François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Dreiundzwanzigstes Kapitel

Wie Rundibilis der Arzt Panurgen berät

Nun wandte sich Panurg an Rundibilis und sagte: »Also frisch, mein lieber Meister Rundibilis, macht's kurz, sprecht: soll ich frein oder nicht?« – »Bei meines Maultiers Paßgang!« antwortete Rundibilis, »ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ihr bezeugt, daß Ihr den Stachel der Sinnlichkeit scharf in Euch spüret. Die Medizin lehrt nun, daß die Fleischeslust durch fünferlei Mittel gebändiget werden kann.«

»Durch den Wein – das will ich glauben«, sprach Bruder Jahn, »wann ich sternvoll bin, verlangt mich nach weiter nichts als Schlaf.« – »Sagen wir durch Wein, im Übermaß genossen«, sprach Rundibilis. »Denn des Weines Übermaß im menschlichen Körper bewirkt Erkältung des Geblüts, Erschlaffung der Nerven, Verdünnung des erzeugenden Samens, Abstumpfung der Sinne, kurz alles dessen, was den Beischlaf hindert.

Zweitens durch allerlei Medikamente und Kräuter, durch die der Mensch zur Zeugung kalt, ungeschickt und unfähig wird. Allerdings gibt es auch andre, die zum Liebeswerk erhitzen, den Menschen spornen und tauglich machen.« – »Die tun mir, Gott sei Dank! nicht not«, versetzte Panurg; »Euch etwa, Meister? Doch nichts für ungut, ich hab' die Frag nicht bös gemeint.«

»Zum dritten«, sprach Rundibilis, »durch anhaltende Arbeit, die den Leib dermaßen erschöpft, daß das zur Erhaltung der einzelnen Glieder nötige Blut nicht Zeit findet, jene spermatische Feuchtigkeit und Ersparnis von der dritten Verdauung auszuscheiden. Die Natur behält es für sich selbst zurück, denn es ist ihr weit nötiger zur Erhaltung ihres Geschöpfs als zur Fortpflanzung der Spezies des Menschengeschlechtes. Wenn man den Müßiggang von der Welt vertilgen könnte, dann hätte Cupidos Kunst bald ein End; sein Bogen, Pfeil und Köcher wären ihm ein unnütze Last, er würd' damit niemandem mehr ein Leids antun, denn er ist nicht der Schütz darnach, daß er den Kranich in der Luft, den fliehenden Hirsch im Wald trifft, sondern er verlangt sein Wild in Ruh, stillsitzend, liegend, faul und müßig.

Viertens: Durch emsig eifriges Studieren. Denn dies erschlafft die Geister unglaublich. Habt einmal acht auf einen Menschen, der fleißig über ein Studium nachdenkt. Alle Adern des Hirns an ihm werdet Ihr gleich der Armbrustsehne immer gespannt sehn, um ihm behend die nötigen Geister zuzuführen zur Füllung der Kammern des Menschenverstandes, der Empfindung und Einbildung, der Schluß- und Urteilskraft. An einem so vertieften Menschen sind alle Naturfunktionen wie aufgehoben, alle seine äußern Sinne stocken, kurz man könnte ihn für leblos halten.

Fünftens: Durch den Liebesakt.« – »Da hab' ich«, fiel Panurg ein, »nur drauf gelauert und nehm's für mich. Hol sich das andere, wer Lust hat.« – »Dies ist«, sprach Bruder Jahn, »was der Prior zu Sankt Viktor Ertötung des Fleisches nennt. Und ich glaub', daß die Thebaischen Klausner ihren Leib nicht besser kasteien und den Aufruhr des Fleisches ersticken können, als wenn sie's des Tages fünfundzwanzig bis dreißigmal machen.« – »Ich seh, Panurg ist«, sprach Rundibilis, »von guter Leibesproportion und voll wirksamer Säfte, sein Geist ist wohlgebildet, sein Alter paßlich, die Zeit gelegen; er hat den redlichen Willen zu frein; findet er ein Weib vom gleichen Schlag, so werden sie Kinder mitsammen zeugen, die eines Throns würdig sind. Er tut dazu je eher, je lieber, wenn er die Kinder noch versorgt sehn will.«

»Ich werd's auch, Meister«, sprach Panurg, »und nächster Tag schon; da zweifelt nicht. Während Eures gelehrten Sermons hat mich mein Floh im Ohr hier mehr als je gezwickt. Ihr seid mein Gast, und hoch soll's hergehn, und noch einmal hoch! Verlaßt Euch drauf. Bringt Euer Weib mit, wenn's Euch beliebt, auch ihre Basen und Nachbarinnen, das versteht sich. Natürlich alles mit Züchten.«


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