François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Viertes Kapitel

Wie Pantagruel seinem Vater Gargantua antwortet und ihm allerhand schöne und rare Sachen schickt

Nach Lesung des Briefs besprach Pantagruel mit dem Marschall Malicorn allerlei und blieb mit ihm so lang zusammen, bis Panurg ihm in die Rede fiel und frug: »Und wann trinket Ihr? Wann trinken wir? Wann trinkt der Herr Marschall? Habt Ihr noch nicht genug gesprochen für den Durst?« – »Wohl gesprochen!« antwortete Pantagruel; »laßt hier im Wirtshaus nebenan, zum Reitenden Satyr, den Imbiß rüsten.« – Unterdessen setzte er sich und schrieb dem Boten die Depesche an Gargantua wie folgt:

Grundgütiger Vater!

Wie bei jedem unverhofften, unvorgesehenen Ereignis in diesem flüchtigen Erdenleben unsre Sinne gewaltsamer und lähmender erschüttert werden, als wenn man sie zuvorbedacht und erwartet hat, so hat mich auch die unvermutete Erscheinung Eures Marschalls Malicorn höchlich erschüttert und bestürzt, da ich weder einen Eurer Diener zu sehen noch von Euch Nachricht vor Beendigung unsrer Reise zu hören vermeinte.

Weil Ihr aber durch die Wohltat Eures gnädigen Schreibens mir nun zuvorgekommen seid, tut es mir jetzt not, was ich seither freiwillig tat, nämlich den höchsten Erhalter zu preisen, daß er Euch durch seine göttliche Güte so lang bei so vollkommnem Wohlsein erhalten hat, und dann Euch nun und immerdar zu danken für diese Eure heiße und herzinnige Liebe zu mir, Euerm treuergebenen Sohn und unnützen Diener.

Im übrigen heg' ich das Vertrauen in den Beistand unsers Herren, daß das Ende von unsrer Fahrt dem guten Anfang entsprechen und alles fröhlich und gesund vollbracht werden wird. Ich werde auch nicht ermangeln, den ganzen Verlauf der Reise in Tagebücher einzutragen, damit Ihr einst den treulichen Bericht davon bei unsrer Heimkunft lesen könnt.

Ich hab' hier einen Scythischen Taranden gefunden, ein fremdes Tier und darum wunderbar, weil es die Farbe des Felles und des Haares verändert, je nachdem ihm etwas Farbiges nahe kommt. Laßt Euch denselben wohlgefallen. Er ist so handlich und leicht zu füttern als ein Lamm. Ich send' Euch desgleichen drei junge Einhörner, kirrer und zahmer als kleine Kätzlein. Ich hab' schon mit dem Boten gesprochen und ihm die Art und Weise gezeigt, wie man sie halten muß. Sie weiden nicht von der Erde, ihr langes Horn an der Stirn verhindert sie, darum ist es nötig, daß sie von Obstbäumen oder aus Raufen fressen, oder auch aus der Hand, Getreide, Kraut, Äpfel, Birnen, Gersten, Dinkel, kurz alle Arten Früchte und Gemüse. Mich wundert's, wieso unsre alten Autoren sie für so wild, unbändig und gefährlich ausschrein konnten. Ihr werdet leicht an ihnen das Gegenteil ausproben und sehen, daß es die artigsten Tiere der Welt sind, wenn man nur nicht sie böslich reizet.

Ich send' Euch desgleichen Achilles' Leben und Taten auf schönen, künstlichen Tapeten und versprech' Euch fest, was ich auf unsrer ganzen Fahrt an Tieren, Pflanzen, Vögeln, Steinen nur Neues finden und kriegen kann, mit unsers Herrgotts Hilf Euch mitzubringen.

Nirgendwo, am 15. Juni. Panurg, Bruder Jahn, Epistemon, Xenomanes, Gymnastes, Rhizotomus, Karpalim, Eusthenes grüßen, nebst untertänigem Handkuß, Euch hunderttausendmal wieder.

Euer

gehorsamer Sohn und Diener
Pantagruel

Nachdem der Brief beschlossen war, bankettierte Pantagruel mit dem Marschall und verehrte ihm eine schwere goldene Kette, achthundert Taler wert, an welcher je das siebente Glied mit großen Diamanten, Rubinen, Smaragden, Türkisen und Perlen wechselweis besetzt war. Jedem seiner Schiffsleute ließ er fünfhundert Sonnentaler reichen. Seinem Vater Gargantua schickt' er den Taranden, geschmückt mit einer goldgestickten Decke von Atlas, nebst den Teppichen mit des Achilles' Leben und Taten, und den drei Einhörnern. Darnach fuhren sie ab von Nirgendwo, Malicorn heim zu Gargantua, Pantagruel auf seiner Route weiter.


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