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Lucia

Lucia, die Jungfrau gut,
Lebte in der Tugend Hut
Zu Syrakus. Von edlem Stamm
War ihr Geschlecht. Die Maid vernahm
Von Agatha, der Gottesmagd,
Die viel der Gnaden hatte erjagt
Durch Tugend an dem guten Gotte.
Man wallte trotz der Heidenrotte
Von ferne hin zu ihrem Grab,
Denn Agatha sandte herab
Mannige Hilfe, wie man sah.

Zur kranken Mutter Eutychia
Sprach Lucia: »Ich habe vernommen,
Daß so vielen ward zum Frommen
Agatha, die Gottesbraut.
Laß' uns zu ihrem Grabe traut
Hingehn!« – Und also ward gethan.
Zum Münster gingen sie hinan
Mit großer Andacht. Lucia rief
Zu Gott so lang, bis sie entschlief.
Im Traume sah sie Agatha
Im Himmel sitzen, den Engeln nah',
In Kleidern köstlich und rein,
Mit Gold und mit Gestein
Durchwirkt an allen Orten;
Und sie begann mit diesen Worten:
»Lucia, liebe Schwester mein,
Die du so heilig, keusch und rein
Dem Heiland sonderlich behagst,
Sag' an, warum du also jagst
Mit deiner Bitte her zu mir,
Dieweil du doch allein von dir
Zur Hilfe hast die gleiche Macht?
Schon ist der Mutter zugedacht
Des Leibes gute Gesundheit
Durch die Vollkommenheit,
Die an deinem Glauben liegt.
Wohlauf! Die Krankheit ist besiegt.« –
Und also war es. Lobeslieder
Geleiteten nach Hause wieder
Die beiden Frauen. In dankbarem Mut
Gaben sie fast all ihr Gut
Den Armen hin gar ohne Gram.

Mit Schmerz erfuhr der Bräutigam
Der Jungfrau dies. Es ward ihm weh,
Daß all ihr Erbe so zergeh',
Und daß sie wolle brechen
Den Liebesbund. Um dies zu rächen,
Ging er zum Vogt in diesem Land,
Der war Paschasius genannt,
Und klagte seine Braut dort an,
Sie folge argem Christenwahn.

Als Paschasius dies vernommen,
Ließ er Lucia zu sich kommen
Und befahl ihr bei ihrem Leben,
Ihre Opfer den Göttern zu geben.

Doch unverzagt die Gute spricht:
»Ist das ein würdig Opfer nicht,
Daß man den Armen Trost gebe
Und also nützend bei ihnen lebe,
Daß man ihnen helfe, wie das sei?
Irdischen Gutes bin ich frei;
Ich opfere alles, was ich bin,
Meinem Gott für den Gewinn,
Den ich erhoffe in steter Begier.«
Der Landvogt aber drohte ihr
Noch weiter mit des Kaisers Groll.
Da sagte Lucia mutesvoll:
»Du magst bewahren des Fürsten Ehr',
So will ich halten immer mehr,
Was mein Herr geboten hat.
Wandle du auf der Götter Pfad;
So will ich Christendienstes pflegen.
Du suche das in allen Wegen,
Wie du den Fürsten wohl behagest
Und ihr Lob zuhause tragest;
So warte ich des Herren mein,
Daß ich ergeben möge sein
Seinem Willen, wie ich auch soll.
Thu', was dir gefalle wohl,
Und laß mich haben meinen Willen!«

Paschasius dachte, mit Drohung zu stillen
Der kühnen Jungfrau Rede dort;
Sie aber sprach: »Sieh, Gottes Wort
Will zu allen Stunden
Bleiben ungebunden!
Es duldet keinen Zwang noch Spott.«
Da sprach er: »Also bist du Gott?«
»Nein,« sprach sie, »ich bin Gottes Magd.
Gott aber ist es, der da sagt
Und spricht aus seiner Freunde Mund.
Sein heiliger Geist thut sich so kund,
Wie er den Seinen versprochen hat.
Er selbst giebt ihnen allen Rat.
Sie sollen sich nicht mühsam quälen,
Die Worte vor Gericht zu wählen.«
Da sprach Paschasius zu ihr:
»Du sagst, daß Gottes Geist in dir?
Wie kannst du so dich überheben?«
Lucia sprach: »Die so keusch leben,
In denen ist der Gottesgeist,
Weil sie, wie du gar wenig weißt,
Sein heiliger Tempel sind genannt.«
Da sprach Paschasius zuhand:
»So will ich dich, Gott zu verjagen,
Zwingen, der Unzucht Schmach zu tragen.«
Sie aber sprach: »Wozu den Leib
Du zwingest, keusch und rein verbleib'
Die Seele! Du sollst nimmer wagen,
Den heiligen Gott aus mir zu jagen.«

Und so geschah's. Mit keiner Macht
Wurde die Reine zu Falle gebracht.
Umsonst versucht man sie von der Stelle
Zu schleifen über der Sünde Schwelle.
Den Löwen ließ man sie gebunden
Vorwerfen; aber ohne Wunden
Blieb Lucia. Man ließ ein Feuer
Entzünden groß und ungeheuer.
Mit Pech und Harz und Oele brannte
Man sie. Umsonst! Doch endlich rannte
Ein Heide zornergrimmt sein Schwert
Durch ihren Hals so rein und wert.
Im Sterben weissagte die Hehre:
»Nun höret an, ich sag' euch Märe
Von endehafter Wahrheit!
Der gotterwählten Christenheit
Wird nun Friede bald gegeben;
Denn verlieren wird sein Leben
Der böse Maximian,
Und Diocletian
Wird verstört von seiner Krone.
Ihm wird nach der Schanden Lohne
Begegnen alles Ungemach!
Doch du, Paschasius, wirst noch, eh'
Ich sterbe, stürzen von deiner Höh'!«
Dieweilen noch Lucia sprach,
Seht, wie die Boten kamen
Von Rom daher, die nahmen
Mit Gewalt Paschasius fort.

Da ward ein großer Zulauf dort,
Daß man der Magd beinah vergaß.
Die lebte noch so lang fürbaß,
Daß man ihr Christi Leichnam brachte.
Dann starb sie, der Gott hold gedachte.

Paschasius, aller Ehren beraubt,
Verlor zu Rom mit Schmach sein Haupt.

Gott aber laß uns drüben schauen
Die keusche Zierde der Jungfrauen!
Sie leite uns zum wahren Licht,
Wie schon ihr schöner Name spricht!

So hat sie auch ihren Freier belehrt
Und seinen Sinn zum Himmel gekehrt;
Denn ihre Augen, die schönen, die
Ihr ausgestochenen, ließ sie
Ihm überbringen. Gott aber verlieh
Ihr schönere noch, die schwinden nie.

Maximianus, der die Not
Ueber die Heiligen gebot,
Entgalt seiner Bosheit wohl,
Als seine Schale wurde voll.
Er erhob vor seinem Ende
Einen Freund, in dessen Hände
Er alle Gewalt überließ;
Constantius derselbe hieß.
Er selber wollte der Ruhe sich freuen.
Doch bald sollte er es bereuen;
Denn die Freunde, die er erhoben,
Wandten bald gegen ihn ihr Toben.
Gern hätt' er sie entlassen wieder;
Sie aber drückten ihn so nieder,
Daß man ihn endlich ergriff und fing
Und an einen Galgen hing.
So starb der Wüterich mit Schmach,
Der soviel gegen Christus verbrach.
Doch bis dahin ward noch viel Blut
Vergossen durch der Heiden Wut.

Lucia, 13. Dez. 304. Passional II. S. 25.


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