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Die Flucht nach Aegypten

Als vor Herodes' grimmem Drohen
Die Eltern nach Aegypten flohen
Mit ihrem gottgesandten Kind,
Durch Berg und Klüfte, Nacht und Wind,
Da konnten Schlangen, Löwen, Drachen
Den Heiligen keinen Schaden machen,
Denn das Kind gab seinen Segen
Den wilden Tieren entgegen,
Daß sie entwichen
Und hinwegstrichen.
Und weiter ging es durch's Gefilde
Und durch der Wüste Wilde.
Wer darüber wollte kommen,
Manchem ward allda benommen
Sein Gut und auch sein Leben.

In einem Wald daneben
Zwölf Gesellen saßen,
Die auf diesen Straßen
Viel des Mordes begingen.
Sie erschlugen und fingen,
Was ihnen entgegen kam.
Jeder nach der Reihe nahm
Die Beute Tag für Tag:
Das war die Sitte, deren man da pflag.

Die Räuber fielen Joseph an.
Da trat derselbe Räubersmann,
Dem am selben Tage heute
Zugehörte die ganze Beute,
Hinzu und sah das heilige Kind
So wunderselig hold und lind,
Das in der Mutter Schoße lag,
Und ward gewahr, wie es pflag
Ihn gar lieblich anzusehen.
Er hörte nicht auf, nach dem Kinde zu spähen,
Deß Antlitz umgab ein heller Schein.
Die falkenlichten Aeugelein
Spielten in dem Haupte gar
So lauter und so klar.

Und der wunderreiche Gott,
Der nach seinem Gebot
In der Wüste aus hartem Stein
Einst Wasser weckte hell und rein,
Erweichte nun durch seine Güte
Ein felsenhart Gemüte.
Er ließ die Wand'rer frei hinzieh'n.

Der Strahl der Gnade traf auch ihn,
Als nach Jahren der Verbrecher
Hing als armer Schächer
Neben Christi Kreuz. Der wies
Den Dismas in das Paradies.

Die Flucht nach Aegypten. Passional S. 27.


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