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Dorothea

Ein Sang, gewebt aus Rosenduft
Und Lilienglanz und Himmelsluft,
Hebt sich aus Marter, Blut und Tod,
Verklärend alle Erdennot.

Ein römischer Senator war
Dorus genannt, der Christenschar
Getreulich zugethan; sein Weib
Hieß Thea; ihrem holden Leib
Entsprossen holde Töchter: Christe
Die ältere und dann Calliste.
Die Gatten, reich und edel, floh'n
Vor der Verfolgung blutigem Droh'n
Nach Kappadocien. Frau Thea
Gebar daselbst in Cäsarea
Noch eine Tochter Dorothea.
Heimlich getauft vom Bischof dort,
Erwuchs die holde Maid, ein Hort
Der Schönheit, Frömmigkeit und Zucht,
Des heiligen Geistes köstlichste Frucht.

Der böse Dämon kündete
Ihr Fehde und entzündete
Des Landpflegers Fabricius
Gemüt, daß er nach dem Genuß
Der Jungfrau warb mit allen Sinnen;
Doch nimmer konnt' er sie gewinnen.
Da drohte er, sie zu erschrecken,
Ihren Glauben aufzudecken.
Doch sie bekannte öffentlich
Ihr Christentum. Weh', nun sah sich
Fabricius gezwungen, sie
Vor sein Gericht zu laden. Nie
Vergaß sie da der Pflicht; so groß
War dort ihr Mut! Man übergoß
Mit siedendem Oel sie allenthalben;
Ihr war's, als würde man sie salben
Mit lindem Balsam. Als die Heiden
Dies Wunder sehen, da entscheiden
Sich viele für den wahren Christ.

Fabricius ließ nach kurzer Frist
Dorotheen wieder kommen
Und befahl der guten Frommen,
Apollos Standbild anzubeten.
Sie weigert sich, vor ihn zu treten.
Auf ihr Gebet kam auf einmal
Vom Himmel her ein Donnerstrahl,
Der all das Bild vernichtete.
Der Heidenpöbel flüchtete;
Doch viele drängten sich als Zeugen
Heran, der Wahrheit sich zu beugen
Im Martertode. Ganz zerschunden
Ward Dorothea voll von Wunden
Zum Kerker wiederum gebracht;
Gott heilte sie in einer Nacht.

Fabricius, des Mitleids voll,
Ließ sie mit eifersüchtigem Groll
Zu ihren beiden Schwestern bringen.
Die waren aus Furcht vor ärgeren Dingen
Vom Glauben abgefallen.
Sie sollten nun mit allen
Versuchungen die Schwester auch
Abwendig machen christlichem Brauch.
Jedoch das Gegenteil geschah.
So innig konnte Dorothea
Die Süßigkeit göttlicher Liebe preisen,
Daß jene strebten, sich kühn zu erweisen,
Und so die Märtyrerkrone erwarben,
Indem sie der Welt im Feuer erstarben.

Dorothea aber sagt
Zum Richter: »Ach, wie lange zagt
Dein Mund, das Urteil mir zu sprechen
Und über mein Leben den Stab zu brechen!
Schon längst verlangt mich, zu meinem zarten
Liebsten zu kommen, in dessen Garten
Rosen und Aepfel zu pflücken und
Mich ewig zu laben mit ihm im Bund!«

Zum Tod schickt sie Fabricius;
Jedoch der Jüngling Theophilus,
Des Richters Schreiber, der alldort
Vernommen hatte der Jungfrau Wort,
Sprach so zu ihr in spöttischem Sinn:
»Kommst du zu deinem Liebsten hin,
Mit ihm in seinem Garten zu kosen,
So sende von den schönen Rosen
Und Aepfeln mir auch welche her!«
Ernst sprach die Maid: »Nach deinem Begehr
Soll dir gescheh'n.« Der Jüngling lachte. –
Als man die Maid zum Richtplatz brachte,
Um dort den Schwertstreich zu empfangen,
Kniete sie nieder zu beten und zu bangen.
Da plötzlich stand ein Knabe vor ihr
Im Purpurmantel hold und zier
Voll gold'ner Sterne, mit krausem Haar;
Sein Antlitz strahlte wunderbar.
Ein Körbchen sah sie jenen tragen,
Darin drei Rosen, drei Aepfel lagen.
Und Dorothea sprach voll Glut:
»O lieber Bruder, sei so gut
Und bring' den Korb und was darin,
Theophilo, dem Schreiber, hin!«
Darauf empfahl sie sich dem Herrn,
Empfing den Streich bereit und gern
Und flog zum ewigen Himmelsglast.

Theophilus stand im Palast
Des Landpflegers am Fenster dort
Und dachte an Dorotheens Wort,
Als plötzlich das Knäblein vor ihm stand
Und sprach: »Sieh', das hat dir gesandt
Dorothea, mein Schwesterlein,
Vom Garten ihres Liebsten fein.«
Damit verschwand er. Theophilus,
Ergriffen von diesem Geistergruß,
Fing sogleich an, den Herrn zu preisen
Und sich als Christen zu erweisen.
Und seiner Predigt mächtig Wort
Riß alle Heiden mit sich fort.
Was macht es, daß Fabricius
Zum Tod ihn schickt! Nach dem Genuß
Der ewigen Freuden strebt er ja.
Von Dorotheen wird er da
Und ihrem Liebsten froh empfangen.
O könnt' ich gleiches einst erlangen!

Dorothea, 6. Febr. 308.


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