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Petrus

In jenen Zeiten war ein Mann
Dem Teufel gänzlich unterthan,
Wie ihm auch der Teufel war.
Er nahm der Zauberbücher wahr
Und war ein Meister davon,
Er war genannt Simon.
Die Künste der Nekromantie
Verstand er, wie sonst keiner nie.
Viel Wunder ward von ihm gethan,
Womit er bethörte manchen Mann,
Indem er die Leute blendete
Und sie dahin wendete,
Daß sie das hielten für Wahrheit,
Was er that mit Listigkeit.
Man glaubte, daß er heilig wäre,
Und durch manche Wundermäre
Hielt man ihn für einen Gott,
Der da hätte göttlich Gebot.
Er sprach der Wahrheit Hohn
Und sagte: »Ich bin Gottes Sohn
Und habe jedes Dings Gewalt!
Meine Kraft ist mannigfalt,
Daß mir nichts kann widerstehn.
All mein Wille muß ergehn,
Weil ich die rechte Weisheit bin.
Mein durchsichtiger Sinn
Ergießet sich an allem Ort.
Ich bin das wahre Gotteswort,
Zu Troste in die Welt gesandt.«

Als das Herrn Petrus ward bekannt,
Da hub er sich bald dahin;
Simons teufelhaften Sinn
Machte er offen und bloß,
So daß er dem Volke ganz erschloß
Des Zauberers falsche Lehre.

Zu retten seine Ehre
Sprach Simon also öffentlich:
»Petrus«, sprach er, »höre mich!
Du kannst weiser Rede viel,
Doch an mir findest du dein Ziel.
Ich lasse dich schauen alsobald
Meine göttliche Gewalt,
Was ich kann und was ich bin,
Und will bezwingen deinen Sinn,
Daß du mich noch mußt anbeten
Und ganz in meine Dienste treten,
Wie einem Herren thut sein Knecht;
Das ist billig und recht.
Ich kann in den Lüften fliegen,
Ohne Schaden im Feuer liegen.
Ich kann Brot aus Steinen machen,
Und will beweisen all die Sachen
Vor dem Kaiser selbst zu Rom.
Wenn du mich sehen willst, so komm!
All meine Bücher will ich eh'
Doch werfen in die tiefe See,
Daß niemand glaube, daß ich sie
Bedürfe zur Nekromantie.«

Hin zu Rom er also kam,
Wo Kaiser Nero ihn aufnahm;
Er ward getreulich ihm und hold.
Silber und auch vieles Gold,
Und dazu gar gutes Kleid
War ihm alles da bereit,
Da er mit listigen Sachen
Viel Wunders konnte machen.
Der Kaiser ihn so lieb gewann,
Daß der sinnelose Mann
Wähnte, daß er all sein Leben
Möchte so in Ehre schweben.

Indes war Petrus mit den frommen
Genossen auch nach Rom gekommen
Und goß des heiligen Geistes dort
In manches Herz, wo es sofort
Gute Herberge fand.
Zwei Männer nahm er zuhand:
Linus und Cletus waren
Geheißen die klaren;
Die machte er zu Bischöfen da,
Daß sie fern und nah
Gott wohl damit ehrten
Und den Glauben mehrten
Durch Wort und Werke, Rat und That.
Einer war Bischof in der Stadt,
Der andere außer der Mauer.
Manchen argen Schauer
Mußten die Guten leiden
Durch der Feinde grimmig Neiden.

Nun fügte es sich in dieser Frist,
Daß unser Herre Jesus Christ
Petro sich weisete und sprach:
»Petre, habe gut Gemach
Und lasse alles Fürchten stehn!
Soll auch viel Not über dich gehn,
Doch will ich lösen dich davon.
Nero und Simon,
Die wollen dich beide werfen nieder,
Jedoch ich will dich halten wieder,
Daß dein Rechten wird wohl Recht.
Paulum, meinen lieben Knecht,
Will ich dir morgen lassen kommen,
Den ich dazu hab' angenommen
Und erwählt, daß er sei
Dir in allem Streite bei.
Auch sollst du Clemens, den tadelfreien,
Zu deinem Nachfolger weihen!«

Paulus des andern Tages kam.
Wie war ihr Gruß so minnesam,
Indem sie sich empfingen!
Mit einander sie gingen.
Sie liebten sich, wie nie ein Mann
Seit David und Jonathan.

