François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtzehntes Kapitel

Wie Epistemon geschickt von Panurgen kuriert ward nebst Nachricht von den Verdammten und Teufeln

Nach errungenem Sieg zog sich Pantagruel an den Ort, wo die Flaschenbatterie stand, zurück und rief Panurg und die übrigen, die sich auch sämtlich frisch und gesund einfanden, bis auf Eusthenes, dem einer der Riesen ein wenig das Gesicht zerkratzt hatte, und Epistemon, der vermißt wurde. Darüber war Pantagruel untröstlich, weinend suchte er mit den andern das Schlachtfeld ab und als sie ihn stocksteif dort liegen fanden, seinen Kopf ganz blutig zwischen den Armen haltend, wollte Pantagruel sich schier entleiben. – Panurg aber sprach: »Nur ruhig, Kinder! Weinet nicht. Er ist noch ganz warm, ich mach' ihn euch wieder so heil wie zuvor.« Damit nahm er den Kopf und hielt ihn dicht gegen seinen Hosenlatz, damit er sich nicht in der Luft verkühlte.

Darauf wusch er den Hals rein ab mit gutem weißem Wein und dann den Kopf desgleichen, bestrich beides dann, ich weiß selbst nicht mehr mit was für einer Salbe, fügte beides genau aufeinander, Ader auf Ader, Nerv auf Nerven, Wirbel auf Wirbel, daß er nicht etwa ein Kopfhänger würde, nähte ihm alles darauf noch rings mit fünfzehn bis sechzehn Nadelstichen fest und legte ein wenig Pflaster drum, das er sein Auferstehungspflaster nannte.

Alsbald fing Epistemon an zu atmen, dann schlug er die Augen auf, dann gähnt er, dann niest er, und endlich ließ er einen gewaltigen Hausmannsfurz. »Jetzt«, sprach Panurg, »ist er gewißlich hergestellt!« und gab ihm ein Glas weißen, herben Bauernkrätzer zu trinken und ein geröstetes Zuckerbrot. So wurde Epistemon geschickt kuriert; nur blieb er noch über drei Wochen lang heiser und behielt einen trockenen Husten, den er nur mit Trinken bekämpfen konnte. Sobald er wieder sprechen konnte, erzählt' er von seinem kurzen Aufenthalt in der Hölle und gab den Teufeln vor allen Leuten das Zeugnis, es wären gute Gesellen. Was die Verdammten anbetraf, meinte er, so wär' es ihm fast leid gewesen, daß ihn Panurg so bald auferweckt hätt'. »Denn«, sprach er, »die zu betrachten ist ein besonderes Vergnügen.« – »Wieso denn?« frug Pantagruel. – »Man hält sie«, antwortete Epistemon, »gar nicht so schlimm, als Ihr wohl glaubt, aber ihr Stand ist aufs seltsamste verändert. So sah ich Alexander den Großen, der flickte alte Hosen und verdient' damit sein elend Brot. Xerxes schrie Senf aus. Romulus war Salzsieder. Cyrus Kuhhirt. Themistokles Glaser. Brutus und Cassius Feldmesser. Achilles aussätzig. Agamemnon Tellerlecker. Nestor Schnapphahn. Darius Abtrittausleerer. Hasdrubal war Laternenputzer. Priamus handelt' mit alten Fähnlein.

Sämtliche Ritter der Tafelrunde waren armselige Tagelöhner, schwitzten am Ruder und fuhren über, wenn sich die Herren Teufel einmal ein Wasservergnügen machen wollen, just wie die Fährleut in Lyon und die Gondoliere zu Venedig.

Auch die zwölf Pairs von Frankreich sind da, hab' aber nicht gesehen, daß sie was täten. Ihr ganz Gewerb, von dem sie leben, ist, daß sie sich Backenstreiche, Fußtritte und schwere Faustpüffe gutwillig in die Zähn lassen geben.

Nero war Leiermann und der Riese Fierabras sein Famulus, aber der behandelte ihn wie einen Hund, gab ihm schwarzes Brot zu essen und sauern Wein zu trinken. Er selber aber aß und trank vom Besten.

