François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Sechstes Kapitel

Wie Pantagruel den Panurg traf, den er sein ganzes Leben lang liebhatte, und wie dieser seine Flucht aus der Gefangenschaft der Türken erzählt

Als eines Tags Pantagruel mit seinen Leuten vor der Stadt, nach der Abtei Sankt Anton zu, spazierenging, traf er euch einen Menschen an, von schöner Statur und wohl formiert in allen Leibesproportionen, aber an mehreren Stellen elend zerlumpt und so übel zugericht, daß er den Hunden entlaufen schien, oder einem Kesselflicker ähnlich sah. Sobald Pantagruel ihn von weitem erblickte, sprach er zu seinen Gefährten: »Seht ihr den Menschen, der dort von der Charentonbrücke auf uns zukommt? Er ist, bei meiner Treu, nicht arm als durch Unglück; denn ich sage euch, seiner Physiognomie nach zu schließen, hat die Natur ihn aus einem reichen und adligen Geschlecht erzeugt. Aber die Schicksale der Wißbegierigen haben ihn so in Dürftigkeit und Mangel gebracht.« – Und wie er nun bis mitten unter sie gekommen war, rief er ihn an: »Mein Freund, ich bitt' Euch, wollet allhie ein wenig verziehen und mir auf meine Fragen Bescheid tun; es soll Euch auch fürwahr nicht reuen, denn ich hab' große Neigung, Euch beizustehen in Eurer Not, darin ich Euch seh. Ihr jammert mich sehr. Darum, mein Freund, sagt mir: wer seid Ihr? von wannen kommt Ihr? wohin geht Ihr? was sucht Ihr? und wie heißet Ihr?« – Der Gesell antwortet' ihm hierauf in germanischer Sprache: »Junker, Gott geb Euch Glück und Heil zuvor. Lieber Junker, ich laß Euch wissen, das, da Ihr mich von fragt, ist ein arm und erbärmlich Ding, und wer viel darvon zu sagen, welches Euch verdrüslich zu hören und mir zu erzelen wer, wiewol die Poeten und Orators vorzeiten haben gesagt in iren Sprüchen und Sententzen, daß die Gedechtnus des Ellends und Armuot vorlangst erlitten ist ain grosser Lust.«Wörtlich nach Original. – Da sprach Pantagruel: »Mein Freund, ich versteh dieses Kauderwelsch nicht; drum redet eine andre Sprache, wenn Ihr wollt, daß man Euch verstehe.« – Und der Gesell antwortet' ihm: »Albarildim gotfano dechmin brin alabo dordio falbroth ringuam albaras. Nin portzadikin almucatin milko prin alelmin en thoth dalheben ensouim: kuthim al dum alkatim nim broth dechoth porth min michais im endoth, pruch dalmaisoulum hol moth danfrihim lupaldas im voldemoth. Nin hur diavosth mnarbotim dalgousch palfrapin duch im scoth pruch galeth dal Chinon, min foulchrich al conin butathen doth dal prin.«Ein von Rabelais erfundenes Kauderwelsch.

»Versteht ihr was?« frug Pantagruel die Versammelten. – »Ich glaub«, antwortete Epistemon, »das ist die Sprache der Antipoden; der Teufel selber kapiert da nix davon.« – Drauf sagte Pantagruel: »Gevatter, ich weiß nicht, ob Euch etwa die Mauern verstehen, doch von uns hier versteht kein Mensch ein Wort.« – Da sprach der Gesell: »Signor mio, voi vedete per essempio che la cornamusa non suona mai, s'ella non ha il ventre pieno: corsi io parimente non vi saprei contare le mie fortune, se prima il tribulato ventre non ha la solita refectione. At quale è adviso che le mani e li denti habbiano perso il loro ordine naturale e del tutto annichillati.«Italienisch: »Mein Herr, Ihr seht an meinem Beispiel, daß der Dudelsack nicht aufspielt, wenn er nicht den Bauch voll hat. So kann ich Euch auch meine Schicksale nicht erzählen, wenn der kasteite Leib nicht zuvor seine gewohnte Erfrischung erhält.« – »Es ist all eins; eins wie das andre«, antwortete Epistemon. – Da sprach Panurg: »Lord, if you be so vertuous of intelligence, as you be naturally releaved to the body, you should have pity of me: for nature hath made us equal, but fortune hath some exalted, and others deprived; nevertheless is vertue often deprived, and the vertuous men despised: for before the last end none is good.«Englisch: »Herr, wenn Ihr an Einsicht so mächtig seid, als von Natur erheblichen Leibes, so solltet Ihr Mitleid mit mir haben, denn die Natur hat uns gleich erschaffen, doch das Glück hat einige erhöht und andere erniedrigt; dessenungeachtet wird die Tugend oft erniedrigt und der Tugendhafte verachtet, denn vor dem letzten Ende ist niemand gut.« – »Noch weniger«, antwortete Pantagruel. – So sprach Panurg: »Jona andie guaussa goussy etan beharda er remedio beharde versela ysser landa. Anbat es otoy y es nausu ey nessassust gourray proposian ordine den. Nonyssena bayta facheria egabe gen herassy badia sadussu noura assia. Aran hondavan gualde cydassu naydassuna. Estou oussyc eg vinan sory hien er darstura eguy harm. Genicoa plasar vadu.«Ziemlich korrumpiertes Baskisch: »Mein Herr, alle großen Unglücksfälle bedürfen der Abhilfe: man muß sich gegenseitig beistehen. Laßt mich, wenn es Euch beliebt, Euch meine Anliegen vortragen, die von der Art sind, daß sie keinen Namen haben; es gibt Leute, die leicht in Zorn geraten, habt Mitleid mit meiner Unruhe; gebt mir, was Ihr wollt. Ich werde, so Gott will, nicht vergessen, für das erkenntlich zu sein, was Ihr und Eure Leute an mir tun werdet.« – »Habt ihr's jetzt weg?« antwortete Eudämon, »gelt, Genicoa?«

