François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Elftes Kapitel

Warum die Mönche gern in der Küche sind

»Das nenne ich doch«, sprach Epistemon, »recht wie ein echter Mönch geredet. Du erinnerst mich wieder an lustige Dinge, die ich vor etwa zwölf Jahren in Florenz gesehn und gehört hab'. Wir waren ein stattliches Häuflein lernbegieriger Leute, gern in fremden Ländern, und auf die welschen Gelehrten, Raritäten und Altertümer versessen. Wir beschauten uns eben aufmerksam die schöne Lage und Pracht von Florenz, den Bau des Doms, die herrlichen Tempel und stolzen Paläste und kamen dabei in einen Wettstreit untereinander, wer sie durch würdige Lobsprüche am besten erheben könne, als uns ein Mönch aus Amiens, namens Bernard Dickwanst, ganz verdrießlich und muckisch zur Rede stellte: ›Ich weiß doch‹, sprach er, ›beim Teufel nicht, was ihr da groß zu rühmen findet. Hab' mir's so gut wie ihr beschaut und bin nicht blinder als ihr geboren, und was ist's denn eigentlich? Schöne Häuser sind's; das ist alles. Aber Gott und unser werter Herr Schutzpatron Sankt Bernard helf uns, wenn ich in dieser ganzen Stadt auch nur eine einzige Garküche gesehn habe! Ich hab' mich doch fleißig umgeschaut, wohl aufgepaßt, recht wie ein Spion bald links bald rechts herumgelugt, und hab' zählen wollen, wie viele Bratspieße und auf welcher Seit die meisten wir wohl finden würden. In Amiens, auf einem vier-, ja dreimal kürzern Weg, als wir ihn jetzt durchlaufen haben, hätt' ich euch über vierzehn der ältesten, würzigsten Küchen zeigen wollen. Ich weiß nicht, was für Spaß euch's macht, die Löwen dort bei dem Wartturm anzuschaun. Meine Treu, ihr Kunstfexe, lieber säh ich eine gute, feiste Gans am Spieß. Porphyr und Marmel sind ja schön; ich schelt sie nicht; allein nach meinem Schmack weit besser sind doch die Butterbrezeln von Amiens. Diese antikischen Statuen sind wohlgemacht, will's glauben; aber, bei allen Heiligen, die jungen Dirnlein bei uns zu Haus sind tausendmal zutunlicher.‹«

»Was es nur heißt und sagen will«, frug Bruder Jahn, »daß ihr die Mönche allzeit in der Küche trefft, und niemals Könige, Päpste oder Kaiser?«

»Ich will euch«, versetzte Pantagruel, »etwas erzählen, ohn mich weiter auf dies Problem einzulassen. Ich entsinn mich, gelesen zu haben, wie eines Tages Antigonus, der König von Mazedonien, als er in seine Feldküche kam, dort den Poeten Antagoras fand, der einen Meeraal schmorte und selbst die Schmorpfanne dazu hielt. Da frug er ihn mit aller Freundlichkeit, ob auch Homer wohl, als er die Taten Agamemnons beschrieb, Meeraal geschmort hätte? ›Und du‹, antwortete Antagoras dem König, ›meinst du denn auch, daß Agamemnon, als er die Taten ausführte, neugierig nachfrug, ob einer in seinem Lager Aal schmort?‹ – Dem König dünkte es nicht wohlanständig, daß der Poet in seiner Küche kochte, und der Poet verwies es ihm als noch weit ungebührlicher, wenn man den König in der Küche fände.«

»Jetzt aber hört«, sprach Panurg, »was einst Breton Villandry dem Herrn Herzog von Guise antwortete. Sie sprachen eben von einer Feldschlacht König Franzens mit Kaiser Karl dem Fünften, bei der sich Breton über und über geharnischt, ja gar mit stählernem Fußgeschmeid und Schienen auf einem Streitroß gezeigt hatte, gleichwohl aber im Treffen selber nicht erschienen sei. ›Bei meiner treu! Ich war wohl im Treffen‹, antwortete Breton, ›und kann es leicht beweisen; ja, an einem Ort, da Ihr Euch selber nimmer hingetrauet hättet.‹ – Dies Wort mißfiel dem Herrn Herzog als zu vermessen und prahlerisch, und schon wollt' er aufbegehren. Doch Breton, mit einem lauten Gelächter, versöhnte ihn leicht und sprach: ›Ich war beim Troß, Herr; woselbst sich Eure Hoheit schwerlich hätten verstecken mögen, wie ich es tat.‹« – Unter diesen kleinen Gesprächlein gelangten sie auf ihre Schiffe und verließen das Eiland Cheli.


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