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Papst Silvester

Wer noch von euch im Zweifel ist
Im Glauben an den heiligen Christ,
Dem sei hier Sankt Silvesters Leben
Und seine Lehre anheimgegeben.

Silvester, der getreue Knecht
Des Herrn, der ihn zum Amt mit Recht
Erwählte, sog der Weisheit Wein
Durch Cyrinus, den Priester, ein.
Zum Priester aber weihte ihn
Der heilige Vater Marcellin.
Silvester übte die Lehre wieder
Und lehrte treulich seine Brüder,
Deren einer Timotheus hieß.
Der Statthalter Tarquinius ließ
Diesen töten; das war zur Zeit,
Da noch Verfolgung herrschte und Streit.
Tarquinius sandte darauf
Zu Silvester; dem trug er auf,
Des Toten Gut herauszugeben.
Silvester sprach: »Bei seinem Leben
Gab er schon alles den Armen hin.
Mir ließ er nichts.« – Jedoch Tarquin
Befahl ihm nun aus Haß und Groll,
Den Abgöttern der Andacht Zoll
Zu bringen oder zu verderben.
Silvester sprach: »Du selbst wirst sterben,
Bevor der nächste Morgen kam!«
Tarquinius, als er dies vernahm,
Ließ den Mann in den Kerker schließen
Und wollte morgen vergießen
Sein Blut. Jedoch auf eigenen Schaden
Ward der Fürst noch eingeladen
Von einem Freund zu Tische:
Man brachte gute Fische,
Die er auch gerne aß,
Bis eine Gräte im Hals ihm saß,
Die sich nicht mochte lösen;
Also erging am Bösen,
Was ihm war vorhergesagt.
Er starb bejammert und beklagt
Noch vor derselben Mitternacht.
Doch aus dem Kerker ward gebracht
Silvester zu den Frommen.

Zum Tode war damals gekommen
Melchiades der Papst. Da wählt
Das ganze Volk ihn, der als Held
Dastand. Silvester gab alsbald
Aus seiner päpstlichen Gewalt
Dem Volk das erste Fastengebot:
Zu enden der Christenheit große Not,
Sollte man an drei Wochentagen
Der Fleischeskost sich ganz entschlagen.

Nun trug das Volk in dieser Zeit
Noch stets den Christen Haß und Neid
Und drückte sie im ganzen Land.
Auch Kaiser Constantin wohlbekannt
War noch den Abgöttern unterthan.
Silvester, der gute Mann,
Wich darum aus der Stadt hinaus
Nach einer Wildnis ödem Graus,
Aus Feigheit nicht, nein, um sich zu sparen
Und die Christenheit zu bewahren.
Gott aber sandte dem Constantin
Eine arge Strafe hin:
Er ward aussätzig, und keine Arzneien
Konnten ihn von der Sucht befreien.

Die Götzendiener rieten nun
Dem Kaiser, dieses noch zu thun:
Er sollte in Kinderblut sich baden,
Das würde ihn heilen von seinem Schaden.
Dreitausend Kinder aus Stadt und Land
Raubte man mit gewaltiger Hand,
Die sollten nun an einem Tage
Zu ihrer Mütter großer Klage
Getötet werden. Doch sieh, der Armen
Jammer mußte ihn doch erbarmen.
Der Kaiser sprach: »Nein, lieber verderben,
Als daß so viele für mich sterben!
Laßt mich bleiben, wie ich bin,
Und gebt die Kinder den Müttern hin!
Ich will, daß ihr mit Freuden labt,
Die ihr zuvor betrübet habt.
Ihr sollt ihnen von meinem Gute geben,
Daß sie desto fröhlicher leben!«

Ei, mit wie großem Schalle
Freuten sich da alle!
So weh ihnen erst war zuvor,
So hoch stieg nun ihre Freude empor.
Sie segneten den guten Herrn
Und wünschten ihm alles Gute gern.
Und Gott, aller Tugenden Lohn,
Sah an den Armen auf dem Thron
Und war wohl auf sein Heil bedacht.
Denn seht, noch in der nächsten Nacht
Kamen die Apostelfürsten, die zwei,
Petrus und Paulus, im Traume herbei
Und kündeten ihm diese Kunde:
»Laß du Silvester all zur Stunde
Aufsuchen; der wird dir den Quell
Anzeigen, der dich also schnell
Rein machen kann an Körper und Geist.«

Als Constantin dies hört, da heißt
Er gleich die Boten eilen
Und nicht mehr lange weilen.
Sie wurden also hingesandt
Zum Berg Soracte, wo man fand
Silvester mit den Seinen.
Die wollten zuerst meinen,
Man hole sie zum Tode hin.
Der Kaiser aber fragte ihn,
Wer wohl die beiden Götter wären,
Die ihm verkündigt diese Mären.

