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Thomas.
Tod der heiligen drei Könige

Thomas, der Zwölfbote Gottes,
Ein männlicher Kämpe seines Gebotes,
Der »Zwilling« genannt, in Tugend bewährt,
Wurde sonderlich belehrt,
An die Auferstehung zu glauben,
Denn Christus wollte ihm erlauben
Seine Wunden zu berühren,
Um zu bannen nach Gebühren
Allen zweifelhaften Wahn.
So hat auch Thomas, wie wir sah'n,
Bei Mariens Himmelfahrt
Ein Zeugnis gar besonderer Art
Erhalten, daß er fest daran
Glaube. Dieser Gottesmann
Predigte das Gotteswort
In den Landen hier und dort
Nach unseres Herren Auffahrt.
Jesus Christus selber ward
Ihm einst sichtbar, als der Gute
In der Stadt Cäsarea ruhte.
Ihm kündete der Hoheitvolle,
Daß er nach Indien ziehen solle.
Ein Fürst, Abanes genannt,
Von König Gundophor gesandt
Aus Indien, kam eben hin
Und suchte einen Meister für ihn,
Der einen Palast ihm baue zum Preise,
Mit aller Kunst nach römischer Weise.
So sprach er auf dem Markt, zur Zeit,
Da Christus in sterblicher Menschen Kleid
Dem Thomas erschien.
Da trat Jesus zum Fürsten hin
Und sprach: »Hier ist mein Knecht
Thomas, der weise und gerecht
Deines Herren Willen thut.
Er ist getreu und gut.
Den leihe ich dir zu dieser Frist,
Weil er des Werkes Meister ist,
Also daß du mit Ehren
Ihn lassest wiederkehren!«

Abanes voller Freude nahm
Den Thomas gleich mit sich und kam
Zum Schiffe hin. Auf dieser Fahrt
Gar viel von ihnen gesprochen ward.
»Ei«, sagte Abanes, »wer ist der,
Der dich mit mir sandte her?
Er zog mein Herz gewaltig nach.«
Der heilige Meister Thomas sprach:
»Er ist auch ein gewaltiger Herr;
Bald hörest du von ihm noch mehr.«

Zu einem Hafen kamen sie.
Des Landes König hatte hie
Seine schöne Tochter eben
Einem Herrn zur Ehe gegeben.
Man lud zur Hochzeit allgemein
Auch Abanes und Thomas ein.
Nun sang dort eine Sängerin
Von jüdischem Stamm mit weisem Sinn
Zur Hochzeit manchen schönen Sang.
Als sie nun auch ihr Lied erschwang
Zum Lobe Gottes, des guten, des einen,
Entzückte der Sang so sehr den reinen
Apostel, daß er vergaß das Essen.
Ein böser Schenke gar vermessen
Gab ihm einen Backenschlag zum Spott.
Da sagte Thomas: »Beim ewigen Gott,
Ich gäbe dir gerne, wie mein Herr
Befahl, die andere Wange her
Zum zweiten Streich; doch sagt mir mein Geist,
Daß deine Hand, die du so dreist
Nach mir erhobst, von einem Hunde
Wird hergetragen noch vor einer Stunde.
Und keiner wird hier eh aufstehn,
Bevor er dieses habe gesehn.«
Lachend lief zum Brunnen der Schenke,
Dort zu holen frisches Getränke.
Da kam ein Löwe, der ihn zerbiß.
Den Leichnam benagten die Hunde. Da riß
Ein schwarzer Hund die rechte Hand
Vom Leib und kam damit gerannt
Zum Saal zu aller Gäste Grauen,
Die Gottes Rache konnten schauen.

Man brachte den Thomas, den heiligen Mann
Vor Bräutigam und Braut sodann,
Daß der Gottesholde
Sie beide segnen sollte.
Das Paar war nun entschlafen kaum,
Da erschien beiden derselbe Traum,
Der zeigte ihnen das Himmelreich
Mit dem König der Könige allzugleich,
Des heiligen Thomas heiligen Herrn.
Nun glaubten sie der Lehre gern
Des guten Boten, und all ihr Verlangen
War es, der Engel Schatz zu erlangen.
Sie erwählten heiliges Christenleben.
Die Taufe wurde ihnen gegeben.
Die Braut, Pelagia genannt,
Ging in ein Kloster unverwandt
Mit ihren Jungfrauen; ihr Blut
Vergoß sie drauf mit Märtyrermut.
Der Bräutigam Dionysius
Ward noch Bischof zum Schluß
Und endete seliglich sein Leben,
Das ihm von Gott war gegeben.

Thomas und Fürst Abanes
Fuhren zu Schiffe unterdes
Zum Inderkönig Gundophor.
Der setzte gleich der Arbeit vor
Den fremden Meister; nach seinen Pflichten
Bat er ihn, bald das Werk zu verrichten
Und nichts am prächtigen Bau zu sparen;
Er müsse indes von dannen fahren.