»Ich will Hans heißen«, rief Karpalim, »wenn ich's nicht bald verstanden hätt'!« – Panurg antwortet': »Prust frest frinst sorgdmand strochdt drnds pag brlelang Gravot Chavigny Pomardiere rusth pkaldracg Deviniere bey Nays. Hod kalmudi monadi drupp del meupplist rincq drlnd dodelb up drent Loch minc stz ring jald die Win ders Franzkan bur jocst plckholzen.«Erfundenes Kauderwelsch für eine slawische Sprache. – Darauf sagte Epistemon: »Redest du christlich, Freund, oder Patelinisch? Nein, es ist die Laternensprache.«

Panurg fuhr fort: »Heere, ik en spreeke anders geen täle dan kersten däle; my dünkt noghtans, al en seg ik u niet een woordt, mynen noot verklärt genögh wat ik begeere: geeft my uyt bermhertigheyt yets waar van ik gevont magh zyn.«Holländisch: »Herr, ich rede keine andere Sprache, als die christliche; mich dünkt, auch wenn ich kein Wort sagte, daß meine Art genügsam erklärt, was ich begehre. Gebt mir aus Barmherzigkeit etwas zu essen.« – »Desgleichen«, sprach Pantagruel. – Panurg versetzt': »Señor, de tanto hablar yo soy cansado, porque sublico a vuestra reverentia que mire a los preceptos evangelicos, para que ellos movan vuestra reverentia a lo que es de conscientia, y sie ellos non bastaren, para mover vuestra reverentia a piedad, yo suplico que mire al a piedad natural, la qual yo creo que le movera como es de razon: y con esso non digo mas.«Spanisch: »Herr, von so viel Reden bin ich müde, daher flehe ich Eure Würden an, auf die evangelischen Gebote zu achten, damit sie Eure Würden zu tun veranlassen, was das Gewissen gebietet. Und sollten sie nicht genügen, Eure Würden zum Mitleid zu bewegen, so bitte ich, folgt dem natürlichen Mitleid, das Euch leiten wird, wie es soll; mehr sage ich nicht.« – Darauf antwortete Pantagruel: »Ei Freund, ich zweifele keineswegs, daß Ihr nicht mehrere Sprachen reden könnt, aber sagt uns, was Ihr wollt, in einer, die wir verstehen können.« – Da sprach der Gesell: »Min Herre, endog ieg med ingen tunge talede, ligesom börn, oc uskellige creature. Mine klädebon oc mit legoms magerhed uduiser alligeuel klarlig huad ting mig best behof gioris, som er sandelig mad oc dricke. Huorfor forbarme dig ofuer mig, oc befal at giue mig noguet, af huilcket ieg kand styre min giöendis mage, ligeruiis som mand Cerbero en suppe forsetter. Saa skalt du lefue länge oc lycksalig.«Dänisch: »Mein Herr, und wenn ich die Sprache der Kinder und unvernünftigen Kreaturen redete, so müßten meine Kleider und meines Leibes Magerkeit Euch deutlich sagen, wessen ich dringend bedarf, nämlich Essens und Trinkens. Deshalb habe Erbarmen mit mir und befiehl, daß man mir etwas gebe, bis ich meinen lallenden Magen beruhigen kann, so wie man dem Cerberus eine Suppe vorsetzt. So wirst du lang und glückselig leben.« – »Ich glaub«, sprach Eusthenes, »so haben die Goten geredet und, gefiel' es Gott, würden wir so mit dem Arsche reden.«