Silvester aber ließ das Bild
Der beiden Apostel dem Kaiser mild
Auf einem Tuch gemalet schauen
Und belehrte ihn mit Vertrauen.
Er ließ ihn fasten sieben Tage,
Zur Reinigung und nicht zur Plage.
Die Kerker wurden aufgethan,
Und frei ging manch gefangener Mann.
Nun taufte man den Kaiser da.
Die Krankheit wich sogleich. Er sah
Den Heiland selber ihm erscheinen,
Dem Neuerworbenen, dem Reinen.
Des freute sich Silvester.
Der Kaiser ward stets fester
In seinem Glauben und befahl,
Daß man im Reiche überall
Nur Christus habe für einen Gott,
Und alle Götzen halte für Spott.

Dann ließ der Kaiser mit Gottvertrauen
Sankt Peters großes Münster bauen.
Er selber nahm den Spaten zur Hand,
Grub aus die Erde unverwandt
Und trug auf seinem eigenen Rücken
Zwölf Körbe fort. Der Heiden Tücken
Zerstreute er mit Festigkeit.

Nun war in dieser selben Zeit
Konstantins Mutter Helena
Dort jenseit in Judäa.
Der Juden Glaube gefiel ihr so wohl,
Daß ihr das Herze ward so voll,
Und sie mit mütterlicher Lieb'
Ihrem Sohne dieses schrieb:
»Daß du verließest der Heiden Wahn,
Daran hast du wohl recht gethan;
Doch bist du noch auf falschen Wegen,
Willst du des Christenwahnes pflegen.«

Der Kaiser schrieb der Mutter wieder:
»So schlag' mir allen Zweifel nieder!
Laß deine besten Judenmeister
Bestreiten unsere Christengeister,
Und laß uns also seh'n dazu,
Wer unrecht hat, ich oder du!«

Hunderteinundsechzig weise
Judenmeister hoch zu Preise
Nahm nun Helena mit sich.
Darunter waren förderlich
Zwölf von höchster Meisterschaft.
Die sollten mit des Geistes Kraft
Silvester und die Seinen besteh'n.
Zu Richtern hatte der Kaiser erseh'n
Zwei weise Heiden: Zenophilus
Und Kraton; die sollten zum Schluß
Das Urteil sprechen. – Gar vermessen,
Als ob sie jeden wollten fressen,
Der ihnen möchte widersteh'n,
Sah man die Juden herfürgeh'n;
Sie traten Helena zur Seite.
Mit ihnen kam zum Streite
Silvester und die Priester alle
Vor Constantinus in der Halle.

Abiathar, der Zwölfe einer,
Stand auf und sprach: »Gar ein unreiner
Irrglaube ist der Christen Glauben.
Sie wollen Gottes Ehre rauben.
Drei Götter haben sie zum Spott;
Doch spricht der Herr: Ein einiger Gott
Bin ich und niemand außer mir.
Die vielen Wunder zählet ihr,
Die Jesus Christus hat gethan;
Doch seht nur die Propheten an:
Die haben der Wunder mehr gemacht
Und doch sich nicht Gott gleich gedacht!«
Silvester, der gute Mann,
Griff sogleich die Antwort an,
Der Christenheit zum Preise.
Er segnete sich in Kreuzes Weise
In unseres lieben Herren Namen,
Stand auf und sprach, ohn' zu erlahmen:
»Fürwahr, es ist ein einiger Gott,
Doch er ist Vater. Nicht zum Spott
Läßt David ihn sagen: Du bist mein Sohn,
Von mir erkoren zu meinem Thron.
Auch saget er von Gottes Geiste,
Was seine große Stärke leiste.
Nun ist kein Vater ohne Kind,
Und Gott ist nicht so tot und blind,
Daß er des Geistes ledig sei.
Die drei Gestalten sind dabei
Doch eines. Sieh' nur die drei Falten
Am Kleid des Kaisers! Alle halten
Drum doch dafür, es sei Ein Tuch.
So meint es unser heilig Buch.
Mit Recht sagt Christus, er sei Gott.
Wär' er es nicht, ihm hätte mit Spott
Die Wundergabe Gott genommen.
So ist es, traun, nicht gut bekommen
Dem König Nabuchodonosor,
Der sich für Gott hielt, o der Thor!«
Abiathar auf solches schwieg;
Silvester hatte den Sieg.

