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Agnes und Emerentiana

O könnte mein Gesang so sein,
Wie vor der Schar der Lämmelein
Ein Hirte lieblich flöten mag,
So wär' es recht. Doch all zu zag'
Muß ich die Stimme senken,
Dein, Agnes, zu gedenken.

Agnes, die liebliche Jungfrau,
Ward mit der Gnade reinstem Tau
Also begossen in ihrer Jugend,
Daß sie mit aller Tugend
In ihres keuschen Herzens Sinne
Brannte in Christi Minne.
Sie war nur dreizehn Jahre alt,
Doch weise, schön und wohlgestalt,
Edel und reich an allen Ehren,
Belehrt in aller Weisheit Lehren.

Als sie in solchen Züchten groß
Aufwuchs in ihres Vaters Schloß,
Da hielt um sie ein Jüngling an,
Des Richters Sohn Symphronian.
Doch was er auch mit Worten flehte,
Die dreizehnjährige Agnete
Bot ihm nur immer taubes Ohr.
Er deuchte sie ein Thor,
Und würdig zu allem Spott.
Ihr Herz war stetig in Gott;
Den wollte sie, den minnte sie,
Sie wollte andern Liebsten nie.
Sie trug des Glaubens Ring am Finger;
Ihr hoher Sinn sann nicht geringer.

Der Jüngling sehr betrübet ward.
Sein Leid ward härter noch als hart,
Daß ihm sein Wille war versagt
Und ihn verschmähte die edle Magd.
Sein Leiden zwang ihn also scharf,
Daß es ihn auf das Bette warf
Und daß er weder aß noch trank;
Sein Herz nur nach Agneten rang.

Die Aerzte klug erkannten bald
An ihm der Minne Allgewalt.
Sie sagten es dem Vater an.

Zur Jungfrau ging der alte Mann
Und bat sie, in die Ehe zu treten
Mit seinem Sohn nach Freundesräten.
Sie aber sprach: »Das mag nicht sein!
Ein anderer Bräutigam ist mein,
Wie ich schon deinem Sohn gesagt;
Dem muß ich folgen unverzagt.«

Der Richter dachte hin und her,
Wer dieser Bräutigam wohl wär',
Von dem hier immer war die Sprache.
Einer, der sich auf diese Sache
Gar wohl verstand, der sprach: »Fürwahr,
Sie ist eine Christin, das ist klar.«

Als er vernahm die Wahrheit so,
Da ward der Richter gar unfroh,
Daß dieses junge Mägdelein
So übelwillig wollte sein
Durch Christus, und er flehte
Die edele Agnete
Gar innig an, daß sie sich kehrte
Von diesem Wahn. Doch was er gehrte,
Fest blieb das junge Mägdelein:
»Mein Wort ist gegen dich: nein, nein,
Und will nicht fallen auf ein Ja.
Mein Liebster bleibe mir immer nah!«
Da sprach der Richter zornentbrannt:
»Bald wird dir meine Macht bekannt!
Du sollst den Göttern Opfer geben
Für des Kaisers hohes Leben,
Sonst stößt man dich ins Schandenhaus,
Daraus du nimmer kommst heraus!«

Agnes erschrak darüber nicht.
Sie sprach in hoher Zuversicht:
»Mich hat Gott und mein Engel gut
Alle Zeit in seiner Hut!«
Sie sagte wahr; denn als man ihr
Das Kleid abreißen wollte schier,
Da hüllte sie ihr goldenes Haar
Gleich einem Kleid ein wunderbar.
Die schändlich teufelhafte Klause
Ward ihr zum frommen Bethause.
Vom Himmel kam ein Engel hold
Und hüllte sie in ein Kleid von Gold
Und Glanz, so daß vor diesem Licht
Erschrak der Tollsten Zuversicht.
Der Jüngling nur, von Lust entbrannt
Wollt' sie ergreifen bei der Hand;
Doch tot fiel er darnieder.
Der Vater lief da wieder
Zur Jungfrau, voll von Schmerz und Gram,
Schalt sie eine Hexe sonder Scham,
Die ihn erschlug mit Zauberlisten;
Das sei das Werk der bösen Christen.

Da fiel Agnese betend nieder.
Der tote Jüngling erhub sich wieder
Und pries den Gott, den wahren,
Der sich hier wollte offenbaren.

Durch diese That so wunderbar
Vermehrte sich der Christen Schar,
So daß die Heidenpriester schrien
Ueber die böse Zauberin,
Und ihren Tod verlangten.
Der Richter und die andern bangten.
Er wollte von den Bösen
Agneten gern erlösen.
Doch durfte er bei seinem Leben
Dem Kaisergebot nicht widerstreben;
Drum wich er von dem Amt hindann
Und ließ es einem andern Mann,
Der war Aspasius genannt.

Ein Feuer wurde bald entbrannt
Auf sein Gebot. Man warf darein
Die Heilige; der Flammen Schein
That aber nichts der Guten an,
Versengte nur manchen Heidenmann;
Worauf Aspasius gebot,
Daß man die Fromme schlüge tot
Mit einem Schwerte. Das geschah.

Nun war noch ein Jungfräulein da,
Emerentiana genannt.
Von Kindheit auf war sie bekannt
Mit Agnes und mit ihr erzogen,
Doch nicht getauft. Von Liebe bewogen
Sollte sie mit den Freunden all
Agnetens Leib zum Grabesmal
Hinbringen; doch die Heiden
Wollten dies nicht leiden.
Mit Steinen warfen sie die Christen.
Die liefen, um das Leben zu fristen,
Hinweg. Emerentiana nur
Hielt tapfer aus auf der öden Flur
Und warf die That den Männern vor,
Bis sie selbst das Leben verlor,
Und unter einem Hagel von Steinen
Hinsank zu ihrer reinen
Milchschwester. Gott aber rächte
Den Mord an dem bösen Geschlechte.
Ein Ungewitter kam, zerstreute
Und tötete die Heidenleute.
Die treuen Christen aber haben
In Ruh' die Freundinnen begraben.

Acht Tage klagten nun und weinten
Die Treuen, die sich am Grabe vereinten.
Da ließ am achten Tag sich schauen
Agnes in himmlischer Jungfrauen
Edler Schar bei ihrem Grabe.
Sie waren alle mit reicher Habe
Gezieret, wie Gott wollte.
Ihre Kleider waren von Golde
Gar wohl geschmückt; und sieh! es stand
Ein Lamm zu Agnes rechter Hand,
Weißer als Schnee, und Agnes sprach
Zu ihren Trauten all darnach:
»Beklagt mich länger nicht für tot,
Denn ich bin ja aus aller Not
Mit diesen Freundinnen genesen,
Die sich Gott selbst hat auserlesen
Zum Heil und ewigen Frommen.
Bei ihnen hab' ich auch bekommen
Den lichten Stuhl, auf dem ich soll
Ewig sitzen freudenvoll.«

Darauf verschwand sie. Seit der Zeit
Ehrt stets die reine Christenheit
Zu Gottes Lob den achten Tag,
Nachdem Agnes dem Tod erlag
Und des Leibes hier erstarb,
Dort aber sich das Leben erwarb.
Stets bleib' uns deine Reinheit nah,
Agnes sanctissima!

Agnes, 21. Jan. 304. Passional II. S. 111.


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