François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Vierunddreissigstes Kapitel

Wie Pantagruel auf das Eiland der PapfeigerPapefigue, papafico, eigentlich Feigenschnepfe, hier für Sykophant (Aufpasser, Schikaneur, Verleumder. Die Papfeiger sollen, wie auch Voltaire annahm, die Protestanten sein, die dem Papst die Feige bieten, seiner spotten. Mit den Fröhlingern sollen die Deutschen gemeint sein, die sich bei verschiedener Gelegenheit, wie bei der Plünderung Roms (1527), sehr munter aufführten. Gegenfüßler sind die Papimanen, die Papstnarren. kam

Am andern Morgen erreichten wir das Eiland der Papfeiger, das war einst ein reiches und freies Volk gewesen, denn sie hießen die Fröhlinger; nun aber waren sie elend, arm und den Papimanen unterwürfig. Die Ursache war folgende: An einer der jährlichen Prozessionen waren die Bürgermeister, Syndici und Oberrabbiner von Fröhlingen erholungshalber und um das Fest mit anzusehen, nach dem nahegelegnen Eiland Papimanien hinübergefahren. Als nun einer von ihnen des Papsten Bildnis sah (wie es bei jeder Prozession die löbliche Gewohnheit war, es öffentlich der Welt zu zeigen), bot er ihm die »Feige«, was in dem Land ein offenbares Zeichen der Verachtung und des Hohnes ist. Zur Rache hierfür erhoben sich nun ein paar Tage darauf in Waffen sämtliche Papimanen, riefen nicht lang erst Kopf weg!, überfielen, plünderten und verwüsteten das ganze Fröhlinger-Eiland, ließen alles über die Klinge springen, was Haar am Kinn hatte; nur den Weibern und jungen Knaben verziehen sie unter ähnlichen Bedingungen wie weiland Kaiser Friedrich der Rotbart den Mailändern.

Die Mailänder hatten in seiner Abwesenheit wider ihn sich aufgelehnt und sein Gemahl, die Kaiserin, mit Schimpf und Schande auf einem alten Maultier aus der Stadt vertrieben, ärschlings reitend, mit dem Steiß nach des Maultiers Kopf, mit dem Gesicht nach dem Schwanz gekehrt. Als Friedrich nun, nach seiner Rückkehr, sie von neuem unterworfen und eingeschlossen hatte, ruhte er nicht eher, als bis er dies berühmte Maultier in seine Gewalt bekam. Jetzt mußte der Henker mitten auf dem großen Marktplatz auf seinen Befehl eine Feige in die Schamteile des Maultiers stecken, in Gegenwart der gefangenen Bürger. Dann rief er bei Drommetenschall laut in des Kaisers Namen aus: daß, wer von ihnen dem Tod entgehn wolle, mit seinen Zähnen öffentlich die Feige herausziehn und darauf ohn Hilfe der Hand auch wieder an ihren Ort stecken müßte. Wer sich weigern würde, den sollt' man sofort aufhängen und strangulieren. Etliche unter ihnen nun erschraken sehr und schämten sich vor einer so abscheulichen Strafe, vergaßen darüber die Todesfurcht und wurden gehängt; bei andern wieder überwog die Todesfurcht die Schande; die zogen mit scharfem Zahn die Feige heraus, hielten sie in die Höhe und sprachen dazu mit lauter Stimme: Ecco lo fico! Hier ist die Feige!

Mit gleicher Schmach ward auch der Rest der armen geschlagnen Fröhlinger vom Tod errettet und lebengelassen. Sie wurden Sklaven und hörig, und der Name Papfeiger wurde ihnen gegeben, weil sie dem Bildnis des Papstes die »Feige« entboten hätten. Seit der Zeit hatten die armen Leut in nichts mehr Glück; jahraus jahrein gab's Hagel, Teuerung, Pestilenz und Wetterschaden und tausend Kreuz bei ihnen, als die ewige Strafe für die Versündigung ihrer Väter und Vorfahren.

Weil wir nun des Volks Elend und Not sah'n, wollten wir nicht tiefer ins Land, sondern traten nur, um Weihwasser zu nehmen und unsre Andacht zu verrichten, unweit des Hafens in eine kleine Betkapelle, die ganz verfallen, ohne Dach und wüst war. Als wir da drin das Wasser nahmen, sahen wir in dem Weihbrunnkessel einen mit der Stola bekleideten Menschen, der völlig unter dem Wasser stak wie eine Tauchente, bis auf ein Zipflein der Nasenspitz zum Atemholen. Um ihn standen drei wohlgeschorene, glatzige Pfaffen, die lasen den Hexenhammer und beschworen die Teufel.

Pantagruel fand den Fall seltsam, und auf Erkundigung, was für Possen man da treibe, wurde ihm zur Antwort, daß diese letzten drei Jahr im Eiland eine so grimmige Pest grassiert hätte, daß das Land zur Hälfte und drüber ausgestorben und Grund und Boden fast herrenlos verblieben wäre. Nachdem die Pest vorüber war, hätt' der Mann da in dem Weihbrunnkessel ein großes Stück Feld gehabt und es mit Dinkelkorn bestellt, just zu der Stunde und Tageszeit, als eben ein kleines Teuflein (das noch nicht blitzen noch hageln konnte, außer auf Kraut und Petersilie, und auch noch nicht lesen und schreiben gelernt hatte) vom Satan Urlaub erhalten habe, sich ein wenig zu seinem Pläsier und Zeitvertreib auf diesem Papfeiger-Eiland zu tummeln, weil die Teufel mit Männern und Weibern daselbst im besten Vernehmen stehn und öfters zu ihrer Lust hinfahren. Bei seiner Ankunft trat der Teufel zu dem Bauern und frug ihn gleich, was er da schaffe? – Der arme Mann antwortete, er bestellt' dies Feld mit Dinkel, weil er übers Jahr auch leben wolle.

»Ei aber«, sprach der Teufel, »dies Feld ist nicht dein; es ist mein, gehört mir; denn seit der Stund und Frist, da ihr dem Papst die Feige wies't, ist all dies Land uns zuerkannt und anheimgefallen. Nun ist zwar Korn säen nicht mein Amt –: drum lasse ich dir das Feld, jedoch unter der Bedingung, daß wir uns in den Nutzen teilen.« – »Mir schon recht«, antwortete der Bauer. – »So zwar«, sprach der Teufel, »daß wir den Ertrag zwiefach verlosen. Auf ein Los kommt das, was über der Erde wächst, aufs ander das, was unter der Erde ist. Die Wahl ist mein, denn ich bin Teufel, aus einem alten adligen Blut, und du nur ein Lump. Ich wähl' mir das, was unten ist. Das Oberste sollst du haben. Wann ist Ernte?« – »Im Heumond«, antwortete der Bauer. – »Wohlan! Ich werd' nicht fehlen«, sprach der Teufel, »inzwischen tu deine Schuldigkeit. Rühr dich, Lump, rühr dich! Ich geh jetzt, die edeln Nönnlein in Furzingen ein wenig auf das Stroh zu locken, und auch die Herrn Gleisner und Mönchlein, auf deren Treu ich Felsen bau. Auf Wiedersehn, ich werd dich nicht warten lassen!«


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