Jonas, der zweite Meister, sprach:
»Ihr brecht unser Gesetz mit Schmach!
Ihr brecht der Beschneidung Gebot
Und scheidet euch damit von Gott!« –
Silvester trat ihm so entgegen:
»Nicht um der Beschneidung wegen
Ward Abraham gerecht; ihn trug
Sein Glaube, hoch und stark genug,
Und sein lauterer Gehorsam,
Daraus er nie vor dem Herren kam.
Das sind auch die wahren Sachen,
Die uns vor Gott gerecht machen.
Daß ihr euch ehe habt beschnitten,
Das kam von sonderlichen Sitten.
Mancher hat die Beschneidung erkoren
Und ging doch jämmerlich verloren.
Den rechten Mann macht nicht der Schnitt,
Sondern des rechten Weges Tritt.«
So sprach er. Jonas schwieg zuhand,
Weil er nicht Widerrede fand.

Godolias der dritte
Stand nun auf in der Mitte
Und sprach: »Wie wäre der ein Gott,
Der leiden mußte solchen Spott?
Er ward versucht, er ward geboren.
Habt ihr denn den Verstand verloren?« –
Jedoch Silvester wieder sprach:
»Sieh' in den heiligen Schriften nach!
Dort findest alles du geschrieben,
Was mit dem Messias wird getrieben.
Dein Vorwurf ist umsonst; er trifft
Nicht uns, er spottet der heiligen Schrift!«
Godolias antwortete nicht mehr.
Die Rede ward den Juden schwer.

Annas hieß der vierte Jüde,
Der griesgramete wie ein Rüde
Auf Silvester und sprach: »Es bleibt
Die Schrift in Ehren, doch sie schreibt
Dieses alles von anderen Leuten,
Was du auf Jesus willst hin deuten!« –
Silvester sprach: »Wohlan, so such'
Mir einen andern, auf den das Buch,
Das heilige, so passen kann!
Wer ist er denn, der andere Mann,
Den eine Jungfrau hat getragen,
Der verraten ward und geschlagen,
Der mit Dornen ward gekrönt
Und mit bitterem Trank gehöhnt,
Der starb und wieder auferstand?«
Herr Annas keine Antwort fand.

Doëg, der fünfte, sprach voll Groll:
»War euer Christ so Gottes voll,
Warum hat er sich taufen lassen?
Das will zu einem Gott nicht passen.«
Doch Silvester dawider spricht:
»Er brauchte wohl die Taufe nicht;
Er that es, weil den neuen Bund
Er uns so wollte machen kund.
Er gab uns die Taufe statt der Beschneidung:
Das war die große Zeitenscheidung.
Der edle König, der milde,
That es nur uns zum Bilde.«

Chusi der sechste Jude hieß,
Der sich also vernehmen ließ:
»Wie kann ein Gott geboren werden
Zur Welt mit irdischen Beschwerden?«
Silvester konnte Antwort geben:
»Der erste Mensch erhielt sein Leben
Aus seiner Mutter, der reinen Erden;
So mußte Christus werden
Aus einer reinen Jungfrau Leib,
Und wie das erste Menschenweib
Durch die Schlange versucht ward,
So mußte Jesus auf gleiche Art
Versuchung leiden; doch er bestand
Das Fasten und überwand
Also die Schlange. Verstehst du dies?«

Benjamin, der siebente, ließ
Sich also hören: »In der Versuchung
Liegt, o Christ, deine Verfluchung!
Wie konnte der Satan zu einem Gott
Die Worte sagen ohne Spott:
Bete mich an, so bring' ich dich
Zu großen Ehren sicherlich!«
Silvester aber sprach, der hehre:
»Dies ist uns Christen nur zur Lehre,
Um uns, wenn wir fasten, zu warnen,
Daß uns die Teufel nicht umgarnen.
Denn wer sich seiner guten Werke
So überhebt und seiner Stärke,
Daß er die Welt glaubt überwunden,
Den hält der Teufel fest gebunden,
Der fällt ihm gleichsam so zu Füßen,
Um seinen Uebermut zu büßen.«
Als alle Hörer dies vernahmen,
Freuten sie sich der wundersamen
Reden Silvesters. Doch der Witz
Des Juden schwieg. Zu seinem Sitz
Ging er wieder wie betaubt
Und wie geschlagen vor sein Haupt.

