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Anastasia

Anastasia hochgesinnt
War eines reichen Römers Kind,
Der Prätextatus war genannt,
Die Mutter Flavia. Zugewandt
Den Heidengöttern war der Vater.
Doch Flavia und deren Berater,
Der heilige Chrysogonus,
Führten die Tochter zum Heilesgenuß.

Sie wurde Publius, dem Heiden, vermählt;
Doch von der Liebe zu Gott gequält,
Hielt sie sich ihm fern und gab ihr Gut
Alles den Armen mit hohem Mut.
Mit schlechten Kleidern angethan,
Nahm sie sich aller Niedrigen an.

Nach ihres Gatten Tod
Begleitete sie durch alle Not
Den heiligen Chrysogonus
Nach Aquileia, wo er zum Schluß
Als Märtyrer enthauptet ward.

Sie ließ drum nicht von ihrer Art.
Drei Maide hatte sie bei sich,
Schön und jung, doch züchtiglich.
Ein mächtiger Herr warf sein Begehren
Auf diese, die sich wollten wehren.
Er sperrte sie in die Küche ein
Und ging dann frech zu ihnen hinein.
Doch da verwirrte Gott so sehr
Ihm seinen Sinn, daß er nicht mehr
Die Mädchen schaute, sondern da
Die Kessel und Pfannen für lebend ansah,
Und sie umarmte und küßte. Voll Ruß
Ward ihm Gesicht und Gewand zum Schluß.
So ging er zu Hof und auf die Straße
Und ward geschändet in solchem Maße,
Daß er der argen Zauberei
Die Frau'n anklagte alle drei.
Man ließ sie also töten.

Anastasien wollte man nöten,
Den Göttern zu opfern und das Weib
Eines Ritters zu werden. Doch als ihren Leib
Berühren wollte das Teufelskind,
Da ward er auf der Stelle blind.
Er klagte nun den Göttern sein Leid.
Da ward ihm aber der Bescheid
Durch einen Teufel, der da sprach
Aus einem Götzen, ihm zur Schmach:
»Wohlan, du unser treuer Geselle,
Komm zu uns hinab in die Hölle!
Das soll der Lohn deines Glaubens sein.«
Da fiel er tot hin wie ein Stein.

Man führte sie zu Florus hin,
Dem Statthalter. All dessen Sinn
War auf ihr reiches Gut gewandt.
Er sprach: »Verweigerst du mir deine Hand,
So gieb mir wenigstens dein Gut!
Dein Meister sprach ja mit thörichtem Mut,
Daß ihr der Armut werdet froh.
Thu das; es hilft uns beiden so.«

Die Heilige aber verweigerte dies.
Sie sprach: »Der lieben Armen hieß
Der Herr uns damit Sorge tragen.«

Da ließ der Heide, sie zu plagen,
Die Frau zuerst in den Kerker werfen,
Und mit Hunger die Strafe verschärfen.
Doch blieb ihr Leben ungebrochen,
Denn sie wurde durch acht Wochen
In wunderbarer Weise
Genährt mit Himmelsspeise.

Die heilige Theodota
Erschien und tröstete sie da,
Sie, die einst ihre Freundin war
In Liebeswerken, in Gefahr.
Sie war's, die rettend sie ergriff,
Als man in einem lecken Schiff
Die Heilige wollte ertränken
Mit Uebelthätern, sie zu kränken,

Sie wurde darauf in ein Inselland
Mit anderen Christenfrauen versandt.
Doch damit war es nicht genug:
Mit starken Banden schlug
Man sie an einen Pfahl
Und verbrannte sie zumal.
Mit anderen, ihr an Mute gleich,
Ging sie so ein zum Himmelreich;
Ein Beispiel edlen Frauen,
Auf Gott nur zu vertrauen.

Anastasia, 25. Dez. 304. Passional II. S. 31.


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