François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Zehntes Kapitel

Wie Pantagruel auf der Insel Cheli landete, wo Sankt Panigon König war

Der Südwest blies uns auf die hohe See, und wir ließen diese fade Vetternwirtschaft mit ihren Treff-As-Nasen und fuhren weiter. Mit sinkender Sonne ankerten wir an der Insel Cheli, einem großen, reichen, bevölkerten, fruchtbaren Eiland, wo Sankt Panigon König war. Der hatte sich, begleitet von seinen Kindern und den Prinzen des Hofs, zum Empfang Pantagruels bis an den Hafen begeben und führte ihn in seine Burg. Am Burgtor stand die Königin mit ihren Töchtern und Ehrendamen. Panigon wollte, daß sie nebst ihrer ganzen Gefolgschaft Pantagruel samt seinen Leuten küssen sollte; denn dies war des Landes höfischer Brauch; es geschah auch pünktlich, ausgenommen mit Bruder Jahn, der sich drückte und unter des Königs Gesind verlor. Panigon wollt' inständiglich Pantagruel diesen Tag und den folgenden bei sich behalten. Pantagruel aber redete sich aufs heitere Wetter und die Gunst des Windes aus, den sich der Schiffer öfter wünscht, als habhaft wird, und wann er kommt, benutzen muß, da er nicht stets und jederzeit kommt, wenn man ihn braucht. Auf diese Vorstellungen hin entließ uns Panigon, nachdem wir noch an fünfundzwanzig- bis dreißigmal uns die Kehlen genetzet hatten.

Wie nun Pantagruel im Hafen den Bruder Jahn nicht sah, frug er, wo er wär, und warum er nicht mit den andern käm. Panurg wußte nicht, womit er ihn entschuldigen sollte, und wollte ins Schloß zurück, um ihn zu holen, als Bruder Jahn ganz wohlgemut gesprungen kam und voller Freuden »Juchhe!« rief, »Vivat hoch! Es lebe der edle König Panigon! Potz Sackerdamm, der hält auf Küche! Ich komm' draus her, da wird nicht gespart! Ich dachte, ich wollt' mir da einmal meinen werten Bauch recht pfäffisch polstern.« – »Ei, ei, mein Freund! Stets in der Küche«, ermahnte ihn Pantagruel. – »Potz Hahn und Henne!« antwortete Jahn, »da versteh ich mehr davon, als so mit diesen Weibsen zu scharmieren, Lirum Larum Löffelstiel, und hätschel tätschel und Reverenz und Scherliwenz, ich küß Eur Gnaden, ich küß Eur Majestät die Hand, geruhen Majestät! Ei papperlapapp! Hui, ich sag' drum nicht, daß ich nicht auch mal nach meiner bäurischen Manier ein Maul voll mitnähm, wenn sich's gerade schickt; allein der Kratzfuß-Schnickschnack ärgert mich mehr als ein saurer Schluck!

Ja zum Teufel, warum verfügen wir unsre Gefühle nicht lieber zur edeln Gottesküche und betrachten allda den Schwung der Bratspieße, die Harmonie der Bratenwender, das Wunder der Spicknadel, die Temperatur der Tunken, Rüstung zum Nachtisch und Ordnung des ganzen, herrlichen Küchenkultus? Selig sind, die unterwegs sich nicht beflecken. Dies sind mein Seel die wahren Gebetsprüchlein!«


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