Aroël hieß der achte,
Der sich erst lang bedachte.
Dann sprach er also zu dem Frommen:
»Gott war doch von je vollkommen.
Wie mocht' er erst geboren werden
Zu einem Kindlein auf der Erden?«
Dies ward die Antwort seinem Hohn:
»Gottes Wort, sein lieber Sohn,
War schon vor aller Zeit geboren.
Aus Liebe nur hat er erkoren
Irdisches Leben. Die Göttlichkeit
Blieb in ihm ohne Not und Neid.«

Jubal, der neunte, fuhr empor.
Drei Fragen warf er ihm vor:
Die erste, wie Gott, die Stärke, das Leben,
Sich konnte dem Leiden hingeben.
Die zweite, daß Gottes Wort und Christ
Zwei Wesen wären; jener ist
Im Himmel, dieser auf der Erden.
Zum dritten, wie ohne Gefährden
Der Gottheit konnte die Menschheit leiden,
Wenn Gott und Mensch sich hier nicht scheiden.
Silvester löste diese Knoten:
»In Jesus, dem Gottesboten,
Verbarg die Gottheit sich. Er neigte
Sich unserer Schwäche so und zeigte,
Wie wir zur Tugend kämen
Und ewiges Leben nähmen.
Das Wort ist ohne Mutter geboren;
Marien aber ward erkoren
Der Sohn ganz ohne Vater gar.
Das Wort ist ewig und unsichtbar;
Nur als Sohn der Jungfrauen
Ließ es sich von uns schauen.
Und was die dritte Frage meint,
An diesem Kleide klar erscheint.
Die Farbe wird nicht Schaden tragen,
Was man das Tuch auch möge schlagen.
So leidet die Gottheit keine Not
Trotz der Menschheit Leiden und Tod.«
Silvester sprach's, der Jude schwieg.

Doch gab verloren nicht den Sieg
Taïra, der zehnte,
Der nun zu siegen wähnte.
Er tadelte Silvesters Bild.
Da sprach der Bischof klug und mild:
»So will ich ohne Klagen
Ein ander Beispiel sagen.
Schlägst du auf einen Baum hinein,
Auf den da strahlt der Sonne Schein,
So irrt das nicht den Sonnenschein.
So muß es mit dem Heiland sein.
Was auch die Menschheit leiden mag,
Die Göttlichkeit versehrt kein Schlag.«

Da sprach der elfte, Sileon:
»Doch sage, warum mußte schon
Als Mensch Gott also leiden?«
»Das will ich dir bescheiden,«
Erwiderte Silvester in Ruh';
»Die Minne zwang ihn nur hiezu.
Er ist hungrig gewesen,
Auf daß wir möchten wohl genesen
Durch die ewige Freudenspeise.
In jämmerlicher Weise
Ist er hier gegangen;
Gebunden und gefangen
Ward er, auf daß wir würden
Von aller Sünde Bürden
Ledig und von aller Not.
Zur Verspottung er sich bot,
Auf daß wir Spottes würden frei.
Hiemit brach er entzwei
Der Sünde Wahnbild, das zuvor
Uns nimmer kommen ließ empor,
Daß wir beschauen möchten Gott,
Den schönen König Sabaoth.
Darum hat er sich nur erkor'n
Die Krone von greulich scharfem Dorn,
Daß er des Paradieses Kron'
Uns brächte als der Tugend Lohn.
Er trug sein Kreuz in Knechtesweise,
Daß er uns Himmelsfreiheit weise.
Er ließ sich rauben hie sein Kleid,
Um uns das Kleid der Lauterkeit
Zu geben; und er ward erhangen
Am Kreuzesbaum mit Schmerz und Bangen,
Daß er den Baum des Lebens wiese,
Den wir verloren im Paradiese.
Ihm mußte Essig Labung sein;
So zeigte er, daß Wahn und Schein
Nur Eva's Lust entbrennen ließ,
Als sie in jenen Apfel biß.
Er starb und ward begraben,
Damit auch Tröstung haben
Die Väter in der Hölle drinnen;
So übergroß war Gottes Minnen!«
Bei diesen Worten jubelten alle
Die Christen dort in des Kaisers Halle
Und lobten Gott mit lautem Schalle.
Die Juden aber begannen zu wanken.

