, so weit er konnt', auseinander und zeigte sein ganz Gebiß, wobei er noch mit beiden Daumen die Augenwimpern so tief wie möglich herabdrückte, so daß er nach übereinstimmendem Urteil der Versammelten eine sehr leidige Fratze schnitt.

Als er das gesehen hatte, stand Thaumastos auf, zog sein Barettlein, bedankte sich bei Panurg freundlich und konnte sich nicht genug tun im Lobe des hochgelehrten Herrn Pantagruel. Darnach bankettierten alle zusammen aufs fröhlichste, und nicht einer war drunter, der nicht mindest fünfundzwanzig bis dreißig Ohm getrunken hätte. Was aber die Auslegung der Thaumastischen Streitsätze und die Erklärung der Zeichen, womit sie disputierten, anlangt, so wollt' ich euch dieselben nach ihrem mündlichen Bericht erklären; aber ich hab' gehört, daß Thaumastos ein großes Buch hierüber zu London hat drucken lassen, worin er alles und jedes aufs genauste erläutert. Dieserhalb will ich's für heut bewenden lassen.


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