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Petri Stuhlfeier

Gen Antiochia aber kehrte
Petrus zuerst und lehrte.
Jedoch der Vogt in diesem Land,
Theophilus, zornentbrannt,
Mit seiner Lehre unzufrieden,
Ließ in den Kerker schmieden
Den guten Mann, und er verbot,
Daß weder Wasser noch Brot
Man ihm sollte tragen.
Petrus wollte schon verzagen,
Da rief ihm eine Engelsstimme zu:
»O Petrus, Petrus, wähnest du,
Daß dein vergesse Gottes Gemüte?
Verzweifle nicht an seiner Güte;
Er hilft dir noch zu rechter Zeit,
Er ist in höchster Not bereit!«

Die Hilfe kam denn auch zur Stund'.
Es wurde Sankt Paulo kund,
Daß Petrus gefangen lag;
Darob er sehr erschrak,
Denn er war zu dieser Frist
Kein Christenfeind mehr, nein, ein Christ.
Er fuhr nach Antiochien geschwind
Und ward Theophilus' Ingesind.
Er fand Petrus beinahe tot.
Da hub sich Jammer und Not
In seinem getreuen Herzen
Um seines Freundes Schmerzen,
Der nah' schon war dem Lebensziel.
Um seinen Hals er ihm fiel:
»O Petrus, lieber Bruder mein,
Du der Welt wonniglicher Schein,
Du Wahrer reiner Lehre,
Du meine Freude, meine Ehre,
Mein Vater du zu aller Frist,
Meine halbe Seele du bist;
O sprich zu mir ein einzig Wort!«

Als Petrus dies vernahm, sofort
Schlug er die Augen auf zum Munde,
Der ihm brachte so freundliche Kunde.
Er erkannte, daß es Paulus wär';
Doch war sein Herz zu schwer;
Er konnte nicht sprechen, konnte nur weinen;
Daran ließ er wohl erscheinen
Seinen freundlichen Sinn.

Da Paulus dies sah, ging er hin
Und holte Wasser zur Stund',
Goß es in seinen heiligen Mund,
Davon er wieder Starke nahm.
Kaum daß Petrus zu sich kam,
Da drückte er Paulum an sich.
Sie halsten sich gar minniglich
Und weinten noch sehr.

Doch Paulus dachte nunmehr,
Wie er ihn lösete gar klug.
Er suchte rechten Fug,
Zum Fürsten hinzukommen,
Und sprach so, ihm zum Frommen:
»O Theophilus, Herre gut,
Verdenke es nicht meinem Mut,
Daß ich mit dir will reden,
Nicht um dich zu befehden!
Warum willst du deine Ehre schwächen
Und dich an Unschuldigen rächen,
Wie Petrus ist, der gute Mann,
Der schon so vielen wohlgethan?«
Da sprach Theophilus: »Wohlan,
Hat er so vielen Hilfe gethan,
So schenke er mir auch meinen Sohn,
Der gestern starb; im Grabe schon
Liegt er. Giebt er ihm das Leben,
Will ich ihm auch die Freiheit geben.«

Was dieser wünschte, das geschah.
So ward Theophilus allda
Mit Antiochien dem Land
Dem Christenglauben zugewandt.
Ein Münster bauete man Gott
Und sprach den alten Göttern Spott.
Man stellte einen Stuhl hinein,
Drin Petrus sitzend klar und rein
Die Lehre lehrte sieben Jahr.
Darum beging man auch fürwahr
Das Fest in Antiochia,
Das heißet » Petri Kathedra«.
Es ist in jedem Christenland
Als »Petri Stuhlfeier« bekannt.
Ein Heidenfest war es vorher,
Nun dient der Tag zu Petrus' Ehr'.

Petri Stuhlfeier, 22. Febr. Passional S. 164.


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