Itzt sprach der Gesell: »Adon, scalôm lecha: im ischar harob hal hebdeca bimeherah thithen li kikar lehem; chanchat ub laah al Adonai cho nen ral.«Hebräisch: »Mein Herr, ich grüße Euch: Wenn es Euch gefällt, Euern Diener zu verpflichten, werdet Ihr mir schleunig ein Stück Brot geben, wie geschrieben stehet: Wer sich des Armen erbarmet, der reichet dem Herrn.«

Darauf antwortet Epistemon: »Jetzt hab ich's verstanden, es war Hebräisch und gut rhetorisch ausgedrückt.«

Der Gesell sprach weiter: »Despota tinyn panagathe, diati sy mi ouk artodotis? horas gar limo analiscomenon eme athlion, ke en to metary me ouk eleis oudamos, zetis de par emou ha ou chre. Ke homos philologi pantes homologousi tote logous te ke remata peritta hyparchin, hopote pragma afto pasi delon esti. Entha gar anankeï monon logi isin, hina pragmata (hon peri amphisbetonmen), me prosphoros epiphenete.«Griechisch: »Wohlan, gütigster Herr, warum gibst du mir kein Brot? Du siehst mich Armen vor Hunger vergehen, und doch hast du inzwischen kein Mitleid mit mir, sondern fragst mich nach unnötigen Dingen. Denn noch stimmen alle Gelehrten darin überein, daß Reden und Worte überflüssig sind, wo die Sache von selbst allein klar ist. Denn Worte sind allein nur dann nötig, wenn die Dinge, über die man streitet, nicht ohne weiteres klar sind.« – »Was? was?« sprach Karpalim, Pantagruels Leiblakai, »dies ist ja Griechisch: ich hab's verstanden. Ei wie denn? hast du in Griechenland hausiert?«

Und der Gesell sprach: »Agonou dont oussys vous denagnez algarou: nou den farou zamist vou mariston ulbrou, fousques voubrol tam bredaguez moupreton den goulhoust, daguez daguez nou cropys fost pardonnoflist nougrou. Agou paston tol nalprissys hourtou lod ecbatonous, prou dhouquys brol pany gou den bascrou noudous caguos goulfren goul oustaroppassou.«Wieder Kauderwelsch.

»Dies mein ich zu verstehen«, sprach Pantagruel; »denn es ist entweder meine Utopische Landessprach, oder kommt ihr doch dem Schall nach ziemlich nah.« – Und wie er nun eben ein Gespräch anfangen wollte, sprach der Gesell: »Jam toties vos per sacra perque deos deasque omnes obtestatus sum, ut si qua vos pietas permovet, egastatem meam solaremini, nec hilum proficio clamans et ejulans. Sinite, quaeso, sinite, viri impii, quo me fata vocant abire, nec ultra vanis vestris interpellationibus obtundatis, memores veteris illius adagii, quo venter famelicus auriculis carere dicitur.«Lateinisch: »Schon so oft habe ich Euch bei allem, was heilig ist, bei allen Göttern und Göttinnen beschworen, mir, wenn einiges Mitleid Euch noch rühren kann, in meiner Armut beizustehen, aber nichts hilft mir mein Klagen und Jammern. Laßt mich, ich bitt' Euch, laßt mich, Ihr Hartherzigen, gehen, wohin mich mein Schicksal führt, und betäubt mich nicht länger mit Euren eiteln Zumutungen, des alten Sprichworts eingedenk, daß ein hungriger Magen keine Ohren hat.«

»Aber, mein Freund«, sprach Pantagruel, »könnt Ihr denn nicht Französisch reden?« – »Ei freilich, Herr«, antwortete der Gesell, »ist Gott sei Dank meine leibliche Sprache, meine Muttersprache, denn ich bin im Garten von Frankreich, in Touraine, geboren und groß erzogen.« – »Nun dann, so sagt uns,« sprach Pantagruel, »Euern Namen und wo Ihr herkommt; denn meiner Treu, ich hab Euch schon so sehr ins Herz geschlossen, daß, wenn Ihr mir willfährig sein wollt, Ihr mir nicht von der Seiten kommen sollt, und Ihr und wir wollen ein neues Freundespaar werden, wie Äneas und Achates.«

