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Jacob der Jüngere

Jacobus der Apostel klar,
Der in der heiligen Boten Schar
Christi Schildgefährte blieb,
Heißt Christi Bruder treu und lieb;
Er war ihm ähnlich an Gestalt
Und Anlitz, auch ebenso alt.
Er war des Heilands Muhmensohn,
Seiner Treue zum Lohn
Jacob der Gerechte genannt,
Als Bruder des Judas Thaddäus bekannt.
Er gelobte nach Jesu Tod,
Nicht eher von Trank und Brot
Zu genießen, bis aus den Banden
Des Todes Christus sei erstanden.
Darum erschien ihm ganz allein
Der Heiland, hieß ihn fröhlich sein
Und gab ihm Kraft durch seine Hand.
Die Kranken und Siechen im Land
Griffen nur nach dem Saum seines Kleides,
Um frei zu werden jedes Leides;
So groß war seine Wundermacht.
Ihm ward auch die Ehre zugedacht,
Daß er der erste Bischof wäre
Ueber Jerusalem, die hehre.
Er war ein Nasiräer, Gott
Geweiht nach strengstem Gebot.
Er trank nie Wein; an sein Haar
Kam keine Scheere nimmerdar.
Er hatte an den Knieen vom vielen
Beten harte und große Schwielen.
Von den Aposteln allesamt
Hat er auch das erste Amt
Der Messe begangen,
Nachdem Christus ward gefangen.

Nach Christi Auffahrt wallte er
Sieben Jahre lang umher.
Er trug am Haupte öffentlich
Des Bischofs Zeichen, ohne sich
Zu scheuen, und förderte die Gemeinde,
Bis sich vereinigten die Feinde.
Weiter verflossen dreißig Jahre,
Da sollte Paulus der klare
Verurteilt werden; aber der
Berief sich auf den Kaiser hehr
Als römischer Bürger. Aller Groll
Der Juden warf sich grimmestoll
Nun auf Jacobus. Das Gericht
Des Landpflegers war damals nicht
Besetzt. So ließ denn Ananas,
Des bösen Annas Sohn, voll Haß
Jacobus ergreifen und ohne Weilen
Ihn zum Tode verurteilen.
Nur eines konnte ihn noch retten:
Er sollte die Zinne des Tempels betreten,
Vor allem Volk seinem Glauben entsagen
Und Jesum des Betrugs anklagen.
So forderte der hohe Rat.
Denn sie fürchteten in der Stadt
Unruhen, wenn sie den Gerechten
Und Allbeliebten zum Tode brächten.

Der treue Jünger unseres Herrn
Bestieg des Tempels Zinne gern,
Nicht um dem Herrn untreu zu werden,
Nein, um in äußersten Gefährden
Vor allem Volk mit seinem Blut
Zu zeugen für das höchste Gut.
Es war am Osterfest; die Menge
Umstand den Tempel im Gedränge.
Laut erhob er seine Stimme
Und zeugte trotz der Juden Grimme:
»Er, der von euch gekreuzigt ist,
Ist Gott, Messias, ist der Christ,
Ist Gottes Sohn. Euch zum Gericht
Wird er noch kommen. Zweifelt nicht!«
Da jubelten die Christen auf.
Jedoch die Juden in schnellem Lauf
Liefen hin und stürzten ihn
Herab vom Tempel. Doch noch schien
Er lebend. Man warf ihn mit Steinen.
Zu Hilfe kamen ihm die Seinen.
Ein arger Priester aber beraubte
Ihn des Lebens, da er nach dem Haupte
Mit einem Weberbaume schlug.
Die Seele schied, und Jesus trug
Die Martyrkrone ihm entgegen,
Dem lieben Bruder und Gottesdegen.

Jacob der Jüngere, 1. Mai 67. Passional S. 260 f.


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