François Rabelais
Gargantua und Pantagruel
François Rabelais

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Viertes Buch

Erstes Kapitel

Wie Pantagruel nach dem Orakel der Göttin Bakbuk in See ging

Im Monat Juni, am Tag des Vestalienfestes, dem nämlichen, an welchem Brutus Spanien bezwang und die Spanier sich unterwarfen, an welchem auch der geizige Crassus von den Parthern besiegt und getötet wurde, beurlaubte sich Pantagruel von seinem Vater, dem guten Gargantua, unter dessen heißen Gebeten für seines Sohnes und seiner Gefährten glückliche Fahrt, und ging im Hafen von Thalasse zur See, begleitet von Panurg, Bruder Jahn von Klopffleisch, Epistemon, Gymnastes, Eusthenes, Rhizotomus, Karpalim und andern alten Dienern und Hausgenossen; desgleichen auch von Xenomanes, dem großen Pilgrim und Durchkreuzer gefährlicher Wege, der auf Panurgs Erfordern etliche Tage vorher zu ihnen gestoßen war.

Die Zahl der Fahrzeuge hab' ich euch im dritten Buch erzählt; alle waren wohl equipiert, kalfatert und von Pantagruel reichlich versehen. Die Versammlung sämtlicher Offiziere, Dolmetscher, Steuermänner, Hauptleute, Schiffer, Matrosen, Bootsknechte und Rudrer war auf dem Thalamegus. So hieß das große Admiralsschiff Pantagruels; am Hinterkastell führte es als Sinnbild eine große geräumige Flasche, halb aus blankem, hellpoliertem Silber, halb Gold mit Schmelzwerk. Dies zeigte an, daß Weiß und Rot die Farben der edeln Pilger waren und daß ihre Reise geradenwegs nach dem Orakel der heiligen Flasche ging.

Am Hinterkastell des zweiten stand hoch aufgerichtet eine antike Laterne, aus durchsichtigem Stein geschickt verfertigt, um anzuzeigen, daß sie durch das Laternenland passieren würden. Des dritten Gallion Bild war ein schöner und tiefer Humpen von Porzellan. Das vierte trug ein güldenes Krüglein mit zwei Henkeln, wie eine antike Urne. Wieder ein anderes einen köstlichen Efeubecher in Gold getrieben, das daneben einen Humpen von feinem Jungferngold. Kein Mensch konnte so traurig, mürrisch, betrübt oder melancholisch sein, der, wenn er dies edle Schiffsgeschwader an seinen Devisen erkannte, nicht von neuem lustig geworden, frisch von der Leber weg gelacht und geschworen hätte, daß die Mannschaft drauf lauter tapfere Zecher und brave Leut sein müßten, und ihnen das sichre Prognostikon gestellt hätte, daß ihre Fahrt hin- als heimwärts gedeihlich und erfreulich vonstatten gehen würde.

Auf dem Thalamegus also war aller Versammlung. Da hielt ihnen Pantagruel eine kurze und fromme Ermahnung, gespickt mit Bibelsprüchen über Seefahrt, und nach deren Endigung sprachen sie ein lautes und vernehmliches Gebet zu Gott, daß alle Leut und Bürger von Thalasse, die auf den Molo strömten, um die Einschiffung mit anzusehn, es deutlich verstehn und hören konnten.

Nach Schluß des Gebets schlug man die Tafeln auf dem Verdeck auf und trug die Speisen flink herbei. Auch die Thalassier am Ufer ließen aus ihren Häusern brav Wein und Zehrung bringen, und nun tranken sie sich herüber und hinüber fleißig zu.

Nach oft und fleißig wiederholtem Umtrunk ging ein jeder auf sein Schiff, und zu guter Stunde lichteten sie mit Nordostwind die Anker.


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