Julius Cäsar und Pompejus waren Schiffspechner. Papst Julius schrie Pastetlein aus. Papst Bonifazius der Achte war Topfabschäumer. Papst Alexander war Kammerjäger und Papst Sixtus schmierte die Venerischen ein.«

»Wie?« früg Pantagruel, »hat's auch dort unten venerische Leut?« – »Ei wohl«, antwortet' Epistemon, »ich hab' ihrer nirgend so viel gesehen. Denn glaubt nur, wer in dieser Welt das fränkische Übel nicht gehabt hat, kriegt's in der andern.« – »Wetter!« fiel ihm Panurg ins Wort, »dann brauch' ich mich im Jenseits nicht zu fürchten.«

Epistemon fuhr fort: »Die vier Haymonskinder sind Zahnbrecher. Melusine Spülmädel. Kleopatra Zwiebelhökerin. Helena Magdverdingerin. Semiramis Bettlerlauserin. Dido ging mit Pilzen hausieren. Lucretia Spittelmeisterin.

Aber die Philosophen und die andern, die auf Erden Hunger gelitten haben, waren dort wiederum große Herren. Ich sah den Diogenes prächtig im weiten Purpurmantel, mit einem Zepter in seiner Rechten, wie einen Prälaten einherstolzieren; Alexander der Große mußte Blut schwitzen, wenn er ihm seine Hosen nicht aufs beste geflickt hatt'. Epiktet sah ich in einer schönen Laube galant à la Française geputzt, mit einem Haufen schmucker Dirnlein sich tummeln, zechen, tanzen und schmausen; sein Wahlspruch stand oben über dem Rebengitter in diesen Reimen:

›Springen, Tanzen, Saus und Braus
Beim roten und beim weißen Wein,
Und gespielt Jahr ein, Jahr aus
Mit blanken Sonnentälerlein.‹

Wie er mich sah, lud er mich höflich ein, mit ihm zu trinken, was ich gern annahm. Mittlerweil kam Cyrus und bat ihn um einen Heller, weil er sich zum Abendbrot ein paar Zwiebeln kaufen wollt. ›Nix, nix da‹, sprach Epiktet, ›ich spiel's nicht mit Hellern; da ist ein Taler, Schelm, sei ehrlich!‹ Cyrus war heilfroh, daß er diesmal einen so guten Fang getan hatt', aber das andre Diebsgelichter von Königen da drunten, Darius, Alexander etcetera, mausten's ihm wieder über Nacht.«

»Schön, schön«, unterbrach ihn Pantagruel, »spar deine schönen Geschichten auf ein andermal und erzähl uns nur noch, wie man die Wucherer dort unten hält!« – »Ich sah sie«, antwortete Epistemon, »eifrig bemüht, aus den Straßengossen die rostigen Nadeln und alten Nägel herauszulesen. Aber der Zentner von diesem Krimskrams gilt nicht mehr als eine Brotrinde, und dazu haben diese armen Tröpfe zuweilen über drei Wochen lang weder zu brocken noch zu beißen. Sie arbeiten aber doch Tag und Nacht in der Hoffnung auf den nächsten Markt und sind so verwünscht erpicht drauf, daß sie der Plag und Arbeit gar nicht denken, wenn sie am End des Jahres nur einen lumpigen Heller damit verdienen.«

»Auf!« sprach Pantagruel, »laßt uns nun einen guten Bissen essen, und trinkt eins, Kinder, ich bitt' euch, diesen Monat schmeckt's noch einmal so gut!« – Da hoben sie ein fröhliches Zechen an und vergaßen auch das Essen nicht darüber. Nur der arme König Anarchos konnt' dabei nicht fröhlich sein. Da frug Panurg: »Was für ein Handwerk wolln wir unsern Herrn König da lehren, damit, wenn er zu seiner Zeit dort unten zu allen Teufeln kommt, er schon in einer Kunst erfahren ist?« – »Fürwahr, das hast du wohl erwogen«, versetzte Pantagruel, »tu du mit ihm nach deinem Wohlgefallen; ich schenk ihn dir.« – »Ei, Herr!« sprach Panurg, »die Gabe ist nicht zu verachten, ich nehm's mit schönstem Dank von Euch an.«


 << zurück weiter >>