»Gestrenger Herr«, spricht der Gesell, »mein eigentlicher und wahrer Taufnam ist Panurg, und ich komm eben aus der Türkei, wohin ich in Gefangenschaft gebracht wurde; ich wollt' Euch gern meine Fata erzählen, die wunderlicher als die Fahrten des Ulysses gewesen sind; weil es Euch aber einmal beliebt, mich bei Euch zu behalten, und ich das Erbieten gern ergreif', mit der Beteuerung, nimmer von Euch zu lassen, und wenn Ihr zu allen Teufeln ginget – so werden wir wohl ein andermal bei guter Weil und gelegenerer Zeit davon reden können. Denn für jetzt hab' ich fast dringende Essenslust, leeren Magen, scharfe Zähne, verdürrte Gurgel, brüllenden Hunger; alles ist darauf eingerichtet. Wenn Ihr mir Arbeit geben wollt, wird es ein Fest sein, mich mumpfen zu sehen. Oh, um Gottes willen, bestellt es!« – Da befahl Pantagruel, daß man ihn in sein Quartier brächt' und ihm tüchtig zu essen auftrüg; wie es auch geschah. Er aß zu Abend meisterlich, ging mit den Hühnern zu Bett und schlief bis andern Tags zur Tischstund, da er dann wieder mit drei Schritten und einem Sprung vom Bett am Tisch war. Da trank nun der arme Panurg heldenmäßig, denn er war hohl wie ein ausgenommener Rauchhering. Und wie er so in der Hälfte eines mächtigen Humpens voll Rotwein nach Luft schnappt', da ermahnt' ihn einer und sprach: »Gevatter, nur sacht! Ihr ziehet ja wie ein Besessener.« – »Zum Henker auch!« antwortet' Panurg, »ich bin keiner von euren kleinen Pariser Schluckern, die nicht mehr nippen als ein Fink und denen man erst die Schwänz muß streichen, wenn sie die Schnäbel nur netzen sollen, wie den Spatzen. Heißa Kam'rad, wenn ich so tapfer steigen könnt', als ich zu Tal laß, ich wär längst überm Mondenhimmel. Aber zum Teufel, ich weiß nicht, was dies heißen soll; es ist ein sehr guter und köstlicher Wein, aber je mehr ich davon trink, je mehr durstet's mich. Ich glaub, der Schatten des gnädigen Herrn Pantagruel macht durstige Leut, wie der Mond den Husten und Schnupfen.« – Darüber mußten alle lachen, die es hörten.

Als Pantagruel dies sah, sprach er: »Nun, Panurg, was gibt's? was lacht Ihr?« – »Gnädigster Herr«, antwortet' er, »ich erzählt' ihnen eben, wie diese armen Teufelstürken so elend dran sind, daß sie auch nicht ein Tröpflein Wein zu saufen kriegen. Wenn in des Mahomets Koran auch sonst nichts Unrechts weiter stünd', ich möcht' seinen Glauben schon darum nicht.« – »Nun aber«, sprach Pantagruel, erzählt mir, wie Ihr ihnen entkamet.« – »So helf mir Gott, gestrenger Herr«, versetzt' Panurg, »wenn ich Euch auch nur ein Wörtiein dran lüge.

Die Türkenlümmel hatten mich an den Bratspieß gesteckt, wie ein Karnickel um und um gespickt, dieweil ich so hundsdürr war, daß ohnedies mein Fleisch zäh und nicht zu essen gewesen wäre, und brieten mich solchergestalt lebendig. Derweil ich nun also gebraten ward, befahl ich mich der göttlichen Gnade, denn ich gedacht' des guten Sankt Laurentius und hoffte beständig zu Gott, daß er mich dieser Pein überheben würde, wie bald darauf auch wunderbarerweis' geschah. Denn während ich vom Grund der Seelen mich Gott befahl und rief: ›Mein Herr Gott, erlöse mich aus diesen Martern, die mir hier diese Höllenhund um deines Glaubens Befolgung antun‹ – siehe! da entschlief der Brater nach Gottes Ratschluß. Wie ich nun merk', daß er nicht mehr am Spieße drehte, schau ich ihn an und seh, er schläft. Da nehm' ich einen Feuerbrand am andern End, wo er nicht glühet, zwischen die Zähn und werf ihn meinem Bratenwender in den Schoß, und einen andern, so gut ich's treffen mocht', unter ein Feldbett, das beim Kamin stund, darauf der Strohsack meines Herrn Braters lag. Urplötzlich schlägt das Feuer zum Stroh, vom Stroh ins Bett, vom Bett ins Dach, das mit Tannenbalken verschlagen war. Das Lustigste war aber, daß das Feuer, so ich dem Strauchdieb von Bratenwender erst in den Schoß geworfen hatt, ihm schier sein ganzes Bauchhaar verbrannte; aber der Stinkhals roch's nicht eher, als bis er auch die Feuersbrunst merkte, wie ein verdutzter Bock aufsprang und was er konnt': ›Dal Baroth! dal Baroth!‹ aus dem Fenster schrie, was ›Feuer! Feuer!‹ bedeutet. Dann stürzt er geraden Weges auf mich los, denn er wollt' mich vollends ins Feuer werfen; schon hatt' er die Strick zerhauen, damit mir die Händ gebunden waren, und schnitt mir an den Beinen herum. Jetzt aber kam der Herr des Hauses auf das Feuergeschrei und den Rauch von der Gassen, wo er eben mit etlichen andern Paschas und Muftis spazierenging, so eilig er konnt' zu Hilf und Rettung seiner Sachen herbeigelaufen.

