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Cypyrianus und Justina

Groß ist des Höllenzaubers Stärke;
Doch Reinheit wirkt noch größere Werke.

Justina hieß eine schöne Maid.
Sie lebte zu Diocletians Zeit
In Antiochien, reich an Tugend;
Doch war sie noch in ihrer Jugend
So wie ihr Vater ganz ergeben
Dem heidnischen Glauben und heidnischen Leben.

Es wohnte neben ihrem Hause
Ein Diakon in schlichter Klause,
Prelius genannt. Es kamen
Die Neubekehrten hin und nahmen
Von ihm die Lehre. Diesem hörte
Dereinst Justina zu und kehrte
Sich alsogleich der Wahrheit zu.

Zum Vater lief sie hin im Nu,
Und Dusius, so hieß der alte
Götzenpriester, warf die kalte
Verruchte Heidenlehre hin.
Bischof Optatus taufte ihn,
Und all sein Haus nahm Christum an.

Nun war auch dort ein junger Mann,
Aglaidius war er genannt.
Der hatte seine Gedanken gewandt
Auf Justina, die keusche Maid.
Sie war ihm lieb, er war ihr leid.

Um sie nun doch zu seinen Minnen
Mit bösen Listen zu gewinnen,
Ging er zum Zauberer Cyprian.
Gar sehr berühmt war dieser Mann
In Zauberei, Wahrsagerei
Und aller Zeichendeuterei.
Am Berg Olympus, in Chaldäa,
Aegypten, Indien und Judäa
Erlernt' er alle Höllenkunst.
Der sollte nun Justinas Gunst
Jenem Jünglinge erzwingen.
Und er versprichts. Doch selbst erringen
Wollt' er sich nun die schöne Braut,
Als er sie nur einmal geschaut.

Er bannte einen Teufel herbei
Kraft seiner Kunst, daß er ihm sei
Ein Helfer bei der schönen Magd.
Doch der entfloh sogleich verzagt,
Als er Justinen beten sah.

Einen zweiten schickte da
Der junge Zaubermeister hin.
Auch der vergaß allen Gewinn,
Als er die Jungfrau ihm entgegen
Sich hüten sah mit dem Kreuzessegen.

Nun rief der tolle Cyprian
Einen Teufelfürsten heran.
Der Fürstenteufel verwandelte sich
In eine Dirne säuberlich
Und kam zu Justinen und that,
Als ob ihr Not wär guter Rat.
Sie sprach: »Wie gerne folgt ich dir
Und wahrte treu der Keuschheit Zier,
Doch irret mich ein Wort der Schrift,
Das uns als ein Gebot betrifft.
Gott spricht zu allen Menschen gleich
Im Anfang: Wachset und mehret euch
Und erfüllet die Erden!
Sollen wir ungehorsam werden
Diesen Worten, so fürcht' ich sehr,
Daß Gott uns zürne.« – Immer mehr
Suchte der Böse die Maid zu kränken
Und Unruh' in ihr Herz zu senken,
So daß sich schon in ihrem Blut
Erhob verführerische Glut.
Doch da erkannte sie noch bei Zeit
Den argen Teufel mit seinem Neid.
Sie spie ihn an und machte zuhand
Das Kreuzeszeichen, daß er verschwand.

In seinem Grimm versuchte er
Ein andres Mittel. Er ging her
Und ließ in der Stadt eine Pest erstehn
Und dies Orakel dann ergehn
Durch der Lügengötter Mund:
»Nicht eher werdet ihr gesund,
Bevor Justina nicht zum Mann
Nimmt den weisen Cyprian!«

Die Heidenschaft wollte die Jungfrau zwingen;
Doch ihr Gebet ließ ihr erringen
Bei Gott die Gabe, daß sie den heilte,
Der bittend an ihrer Schwelle weilte.

Dem Teufel ward da übler als je.
Weil alle List zerfiel so jäh,
Nahm er nun selber die Gestalt
Der Jungfrau an und kam alsbald
Zu Cyprian. Der Thor, er dachte,
Daß ihm das Glück der Liebe lachte.
Er wollte sie begrüßen und
Umarmen; doch da seinem Mund
Der Dame Justina kaum entfloh,
Verschwand das Bild. Gott wollte so
Die Ehre der Maid nicht schänden lassen.
Vor Grimm vermochte sich kaum zu fassen
Der Zauberer und schalt den Geist;
»Nun sag mir an, wenn du es weißt,
Was unsere Kunst verderben macht?«

Der Teufel sprach gar wohlbedacht:
»Gern will ich dir das künden; doch
Schwöre mir zuvörderst noch,
Daß du dich nimmer wollest kehren
Von uns und von der Heiden Lehren!«
Cyprianus schwor. Da sprach der Geist:
»Die Jungfrau spottet unser dreist
Durch des Kreuzeszeichens Gewalt.«

Cyprianus rief: »Ist es dergestalt,
Daß der gekreuzigte Christ
Gewaltiger wäre, als du bist,
So will ich deinem Spotte
Widersagen und dem Gotte
Des Kreuzes folgen immerzu!«

»Nein«, rief der Teufel, »Nein, denn du
Hast mir geschworen festen Eid,
Daß du in ganzer Stetigkeit
Dich ergebest meinem Walten!«

Cyprianus ließ sich nicht halten;
Er lief mit Freuden allzuhand
Zum Bischof und verschwor den Tand
Der Hölle in der heiligen Taufe,
Bereit zu neuem Lebenslaufe,
Ganz ungeschreckt von Teufelsränken.
An Gott nur allzeit zu gedenken,
Das ward ihm gar ein Freudenspiel.

Seiner Tugend ward so viel,
Daß er, als jener Bischof starb,
Selber dessen Würde erwarb,
Da ihn das Volk dazu erwählte.

Auch Justina die Heilige hehlte
Ihre Freude nicht. Die Minne
Des Herrn verband nun beider Sinne.
Cyprianus ließ für sie
Ein Frauenkloster bau'n allhie,
Darinnen sie Aebtissin ward.
Weit ward ihr Ruhm geoffenbart.

Doch binnen dieser selben Zeit
Reizte sein alter Neid
Den Teufel auf sie beide.
Eutolmius, ein Heide,
Ward durch der Heidenpfaffen Rat
Bewogen, der beiden fromme That
Mit ihrem Tod zu rächen,
Und so der Christen Macht zu brechen.
Er ließ, um ihre Pein zu schärfen,
Sie in siedendes Pech gar werfen.
Jedoch es schadete ihnen nicht.
Ein alter Zauberer, ein Wicht,
Lief da herzu und wollte
Den Zauber bannen. Mächtig tollte
Er um den Kessel, und rief dann
Die Götter allzusammen an.
Da fuhr ein Feuer aus der Pfanne,
Zum Tod dem argen Heidenmanne.

Dadurch erschreckt, ließ man sodann
Justinen und Cyprian
Zum Kaiser bringen, der saß dort
Zu Nikomedien. Auf sein Wort
Ließ man der lieblichen Jungfrauen
Und dem Bischof das Haupt abhauen.
Die Leichen lagen unberührt
Dort lang; dann wurden sie geführt
Nach Rom, wo sie in Ehren
Der Gläubigen Andacht mehren.

Cyprian und Justina, 26. Sept. oder 7. Okt. 304. Passional II. S. 491.


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