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Pankratius

Nun hört von einem Kind so weise,
Daß es beschämte manche Greise!

Pankratius, das edle Kind,
Nahm, weislich gesinnt,
Nach seiner Eltern frühem Tod
Die Taufe, die Marcellinus ihm bot,
Der damals Papst war, doch verborgen,
Dieweil annoch in großen Sorgen
Die Christenheit stand. Sein reiches Gut
Verteilte Pankratius mild gemut
Den Armen. Doch dies wurde bekannt
Dem Kaiser. Er ließ allzuhand
Den vierzehnjährigen Knaben kommen
Und sprach mitleidig so zum Frommen:
»Viel liebes Kind, du bist betrogen,
Vom rechten Wege abgezogen;
Darauf will ich dich wieder lenken.
Du solltest daran gedenken,
Daß dein Vater so edel war,
Daß ich ihn zum Freunde gar
Erlas!« – Pankratius aber sprach
Zu Diocletian fest und gemach:
»Herr Kaiser, bin ich auch ein Kind,
Da mir die Haare nicht grau sind,
So wisse doch, wie ich dir sage,
Daß ich ein altes Herze trage
Mit völliger Weisheit. In meinem Sinn
Muß es mich wundern, daß du dich hin
Zu Göttern wendest, die bei ihrem Leben
Doch nur nach Sünden mochten streben.
Lebte etwa heute dein Knecht
Eben so schlecht und ungerecht,
Wie die Götter waren
Hie bevor in ihren Jahren,
Du müßtest ihn strafen mit dem Tod.«

Der Kaiser schämte sich; doch er gebot
Dem Kühnen das Haupt abzuschlagen.
Sein Leib ward, wie wir hören sagen,
Von der Kaiserin selber begraben,
Die Christo heimlich diente. Es haben
Die Alten auf dem Grab des Knaben
Die feierlichsten Eide geschworen,
Weil er von Gott ward auserkoren,
Hüter und Rächer des Eides zu sein:
Die Ehre wollt' er dem Reinen verleihn.

Zu gleicher Zeit mit ihm zu Rom
Starb Dionysius, sein Ohm.

Pankratius, 12. Mai 304 oder 293. Passional II. S. 293.


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