Simon der Gaukler hatte indessen
Ganz des Kaisers Sinn besessen.
Weil er annahm jede Gestalt
Und zeigte seine Wundergewalt,
Hielt ihn der Kaiser für Gottes Sohn.
Auch schuf dies einst Simon,
Daß man ihm das Haupt abschlage;
Drauf erschien er wieder am dritten Tage
Gesund und heil. Doch Gauklertrug
War alles dieses; denn man schlug
Nur einen Widder tot in Wahrheit.
Ein andermal in voller Klarheit
Zeigte er sich der Volkesschar,
Indes er selbst beim Kaiser war
Im Palaste eng verschlossen.
Aus diesem Grund beschlossen
Die Römer, ihm als Gott zu trauen
Und ihm ein Denkmal aufzubauen.

Petrus, der getreue Bote,
Und Paulus, gesandt von Gotte,
Die lehrten Gottes Lehre.
Nun schuf es ihnen große Schwere,
Daß Simon, des Teufels Knecht,
Trieb so großes Unrecht
Unter einfältigen Schafen.
Was sie auch mochten strafen,
Er verdarb ihnen sehr viel
Durch sein falsches Gaukelspiel.
So traten alle zwei
Vor den Kaiser frei
Und sprachen so ohn' Unterlaß:
»Herre Kaiser, wisse das!
Wir predigen Christum Mensch und Gott.
Doch hat sich so des Teufels Spott
Gezeigt an Simon durch Zauberlist,
Daß dieser Mensch und Teufel ist!«

Da sagte Simon offenbar
Vor dem Kaiser und seiner Schar:
»Wie lange soll ich leiden
Dies Hassen und dies Neiden
Von Petrus mir zu Unfrommen?
Ich will hervor lassen kommen
Meine Engel, die mich rächen
Und Petri List zerbrechen!«

Doch Petrus sprach zum Kaiser hin:
»Hat er göttlichen Sinn,
So sage er meine Gedanken,
Ohne nur zu wanken!
O Herre Kaiser, die will ich
Dir heimlich sagen sicherlich.«

Da ließ Petrus ein Brot vor ihn legen
Und sprach darüber seinen Segen.
Alle Teufelsgaukellist
War umsonst zu dieser Frist.
Simon konnte nicht erraten
Petri Worte und heilige Thaten.

Voll Zorn rief Simon: »Alter Greise,
Sieh, wie ich meine Macht dir weise!
Ich gebiete, daß zwei Rüden
Fressen diesen alten Jüden!«
Kaum war dies Wort aus seinem Munde,
Als man sogleich zwei große Hunde
Allda vor ihnen sah werden,
Die mit grimmen Ungeberden
Auf Petrus wollten springen.
Doch vor diesen Dingen
Hatte er sich gewarnt zuvor,
Sein Brot hub er auf empor,
Darüber das Zeichen des Kreuzes geschehn.
Und kaum ward dieses Brot gesehn
Von jenen großen Hunden,
Da waren sie verschwunden,
Daß man nichts mehr von ihnen sah.
Zum Kaiser sprach Paulus da:
»Nun siehst du seiner Engel Orden;
Sie sind zu Hunden geworden!
Wohl aus der Hölle kamen sie,
Nicht in des Himmels Namen hie.«

Simon, der falscheste Mann,
Mit stetem Fleiß legt' er es an,
Daß er dem heiligen Gottesboten
Strickte manchen leidigen Knoten
Unter dem Volke mannigfalt.
Er sprach, er hätte wohl Gewalt,
Daß er möchte wiedergeben
Einem Toten sein Leben.
Jedoch mit allen Zaubersachen
Konnte er nichts anderes machen,
Als des Toten Haupt zu rühren,
Auf und nieder zu führen,
Während Petrus zur Stund
Den Toten machte wie ehe gesund.
Das Volk wollte den Simon töten;
Doch er entrann nach diesen Nöten.