Da trat der zwölfte in die Schranken.
Zara hieß er. Er dachte dort,
Seine Sache zu retten mit diesem Wort:
»Ihr Christen wähnt, daß menschlicher Sinn
So hoch möge reichen dahin,
Daß ihm recht werde kund
Die Gottheit bis auf den Grund.
Doch das ist alles Eitelkeit
Der Rede. Seid zur That bereit!
Zeigt, wer mehr könne, ihr oder ich
Und mein Gott sicherlich!
Ich weiß den Namen des höchsten Herrn;
Doch euch ist dieses Wissen fern.
Der Name ist so mächtiger Art,
Wenn er dem stärksten Stiere ward
Ins Ohr gesagt, ganz unbewegt,
Daß er ihn tot zur Erde schlägt.«
Helena ward der Rede froh;
Eilig befahl die Frau also,
Einen Stier herbei zu bringen.
Kaum mochte es den Knechten gelingen
Ihn herzuschaffen; so wild war er.
Da trat der Jude zu ihm her,
Legte seinen Mund ans Ohr dem Tier
Und raunete ihm schier
Ein Wort heimlich zu.
Da ward eine große Unruh'
An demselben zu schauen.
Es mußte alle grauen.
Der Stier fiel tot darnieder.

Silvester aber sprach dawider:
»Staunt ob der Sache nicht zu sehr!
Der Name kommt von Gott nicht her,
Nein von dem Teufel; denn der ist
Ein rechter Mörder, wie ihr wißt.
Die Kunst, die dieser Jude kann,
Steht auch den wilden Tieren an;
Sie können leicht den Tod auch geben.
Gott aber giebt und ist das Leben.
Soll ich da glauben, soll ich staunen,
So soll der Jude wieder raunen
Den Namen, daß der tote Stier
Wieder zum Leben komme hier!«

Doch Zara sprach: »Ei, du verlangst,
Was du doch selbst zu zeigen bangst;
Denn ganz unmöglich ist es dir
Und mir. Doch thätest du es hier,
So müßten wir unseren Glauben lassen
Und den deinen gleich erfassen!«

Da schrie der Juden ganze Rotte:
»Ja, ja, zeig' uns von deinem Gotte
Die Macht, so glauben wir dir hie!«
Da fiel Silvester auf die Knie,
That sein Gebet zu Gott und sprach:
»Du Teufelsname voll der Schmach,
Weich von dem toten Tiere hier!«
Und sieh, sogleich stund auf der Stier.
So wild und ungefüge er kam,
Nun ging er sanfter als ein Lamm
Wieder hinaus auf seine Weide.
Mit Staunen sah es Jud' und Heide.
Sie lobten Gott mit Schalle,
Die Taufe nahmen alle.
Vor allen andern zeigte da
Des Glaubens Kraft Frau Helena.
Ein neues Leben entstand ihr so;
Drob ward der gute Kaiser froh.

Nicht weit von Rom that zu der Zeit
Ein arger Drache großes Leid
Den Menschen. Ihn hatte der Teufel gesandt,
Weil er verlor sein Reich und Land.
In einer Höhle lag der Drache
An einem Berg. Ob dieser Sache
Klagten die Heidenpriester sehr
Dem Kaiser. Der rief schleunig her
Silvester und fragte ihn um Rat.
Dem guten Papst, der zu Gott bat,
Erschien Sankt Peter und zeigte ihm an,
Wie man den Drachen binden kann.
Nach dessen Wort that er zuhand,
Beschwor den Drachen dort und band
Ihn fest, daß er nicht mocht' entweichen.
Besiegelt mit dem Kreuzeszeichen
Ward seine Fessel. Jubelschall
Erhob sich von den Leuten all.
Die Christentaufe nahmen dann
Der edlen Römer viele an
Und brachen ihre Tempel nieder.
Damals erhub zuerst sich wieder
Zur Blüte jener gute Same
Aus Petrus' Hand. Und Jesu Name
Erglänzte hell auf jeder Blüte.

In seinem heiligen Gemüte
Sah Sankt Silvester schon den Tod
Voraus; als sein höchstes Gebot
Hinterließ er dies den Seinen:
In heiliger Liebe sich zu einen
Allzeit, dazu in allen Tagen
Der Kirche höchste Sorge zu tragen;
Denn darin läg' allein das Heil.
Wankte die Liebe nur ein Teil,
Oder schliefe der Hüter der Herde,
Dann drohe aller Welt Gefährde.
So sprach er und so starb der Hehre.
O mög' uns nützen seine Lehre!

Silvester, 31. Dez. 335. Passional II. S. 62.


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