François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Sechstes Kapitel

Wie Pantagruel durch Vergilianische Verse Panurgens Ehestandsglück erforscht

Wie nun Panurg das Buch aufschlug, fand er auf Zeile sechzehn den Vers:

›Nec deus hunc mensa,
dea nec dignata cubili est.‹

›Diesen verwarf der Gott, am Tisch sein Gast zu sein,
Noch ließ die Göttin ihn zu ihrem Lager ein.‹

»Dieser ist nicht zu Euerm Vorteil«, sprach Pantagruel; »er zeigt an, daß Euer Weib eine Hure sein wird, und mithin Ihr ein Hahnrei. Die Göttin, die Euch nicht wohl will, ist Minerva, eine gar sehr zu fürchtende Jungfrau und allgewaltige Donnergöttin, der Hahnreie, Buhler und Ehebrecher ein Greuel sind, ebenso wie die schlüpfrigen Weiber, die ihren Männern ihr Wort nicht halten und sich an andre verschenken. Der Gott ist Jupiter, der vom Himmel donnert und blitzt.« – »Ei Potz Bauch auf Bauch!« versetzte Panurg, »würd' ich etwa gar noch Vulkan, von dem der Poet schreibt? Aber nein! Denn ich bin nicht lahm, ein Kipper und Wipper, kein Schmied, wie er. Es kann sich wohl fügen, daß mein Weiblein so schön wie seine Venus sein wird, aber kein Hur wie sie, noch ich ein Hahnrei wie er. Ließ sich das alte Hinkbein nicht in figura öffentlich durch aller Götter Mund und Urteil zum Hahnrei schlagen? Darum ist der Sinn des Orakels umgekehrt. Dies Los zeigt an, mein Weib wird treu, keusch, züchtig sein, und keineswegs geharnischt, muckisch, bockig und spröd wie Pallas. Der feine Jupiter soll mir auch nicht ins Geheg kommen, oder in meine Brüh sein Brot tunken, wenn wir etwa an einen Tisch zu sitzen kämen. Bedenkt nur seine saubern Streich und Fahrten. Das war doch schon der ärgste ... Hurenhengst, der je gelebt hat. Höll und Teufel! Hat er nicht auf einen Tag ein Drittel der Welt mit Vieh und Menschen, Berg und Flüssen zusammengerammelt? Nämlich Europa! Wenn ich ihn bei mir erwische, wißt Ihr, was ich dann tu mit ihm? Potz Blitz, was Saturn mit seinem Himmelsvater tat – kastrieren würd' ich ihn, so glatt, daß auch kein Stümplein überbleibt.« – »Sacht, sacht! mein Söhnlein«, sprach Pantagruel, »nur fein gelassen! Schlagt auf zum andernmal!« Da fand er den Vers:

›Membra quatit, gelidusque coit formidine sanguis.‹

›Die Glieder mürbe bläut und das Gebein zerstampft,
Daß alles Blut die Furcht im Leib zu Eis erkrampft.‹

»Das heißt, sie wird Euch Arm und Bein zerschlagen«, sprach Pantagruel. – »Im Gegenteil«, antwortete Panurg, »von mir gilt dies Prognostikon und heißt: Ich werd sie bläun wie ein Tiger, wenn sie mich wild macht. Dafür wird Hans Bakel schon sorgen; und tät er's nicht, der Teufel soll mich fressen, wo ich nicht sie lebendig äß, wie König Kambles in Lydien die seinige.« – »Ihr seid sehr mutig«, sprach Pantagruel. »In dieser Wut käm Herkules selber nicht aus mit Euch.« – Zum dritten traf er diesen Vers:

›Faemineo praedae et spoliorum ardebat amore.‹

›Entbrennete in weiblich wilder Wut
Zu plündern und zu rauben Hab und Gut.‹

»Das heißt, sie wird Euch bestehlen«, sprach Pantagruel; »ich seh' Euch schon ganz wohl geborgen! Nach den drei Losen werdet Ihr ein Hahnrei, ein geschlagner und ein bestohlener Ehemann sein.« – »Im Gegenteil«, versetzte Panurg, »der Vers zeigt an, daß sie mich brünstig lieben wird. Der Satirikus hat nie ein wahrer Wort geredet, als da er sprach: ›Ein Weib, die's gut meint, ein Weib, von höchster Lieb' entbrannt, findet manchmal ein Vergnügen daran, ihrem Freund etwas zu stehlen.‹ Und wißt Ihr was? Einen Handschuh, einen Nestel, daß er's dann suchen muß, ein Nichts, eine Kleinigkeit. So sind auch diese kleinen Streiche und Händel, die man zuzeiten bei Verliebten findet, nur frischer Liebreiz und Sporen; wie wir den Messerschmied zum Beispiel oft seinen Wetzstein hämmern sehn, damit er das Eisen besser schärfe. Derhalb lege ich mir die drei Lose zu allerschönsten Gunsten aus; wo nicht, so appellier' ich dawider.« – »Was appellieren!« sprach Pantagruel. »Das gilt nicht wider Schicksals Ausspruch und was durch Los entschieden ist!«


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