François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Einundvierzigstes Kapitel

Wie man durch die Kraft der Dekretalien das Gold aus Frankreich geschickt nach Rom zieht

»Ein Schöppel vom Besten«, sprach Epistemon, »wollt' ich gleich aus meiner Tasche bar bezahlen, wenn ich wüßte, daß die Dekretalienstellen stimmen, durch die man uns aus Frankreich jedes Jahr 400 000 Dukaten und drüber nach Rom zieht. Ist dies vielleicht nichts?« – »Mir scheint es«, sprach Schlottig, »immer noch wenig in Anbetracht dessen, daß das allerchristlichste Frankreich die einzige Säugamme des Römischen Hofs ist. Aber zeigt mir doch einmal auf Erden das Buch in Philosophie, in Medizin, Juristerei, Mathematik, ja, du mein Gott! (Du meiniger!) selbst in der Heiligen Schrift – das Buch, das so viel einbringt! Ihr findet keins, da bin ich gut für.

Noch wollen freilich die Teufelsketzer hievon nix wissen noch hören. Ei, so brennt, zwickt, zwackt, sägt, henkt, pfählt, schneidet, metzelt, weidet aus, kappt, röstet, frikassiert, kocht, würfelt, kreuzigt, vierteilt, rädert, ledert, karbonädelt dies Ketzerpack, diese Dekretalienverächter, diese schlimmsten aller Verbrecher! Und ihr, ihr andern braven Leute, wenn ihr für wahre Christen gelten und vor der Welt geehrt sein wollt, fleh ich euch mit gefalteten Händen: Glaubt, denkt, sagt, tut, beginnt nichts, außer was unsre heiligen Dekretalien lehren. O der gottbeseligenden Bücher! Dann werdet ihr zu Ruhm, Ehre, Hoheit, Würden, Herrlichkeit und Reichtum kommen in dieser Welt, von allen Respekt und Ehrfurcht genießen, Vorzug vor allen, über alle auserwählt und erkoren sein.

Was aber hat – o fragt euch selbst! – wohl diese artigen Klösterlein, mit denen ihr, gleichwie den Himmel in hellen Sternen, die Christenheit allerorten so herrlich funkeln, siegprangen und stolzieren seht, was hat sie errichtet, sichergestellt und privilegiert? Die göttlichen Dekretalien. Was hat fundiert, gesteift, untermauert, was unterhält, nutriert und ätzet in Klöstern, Stiften und Abteien die frommen Väter, ohne deren unermüdliches Gebet bei Tag und Nacht die Welt notwendig in ihr altes Chaos zurückfallen müßte? Die heiligen Dekretalien! Was macht und mehret täglich im Überschwang aller zeitlich-leiblichen wie geistlichen Güter das hochgelobte, glorreiche Patrimonium Petri? Die ewigen Dekretalien! Was macht den Heilgen Apostolischen Stuhl zu Rom vom Anbeginn bis heut so furchtbar durch die ganze Welt, daß alle Könige, Kaiser, Fürsten, hochmögende Potentaten und Herrn, friß oder stirb, von ihm abhängen, ihm dienstbar sind, von ihm gekrönt, gesalbt, autorisiert werden, ja kuschen und sich beugen müssen vor dem allmächtigen Pantoffel, dessen Bildnis ihr gesehen habt? Die edeln Himmelsdekretalien.«

Damit hub Schlottig an zu grölen, furzen, lachen, sprudeln und schwitzen und gab sein großes schmieriges Pfaffenhütlein einer der Jungfern, die es mit großem Jubilo auf ihr artiges Köpflein setzte, nachdem sie's sehr verliebt geküßt hatte, als sichres Zeichen und Unterpfand, daß sie als erste einen Mann kriegen würde. – »Schenk! Schenk!« rief Schlottig, »Wein! Das Obst, ihr Maidlein!«

Dabei vergoß er dicke, heiße Tränen, schlug sich die Brust und machte das Kreuz.


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