Marcellus war ein Mann genannt,
Des Herz war Simon zugewandt;
Doch sah man Petrus auch, den frommen,
Oft in Marcellus' Hause kommen.
Als dies Simon wurde kund,
Da band er einen großen Hund
An des Marcellus Haus, daß er
Verhindere Petri Wiederkehr.
Doch Petrus that das Kreuzeszeichen
Über den Hund, ohne zu weichen,
Und löste ihn von seinem Band.
Der rannte, bis er Simon fand,
Warf ihn nieder und riß im Falle
Ihm vom Leib die Kleider alle,
Daß Simon ganz geschändet stand
Und schnell entwich in fremdes Land.
Marcellus aber kehrte
Sich nun an das, was Petrus lehrte,
Und hielt fest am Christentume
Von nun an zu ewigem Ruhme.

Kaum war ein Jahr in seinem Gang
Dahin, da währte es nicht lang,
Daß Simon wieder nach Rom hinkam
Und ihn der Kaiser wieder nahm
In seine Freundschaft wie vorher;
Er war mit ihm fürbaß noch mehr.
Und um ein Ende zu machen
All den schmählichen Sachen,
Die ihn in Schande brachten tief,
Simon das Volk zusammenrief
Und sprach: »Nun höret alle,
Wie euch meine Rede gefalle!
Das merket alle da,
Daß die von Galiläa
Mich mit ihrer Lehre
Betrübten also sehre,
Daß ich die Welt will fürbaß meiden;
Ich mag nicht mehr ihr Neiden leiden.
Um mich vor ihnen zu bewahren,
Will ich auf zum Himmel fahren!«
Als dieses hörten Mann und Frauen,
Eilten alle hin, zu schauen
Des großen Zauberers Himmelfahrt.
Als nun die rechte Zeit ward,
Simon auf einen Turm kam,
Wo ihn das Volk wohl vernahm,
Und stellte sich darauf hoch empor.
Der Kaiser kam selbst aus der Burg hervor.
Petrus und Paulus schauten auch
Des Zauberers wunderlichen Brauch.
Der trug gar stolz einen Lorbeerkranz
Und schwang sich in die Lüfte ganz,
Und flog umher zu aller Staunen.
Da fing Paulus an zu raunen:
»O Petrus, säume dich nicht mehr
Und wehre dem bösen Zauberer!
Mein Amt ist, daß ich soll beten;
So sollst du Gottes Macht vertreten.
Der Kaiser sieht uns spöttisch an.«

Da sprach Petrus, der gute Mann,
In Gottes Namen dieses Wort:
»Ihr Teufel in den Lüften dort,
Ihr Engel von Sathana,
Weichet von dem Menschen da!«
Kaum war dies Wort gesprochen,
Fiel Simon aus der Luft. Zerbrochen
War all sein Leib. Da lag er tot.
Das schuf den Aposteln neue Not.

Der üble Kaiser Nero
Ward der Geschichte gar unfroh,
Daß er den künstereichen Mann
Also verlor. Hart fuhr er an
Die guten Boten, ließ sie ergreifen
Und zum mamertinischen Kerker schleifen
Durch Paulinus. Sie wurden dort
Behütet an diesem Ort
Durch Processus und Martinian;
Die beiden Krieger lobesan
Wandten ihr Gemüte
Durch der Apostel Güte,
Daß sie zum Christenglauben traten,
Den Kerker aufthaten
Und beide Apostel ließen frei.
Nur ungern ließ sich Petrus herbei
Fort zu fliehen. Doch als er hin
Vors Stadtthor kam in trübem Sinn,
So sieht er Christum gegen ihn gehn.
Wie freut er sich, ihn hier zu sehn!
Er sprach ihm gütlich zu:
»O Herre mein, wohin willst du?«
»Ich komme nach Rom,« sprach der Herr der Erden,
»Zum zweiten Mal gekreuzigt zu werden.«
Da erkannte Petrus wohl,
Was diese Rede bedeuten soll.
Er kehrte in den Kerker wieder
Und sprach zu den Seinen: »Liebe Brüder,
Die Zeit ist jetzt gekommen,
Daß mir werde hie genommen
Mit der Marter mein Leben.
Gott will mir dort sein Reich geben.«

