François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreiunddreissigates Kapitel

Wie kleine Regen große Winde stillen

Pantagruel lobte ihre Wirtschaft und Art zu leben; darauf sprach er zu ihrem Landvogt Windig: »Wenn Ihr der Meinung Epikurs seid, welcher als höchstes Gut die Luft pries, muß ich Euch glücklich nennen; denn da Euer Leben aus Wind besteht, so kostet's Euch nichts, oder doch wenig. Ihr dürft nur blasen.« – »Wohl wahr«, versetzte der Landvogt, »nur daß leider in diesem irdischen Leben kein Glück vollkommen ist! Oft, wenn wir uns eben über Tisch an einem guten scharfen Wind Gottes, recht wie an einem himmlischen Manna, froh wie Prälaten erlustigen, flugs kommt ein kleiner winziger Regen und stiehlt ihn uns vorm Maule weg und legt ihn lahm. So kommen wir um manchen Schmaus, aus Mangel an Futter.« – »Das ist ja«, sprach Panurg, »wie Hänsel von Quinquenais, der seiner Gret auf den Hintern brunzte und dergestalt den müffigen Wind legte, der daraus hervorquoll. Jüngst macht' ich den artigen Vers darauf:

Der Hans probiert den Federweißen
Und hat die Gretel schon geheißen,
Daß sie das Essen fertig hätt',
Denn heut geht's möglichst früh ins Bett.

Man ißt, man trinkt, man springt ins Nest,
Der Hans ist rasch noch lieb gewest,
Jetzt streckt er sich ... Gottsakrament,
Wenn er doch bloß jetzt schlafen könnt'.

Aus Gretel, pünktlich nach der Uhr,
Ein Fürzlein um das andere fuhr.
Der Hans nicht faul, brunzt ihr nach hinten
Und spricht: ›Auch bei den größten Winden
Hilft allemal ein kleiner Regen,
Damit sie sich auf einmal legen.‹«

»Dazu«, sprach der Landvogt, »haben wir auch noch jährlich eine große und schwere Landplage auszustehn. Ein Riese mit Namen Schnautzhahn nämlich, der auf der Insel Tohu wohnt, kommt alle Jahre im ersten Frühling auf den Rat seiner Ärzte hierher, um sich auszukurieren, und dann schlingt er uns eine große Zahl Windmühlen hinunter wie Pillen; darauf ist er sehr erpicht. Uns aber macht das großen Schaden und beschert uns jährlich drei bis vier Fasttage, der besondern Buß- und Bettage nicht zu gedenken.«

»Könnt Ihr aber«, frug Pantagruel, »dem nicht steuern?« – »Auf den Rat unsrer Herrn Ärzte«, antwortete ihm der Landvogt, »tun wir um die Jahreszeit, wo er gewöhnlich zu uns kommt, eine ganze Menge Hähne und Hühner in die Mühlen. Das erstemal, nachdem er sie verschlungen hatte, wär er bei einem Haar daran gestorben; denn sie krähten ihm im Leib und flogen ihm im Magen umher, daß er in Ohnmacht, Herzschwäche und schauderhaft gefährliche Verzückungen fiel; nicht anders, als wenn ihm eine Schlange durchs Maul in den Magen gefahren wäre.« – »Dies Gleichnis«, sprach Bruder Jahn, »paßt nicht; denn ich hab' vorlängst gehört, daß eine Schlange im Magen niemandem Leids tue und gleich wieder ausfahre, wenn man den Kranken bei den Beinen nimmt und ihm ein Pfännlein warmer Milch vor den Mund hält.« – »So habt Ihr's«, sprach Pantagruel, »wohl sagen hören, und die gleichfalls, die's Euch erzählten; aber niemals hat man die Kur mit Augen gesehen oder gelesen.«

»Ferner«, fuhr der Landvogt fort, »rannten auch alle Füchse des Landes den Hühnern nach, ihm in den Hals; und er wäre des Todes gewesen, wenn er nicht den Rat eines schnurrigen Zaubrers befolgt hätte und als Gegengift, just in der Stunde des Paroxysmus, einen Fuchs geschunden hätte. Seitdem hat man's noch schlauer probiert und gibt ihm jetzt ein Klistier dagegen aus Roggen- und Hirsekörnern für die Hühner, und von Gänslebern für die Füchse. Auch läßt man ihn Pillen einnehmen von Dachs- und Windhundsfleisch. Ist das nicht Kreuz genug für uns?« – »Seid nur ohn Furcht, ihr lieben Leut, hierfür«, sprach Pantagruel. »Denn dieser große Windmühlenfresser Schnautzhahn ist tot, ich kann's bezeugen; und zwar erstickte er an einem frischen Butterwecken, den er auf Vorschrift seiner Ärzte an einem heißen Ofenloch aß.«


 << zurück weiter >>