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Domitilla, Nereus und Achilleus

Nach Kaiser Titus lobesan
Herrschte sein Bruder Domitian;
Der hatte noch eine Schwester gut,
Plantilla geheißen, von deren Blut
War Flavia Domitilla, ein
Holdes und liebes Jungfräulein.

Als Plantilla Witwe ward
Und von der wunderbaren Art
Der christlichen Lehre vernahm,
Mit der Petrus und Paulus kam,
Ging sie zu Petrus selbst und bat
Ihn um die Taufe. Der Heilige that
Nach ihrem Willen und taufte sie stille,
Auch ihre Tochter Domitille
Und ihre Kämmerer zuhand,
Nereus und Achilleus genannt.
Prätorianer waren beide
Dereinst und Henker den Christen zum Leide.
Und dies geschah im selben Jahr,
Da der Apostelfürsten Paar
Von Nero ward gebracht zum Tod.
Am Weg zu seiner letzten Not
Empfing noch Paulus von Plantillen
Den Schleier, die Augen damit zu verhüllen.
Mit seinem heiligen Blute getränkt,
Ward ihr dann der Schleier wiedergeschenkt
Auf wunderbare Weise
Von Engeln mit seligem Preise.
Plantilla starb. Domitian
Stellte als Vormund des Mädchens an
Auspicius, seinen Verwandten,
Und verlobte sie einem bekannten
Reichen Fürsten wohlgethan,
Der hieß mit Namen Aurelian.
Da Nereus und Achilleus sah'n,
Wie Domitilla in irdischem Wahn
Sich sehr bestrebte, dem Bräutigam hie
Zu gefallen, begannen sie:
»Uns wundert, wie du magst so gern
Die Keuschheit opfern einem Herrn,
Der dir nun schmeichelt, doch gar bald
Dich schilt und schlägt mit roher Gewalt,
Da er zudem ein Heide ist.
Jede Sünde, wie ihr wißt,
Kann durch Reue gebessert werden;
Jedoch die Keuschheit, die auf Erden
Einmal verloren ward, die mag
Nicht neu ersteh'n an keinem Tag;
Und doch ist sie, wie ein Engel, frei
Und wohnet Gott am nächsten bei.«
Durch diese Reden ward der Sinn
Der reinen Jungfrau fürderhin
Von aller Weltlust abgekehrt.
Sie ging zu Clemens wohl belehrt,
Dem Papst, und nahm, von ihm geweiht,
Den Schleier der Jungfräulichkeit.
Als Kaiser Domitian dies hörte,
Ließ der von Grimm Empörte
Die Jungfrau kommen und fing an,
Ihr zu verweisen den Christenwahn.
Doch Domitilla bewies ihm weise,
Daß für der Jungfräulichkeit Preise
Der heidnischen Götter und Helden Thaten
Selber zeugen müßten und raten.
Dennoch verbannte der Kaiser voll Groll
Die eig'ne Nichte so tugendvoll
Dach der Insel, Pontia genannt.
Mit ihr gingen unverwandt
Nereus und Achilleus, die beiden,
Und Auspicius, der der Heiden
Wege ließ für Christi Bahn.
Vergebens harrte Aurelian,
Domitilla würde sich dort besinnen.
Er führte darum bald von hinnen
Die beiden Kämmerer, daß deren Lehre
Die Jungfrau ferner nicht mehr höre,
Und ließ sie in Terracina da
Enthaupten. Diese Stadt lag nah'
Der Insel. Luxurius war dort
Statthalter des Kaisers an dem Ort.
Doch andere Christen mußten das Leben
Daselbst für ihren Glauben geben.
Kaiser Domitian wütete noch
Gegen andere Verwandte. Ließ er doch
Den Konsul Flavius Clemens töten
Und dessen Gattin nach manchen Nöten
Nach Pandataria verbannen.
Der Wüterich ward von einem der Mannen
Des Konsuls, Stephanus genannt,
Ermordet; der wollte mit kühner Hand
Also seine Herren rächen;
Er that es durch ein neues Verbrechen.
Aurelian ließ dann Domitilla
Nach seines Bruders Luxurius Villa
Heimlich schaffen in Terracina.
Theodora und Euphrosyna,
Zwei Bräute seiner Freunde, sollten
Sie überreden. Doch diese wollten,
Durch Domitilla überwunden,
Selbst lieber Christo sein verbunden
Als ihren Bräutigamen. Die
Vernahmen dies. Schnell kamen sie
Herbei, und gleiche Himmelsgnade
Wies die Guten zu höherem Pfade.
Sie nahmen die Taufe. Das ganze Haus
Schien einer Kirche gleich durchaus.
Doch unbelehrt in wildem Wahn,
Befahl der Fürst Aurelian,
Die Hochzeit zu bereiten.
Er kam mit Spielleuten
Und tanzte vor der Thür der Lieben
Zwei Tage und Nächte, vom Dämon getrieben,
Bis er tot zu Boden sank.
Da bekehrten sich ohne Wank',
Die mit ihm kamen. Nur allein
Sein Bruder Luxurius drang darauf ein,
Daß Kaiser Traianus ihm gestatte,
Rache zu nehmen. Der Nimmersatte
Ließ nun den beiden Bräutigamen
Der Jungfrauen, der lobesamen,
Sulpicius und Servulian,
Das Haupt abschlagen in wildem Wahn.

D'rauf legte er Feuer an die Kammer
Der Jungfrauen. – Mit lautem Jammer
Kam nun Sankt Cäsarius
Mit anderen Christen, die zum Schluß
Die heiligen Leiber erhuben
Und sie ehrlich begruben;
Denn das Feuer hatte ihnen
Nicht geschadet, nein, sie schienen
Nur entschlafen an dem Ort.
Im ewigen Leben leben sie fort.

Domitilla, Nereus und Achilleus, 12. Mai 110. Passional II. S. 290.


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