Darnach in kurzen Stunden
Ward Petrus gebunden
Und vor einen Fürsten gebracht,
Der ihm Übles hatte zugedacht.
Er trug auf ihn auch großen Zorn,
Da er hatte verlor'n
Seine Buhle durch Petri Lehren.
Agrippa hieß der Fürst; den hehren
Apostel schalt er, daß seine Märe
Die Frauen zur Keuschheit kehre
Und sie ihre Buhlen ließe verschmähen.
Da ließ man das Urteil ergehen,
Daß Petrus am Kreuze sterbe,
Paulus aber durchs Schwert verderbe.
Des freuten sich die Juden und Heiden.
Da ging es beiden an ein Scheiden,
Daß ihre Herzen wollten brechen.
Sie konnten kaum sprechen,
Nicht aus Todesfurcht, o nein,
Die Liebe wirkt es, daß den zwein
Die Thränen kamen inniglich.
Sie küßten sich gar minniglich
Und nahmen Abschied. Viel der Thränen
Vergoß der Jünger Schar, die jenen
Verdankten ihre Seligkeit,
Die Rettung aus der Sünden Leid.

Da Petrus nun sein Kreuz erst sah,
Mit großer Freude sprach er da:
»Christus, mein Herr, ist uns zu frommen
Hernieder von dem Himmel gekommen,
Wohin ich auch kommen soll.
Hing er, der Gott, am Kreuze wohl,
So muß auch ich dran hangen,
Soll ich zum Himmel gelangen
Und von der Erde kommen,
Von der ich Ursprung hab' genommen.
Auf ihr soll denn mein Haupt auch stehen
Und über das Haupt die Füße gehen;
Drum sollt ihr mir das Kreuz umkehren,
Denn ich bin unwert gleicher Ehren.«

Indessen wollten die Jünger alle
Den Kaiser und den Vogt mit Schalle
Ertöten, zürnend diesen Bösen,
Und dadurch Petrum erlösen.
»Nein,« sprach Petrus, »bei Gott,
Irret nicht meinen Tod!
Laßt mich zum lieben Herren mein!«
Da ließ das Volk den Aufruhr sein.
Eh' Petrus starb, da konnte man sehen
Viel schöne Engel bei ihm stehen,
Die hatten Kränze von Lilien und Rosen.
Sie führten Petri Seele mit Kosen
Christo zu in das ewige Land.
Der kam ihm entgegen, ein Buch in der Hand,
Und empfing seine Seele zum ewigen Leben.
Ihm ward mit Freuden dort gegeben
Im Himmelreiche alles Gut.

Zwei Brüder hochgemut,
Apuleius und Marcell,
Kamen ohne Furcht zur Stell',
Nahmen seinen Leichnam ab
Und legten ihn darnach in ein Grab.

Petrus † 29. Juni 67. Passional S. 167 f. Lipsius, die apokryphen Apostelgeschichten II, 1. Die älteste Tradition läßt Petrus mit seinem Bruder Andreas in Pontus wirken. Der Vater des von Petrus auferweckten Jünglings, den Simon nicht aufwecken kann, ist Pudens der Senator, in dessen Haus auf dem Viminal Petrus gastliche Aufnahme gefunden hat. Petrus setzt den Linus zum stellvertretenden Bischof in Rom ein, unternimmt dann weitere Reisen nach Terracina, Sirmium, Karthago, Aegypten, Afrika, Mailand, Britannien. Sein Weib war die Tochter des Aristobul, des Bruders des Apostels Barnabas. Nachdem Linus in der Verfolgung des Jahres 64 gestorben ist, setzt Petrus den Clemens zu seinem Nachfolger ein. Petri Todesstätte auf dem Vatikan ist durch eine Terebinthe, die des Paulus an der Straße nach Ostia durch eine Fichte bezeichnet. Der Stein an der Via sacra, auf den Simon im Todessturz auffiel, wurde noch im Mittelalter gezeigt.


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