Dieweil nun der König außen blieb,
Der heilige Thomas sein Werk betrieb,
Indem er also baute,
Wie der ihm wohl zutraute,
Der ihn hatte hieher gesandt.
Sein Bauen war darauf gewandt,
Daß er nach seines Herrn Gebot
Die Leute weisete zu Gott.
So predigte er und lehrte,
Bis daß er viel bekehrte
Der Leute in dem Lande.
Wen er als arm erkannte,
Und doch dabei wohlgemut,
Dem teilte er lieblich mit das Gut,
Das ihm der König hatte vertraut.
So ward durch seine Güte gebaut
Ein Palast dem guten Gotte,
Eine Burg wider die Höllenrotte,
Die sich täglich mehrte,
Weil er auch an sie kehrte
Allen Fleiß, so hier wie dort,
Wie es vorschrieb Gottes Wort.

Als der König zurückkam,
Und des Thomas Thun vernahm,
Ließ er ihn und Abanes dazu
In den Kerker werfen im Nu,
Weil sie so schändlich sein Vertrauen
Betrogen hätten, und, statt zu bauen,
Alles Geld verschwendet hätten.
Während sie schmachteten in Ketten,
Vom grausamsten Tode bedroht,
Raffte ein schneller Tod
Den jüngeren Bruder des Königs hin.
Doch welch ein Wunder! Er erschien
Am vierten Tage wieder lebend.
Ihn schauten vor Entsetzen bebend
Die Leute aus dem Grab erstehen.
Man sah ihn zum Könige gehen;
Dort sprach er: »Erschrick vor mir nicht!
Ich lebe und bin kein täuschend Gesicht.
Doch künd ich dir in Treuen da,
Was ich im Himmel hörte und sah.
Ein heiliger Mann ist dein Gast,
Den du in den Kerker geworfen hast;
Er steht in Ehren beim höchsten Gotte.
Manch engelischer Bote
Dient ihm. Ich habe auch gesehn
Den Bau, der durch ihn ist geschehn.
Ein Engel war es, der mir wies
Im wonnevollen Paradies
Einen Palast so reich und rein,
Von Gold und leuchtendem Gestein,
Daß all der Erde höchstes Gut
Gegen ihn ist Armut.
Wie glücklich wär ich, so rief ich aus,
Wär ich nur Pförtner an diesem Haus!
Da sprachen die Engel zu mir:
Die ganze Burg gewinnst du dir
Gar leicht, kaufst du dem Bruder ab
Das Schloß, wofür er viel Geld hergab,
Was ihn doch reut, da sein thörichter Mut
Wähnt, er habe verloren das Gut.
Willst du dafür das deine geben,
Schickt Gott dich gern zurück ins Leben.
Ja, rief ich da mit frohem Mut,
Gern geb ich dafür all mein Gut.«

Von dieser Rede ergriffen, lief
Der König selbst zum Kerker, rief
Den heiligen Mann heraus und bat,
Daß er ihm vergebe, was er that.
Er ließ sich samt dem Bruder taufen,
Wollte auch nicht den Palast verkaufen,
Den ihm Thomas im Himmel gebaut.
»Nein«, sprach er, »lieber Bruder traut,
Laß dir von ihm einen zweiten bauen;
Du magst wohl seiner Kunst vertrauen!«

Thomas, der heilige Bote,
Predigte nun vom wahren Gotte,
Der auf sein Gebet im Donner kam
Und alles Siechtum entnahm
Den Gläubigen und Frommen,
Die zur Taufe waren gekommen.
Thomas stellte darauf
Weise Männer im Lande auf,
Das Volk zu lenken und zu lehren.
Er selber wollte von dannen kehren.

Man sagt von Thomas auch die Märe,
Daß er noch gekommen wäre
In der drei heiligen Könige Land,
Die er allda noch lebend fand.
Dort war schon längst die frohe Kunde
Vom Stern und Kind in aller Munde.
So sah in einem Heidenhain
Thomas auch dort einen Stein
Mit einem Stern und Kind. Er fragte,
Was dies bedeute, und man sagte
Ihm von den Königen, den dreien,
Wie sie zurückgekommen seien.
Voll Freude eilte Thomas fort
Und fand sie noch am Leben dort.
Er taufte die Herren und sagte an,
Was jenes Kindlein alles gethan,
Zu dem sie einst der Stern geleitet.
So wurde mächtig ausgebreitet
Das Christentum in diesem Land.
Die Könige fuhren mit Thomas zuhand
Nach dem Berg Vaus, da wo ihnen
Der Stern vor Zeiten war erschienen,
Wo an der hoch geweihten Stelle
Schon längst stand eine Kapelle.
Die weihte Thomas zu Christi Ehren,
Das Volk da völlig zu bekehren.