Und wie er kommt im vollen Schuß, packt er den Spieß, daran ich stak, und sticht meinen Brater mitten durch. Ich nun, wiewohl ich, als er mir den Spieß aus dem Leib zog, zwischen die Feuerböcke zur Erden fiel, nahm doch weiter nicht sonderlichen Schaden davon, denn der Spickspeck hielt die Gewalt des Stoßes auf. Mein Pascha aber, als er sein Haus verbrannt und sein Hab und Gut unwiederbringlich verloren sah, wollt sich mit meinem Bratspieß den Garaus machen und 's Herz durchstoßen: setzt' ihn sich auch an die Brust an, aber er kam nicht durch damit, weil er zu stumpf war; er stieß, so derb er konnt', drauf zu, bracht's aber doch nicht fertig. Da trat ich vor ihn hin und sprach zu ihm: ›Herr Schelm, du verlierst nur deine Zeit damit; denn auf die Art wirst du dich niemals ums Leben bringen; willst du aber, so stech' ich dich hier ganz ordentlich ab, daß du davon gar nicht einmal was spüren sollst; du kannst mir's glauben, denn ich hab' wohl schon andre erstochen, denen es wohl bekommen ist.‹ – ›Ha‹, sprach er, ›Freund, ich bitt' dich drum, und so du's tun willst, schenk ich dir auch meinen Säckel; da nimm ihn, es sind sechshundert Seraphinen und etliche feine Diamanten und Rubinen drin.‹« – »Wo sind die jetzt hingekommen?« frug Epistemon. – »Beim heiligen Jahn«, antwortet' Panurg, »schon ziemlich weit, wenn sie in dem Tempo wie ich von mir fortmarschieren.« – »Nu mach ein End, ich bitt dich«, sprach Pantagruel, »daß wir endlich erfahren, wie du den Pascha abgetan hast.« – »Auf Ehrenwort«, antwortet' Panurg, »ich lüg' kein Wörtlein. Ich band ihm mit meinen Stricken so recht auf bäurisch Arm und Bein, daß er sich weder regen noch rühren konnt'; darauf jag' ich ihm meinen Bratspieß durch die Gurgel und häng ihn damit an ein paar starken Haken auf, woran die Hellebarden staken, mach' ein lustig Feuer drunter und röst Euch meinen gnädigsten Herrn, wie man die Hering im Kamin dörrt. Pack mir dann seinen Beutel zu, nebst einem kleinen Jägerspieß, und fort im vollen Trott; und weiß Gott was für einen Bocksstank ich von mir gab. Unten auf der Gassen fand ich das Volk in hellen Haufen versammelt mit vielem Wasser zum Feuerlöschen, und wie sie mich halb gebraten sahen, gossen sie aus natürlichem Mitleid all ihr Wasser über mich her und erfrischten mich auf das lieblichste, was mir ein großes Labsal war; brachten mir dann auch was zu leben, aber ich aß nicht, denn sie gaben mir nichts zu trinken als pures Wasser nach ihrer Art. Sonst taten sie mir aber nichts zuleid, außer ein kleiner vertrackter Türk, der vorn bucklig war, schnappt' mir heimlich nach meinem Speckwickel, aber ich zog ihm mit meinem Spießle eine Gesalzene über die Finger, daß er's nicht noch einmal probiert'. Wohlgemerkt vertrieb mir die Braterei ein Lendenweh, daran ich länger denn sieben Jahr schon laborieret', just an der Stell, wo mich mein Brater, als er einschlief, anbrennen ließ. So entkam ich frisch und gesund.«


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