François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Zweites Kapitel

Wie Gargantua elf Monden im Mutterleibe getragen ward

GrandgoschierSo übersetzt Fischart den Namen Grandgousier, Großkopf (eine Art Kropfgans), der schon in alten Märchen vorkommt. Nach einer alten Tradition, die auch Voltaire teilt, soll Rabelais mit Grandgousier Ludwig XII. gemeint haben. Gargantua soll Franz I. und Pantagruel Heinrich II. sein. war zu seiner Zeit ein guter Schäker, liebt' sowohl als irgendeiner damals auf Erden, rein auszutrinken, und aß gern Gesalzenes. Zu dem End führt' er für gewöhnlich einen ganzen Schub Mainzer und Bayonner Schinken, Rauch-Zungen die schwere Meng, Würst im Überfluß, wann die Zeit war, und gepökelt Rindfleisch mit Senf. Als er mannbar geworden, nahm er zum Weibe Gargamelle, die Tochter des Königs der Millermahler, ein schönes Frauenzimmer, hübschen Visiers, und machten die beiden öfters zusammen das Tier mit zween Rücken, rieben sich den Speck aneinander lustiglich, bis sie von einem schönen Sohne schwanger ward, und denselben trug bis in den elften Monat.

Denn so lang und länger können die Weiber Leibesfrucht tragen, insonderheit wenn es ein Wunderwerk der Natur ist und eine Person, die ihrer Zeit mannhafte Taten verüben soll.

Die Art und Weis, wie Gargamelle ins Kindbett kam, war folgende: und wo ihr's nicht glaubt, entgehet euch das Fundament. Das Fundament entging ihr eines Nachmittags am dritten Hornung, als sie zu viele Bauntzen gessen. Bauntzen sind feiste Magendärm von Barrenrindern. Barrenrinder sind an der Kripp und auf Zwirentwiesen gemästete Ochsen. Zwirentwiesen sind die, so zweimal im Jahr Gras tragen. Von selbigen feisten Ochsen nun hatten sie 367 014 geschlagen zum Einsalzen auf Fastnacht, daß sie im Frühjahr fein zeitigs Pökelfleisch die Füll erzielten; denn sie wollten gern zur Mahlzeit Anfang auch ihr Wörtlein mit Gesalznem reden, weil der Wein drauf noch einmal so gut schmeckt. Der Kutteln waren viel, wie ihr von selbst einseht, und waren so köstlich, daß jeder darnach die Finger leckt'. Aber der Teufel dabei war nur, daß man sie unmöglich lang verwahren noch sparen konnt'; denn sie wären verfaulet, welches sich nicht gebühren wollt. Ward also beschlossen, mit Stumpf und Stiel sie aufzuessen. Hierzu luden sie alle Leut von Sainnais, Seuillé, Laroche-Clermaud, Vaugaudry, vergaßen auch nicht die von Couldray, Montpensier, von Gué de Vede und andere Nachbarn – alles gute Kunden, gute Zecher, wackere Kegelschieber. Der gute Mann Grandgoschier hatte daran sein herzlich Lust und Freud und ließ es ihnen mit Scheffeln messen, warnet' aber dabei sein Weib, daß sie davon das wenigste äße, weil sie nah auf ihrem Ziel ging und dies Gedärm just keine sehr ratsame Speis war. »Denn«, sprach er, »der muß große Lust zum Dreckkäun tragen, der diese Säck' ißt.« Dieser Ermahnungen doch ungeachtet, aß sie deren doch sechzehn Ohm, zwei Tonnen und sechs Eimer auf. O schöne fäkalische Materie, die ihr den Leib auftreiben sollt'!

Nach dem Mittagsimbiß zogen sie all kopfüber unter das Weidicht hinaus und tanzten da auf dem dichten Gras nach hellen Pfeiflein und süßen Schalmeien so fröhlich, daß es eine himmlische Lust war, sie dergestalt sich tummeln zu sehen.


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