Sankt Thomas der Gottesstreiter
Zog von dannen noch weiter
Nach Meliapur in India.
Ein böser Fürst herrschte allda;
Carisius war sein Nam'.
Mygdonia, sein Weib, vernahm
Jedoch mit Eifer die heilige Lehre
Und kehrte ihr Leben zu Reinheit und Ehre.
Den Fürsten aber ärgerte das;
Er warf auf Thomas großen Haß
Und ließ ihn in den Kerker legen.
Er ging darauf seinetwegen
Zum Könige des Landes hin,
Dessen Gattin von edlem Sinn
Eine Schwester Mygdonias war,
Und bat ihn: »Zu wenden die Gefahr,
Laß deine Gattin zu meiner gehen;
Vielleicht mag es durch sie geschehen,
Daß ihre Schwester den Irrtum bereue.«
Doch als die Königin die treue
Mygdonia sah und dazu hörte
Die Lehre, die der Gefangene lehrte,
Ward sie auch von der Wahrheit durchdrungen.

Der König, von wildem Zorn bezwungen,
Ließ nun Thomas vor sich her
Bringen, fluchte ihm gar schwer
Und zwang ihn, auf glühendes Eisen zu schreiten.
Doch es entsprang zu gleichen Zeiten
Ein Born und kühlte das heiße Eisen,
Des Mannes Heiligkeit zu erweisen.
Es ward ihm nun mit schnellem Tod
Im brennenden Feuerofen gedroht.
Das Feuer schlug ob ihm zusammen,
Doch keinen Schaden thaten die Flammen,
Dieweil ein Himmelsengel kam
Und alle Hitze ganz benahm.

Nun wollte auf des Carisius Dringen
Der König den Heiligen zwingen,
Dem Sonnengotte Opfer zu bringen.
Jedoch das Götzenbild zerbrach,
Als Thomas Gottes Namen sprach.
Der Kühne setzte nach heiligem Rat
Ein hohes Kreuz an dessen Statt.
Die Heidenpriester, von Haß verzehrt,
Liefen da her und schlugen mit Schwert
Und Lanze den Gotteshelden tot.
So fuhr Thomas aus aller Not
In einem Kleide blutig rot
Hin zum lieben Herren sein
In der ewigen Sonne Schein,
Der mit der reinen Minne Wein
Dem edlen Boten entgegen ging
Und ihn mit seligem Gruß empfing.

Um Thomas' Leib erhub sich ein Streit,
Bis daß die Guten der Bösen Neid
Überwanden. Da nahmen die Flucht
Der König und der Fürst. Mit Zucht
Und Ehren ward Thomas begraben.
Nach anderthalb hundert Jahren haben
Sie seinen Leichnam wohl bedacht
In die gute Stadt Edessa gebracht.
Das war, als Alexander Sever
Die Perser besiegte. Dem Begehr
Der Christen war der Kaiser hold,
Der ihnen lange hatte gegrollt.
Vielleicht war Jesu Brief der Grund;
Der war noch dort zu jener Stund'.

Als Thomas gestorben war, da kamen
Die heil'gen drei Könige in Gottes Namen
Mit Priestern und Bischöfen weit und breit,
Die Sankt Thomas hatte geweiht,
Zusammen und hielten einen Rat,
Daß nicht verderbe die gute Saat.
Sie wählten einen ehrwürdigen Mann,
Der dem heiligen Thomas war unterthan
Und ihm gefolgt war treu und rein,
Daß er sein Nachfolger sollte sein.
Antiochus war er genannt;
Sein Name wurde umgewandt
In Thomas, und so heißen sie
Auch alle, die in der Folge hie
Als Patriarchen von India
Regieren in dem Lande da.
Der sollte dort herrschen in geistlichen Sachen.
Zum weltlichen Nachfolger aber machen
Die heiligen Könige einen Mann,
Der Priester Johannes fortan
Stets wird geheißen; denn seine Ehren
Sind gleichfalls priesterlich. Viele Mären
Sind, die von ihm zu sagen wären.
Als sie nun hatten alles bestellt,
Da starben sie, in Treue gesellt,
Im selben Jahre. Hoch erhaben
Wurden sie in der Stadt Stulla begraben,
Die am Fuß des Berges Vaus lag.
Hundert Jahre und manchen Tag
Wurde ihrer jeder alt,
Sie hatten im Tode noch Wundergewalt.

Sankt Helena schaffte sie
Drauf nach Konstantinopel hie.
Von dort wurden sie nach Mailand genommen
Und sind zuletzt nach Köln gekommen.
Darum steht auch noch unverwandt
Daselbst über dem deutschen Land
Der Weihnachtsstern ob ihren Leichen.
Mög' er doch nie von dannen weichen!

Thomas, 21. Dez. Den Tod der hl. drei Könige setzt man in den Januar 54. Passional S. 244 f. Nach den Akten (Lipsius I. 225 ff.) wird Thomas, da er sich weigert, dem Lose folgend nach Indien zu gehen, von dem Herrn als Sklave an den indischen Kaufmann Abbanes verkauft. Der Bruder des Königs Gundophorus heißt Gad. Gondophares ist historisch, erscheint auf parthisch-indischen Münzen (Hyndopheres, Gudapharasa); ist um 80 n. Chr. gestorben, nach Gutschmied allerdings früher. Derselbe vermutet in ihm den Kaspar, einen der heiligen drei Könige (Gaspard, Gathaspa, Godaphar).


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