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Die Kindheit Jesu

Wie wundervoll schon Jesus war
Von seiner Kindheit erstem Jahr,
Als Knabe dann im Elternheim,
Das künde nun mein schlichter Reim.

Als Joseph mit Maria und dem Kind
Hin nach Aegypten floh geschwind,
Da kamen her aus Berg und Busch
Die Drachen und Löwen in Hui und Husch,
Doch nicht, die Wandrer zu zerreißen,
Nein, ihnen Ehrfurcht zu erweisen.
Wolf und Lämmer wallten verbündet,
Wie die Propheten vorher verkündet,
Die Palmen neigten fromm ihr Haupt,
Auf daß es den Eilenden sei erlaubt,
Von ihren Früchten zu genießen.
Brünnlein sah man dem Pfad entsprießen,
Den Wandernden in der Wüste zur Labe.
Wohin da nahte der göttliche Knabe,
Entwichen die Teufel aus Kranken und Krummen.
Eine Prinzessin, von einem stummen
Dämon besessen, ward geheilt.
Die Vöglein sangen unverweilt
Gottes Lob mit menschlichem Schall.
Englein spielten mit Jesus Ball;
Doch ihre Bälle waren
Die Himmelssterne, die klaren.
Viel Segen kam dem Lande da.
Zum Dank, weil bei Matarea
Eine Sykomore kühlen Schatten
Den Müden gab, sprießt auf den Matten
Umher Balsam, weit und breit
Der beste bis auf unsere Zeit.
Eine ägyptische Zauberin hatte
Aus Rache, weil er nicht ihr Gatte
Sein wollte, durch teuflische Macht
Einen Mann zum Maulesel gemacht.
Der Zauber schwand bei Jesu Nah'n;
Da nahm der junge Mann
Zur Eh' ein jungfräulich holdes Wesen,
Das eben vom Aussatz war genesen.
Sie war es, die nach dieser Heilungsthat
Auch um des Jünglings Entzauberung bat.
Ein Gleichnis Israels ist der Mann,
Ein Bild der Heiden die Maid, die dann
Beide geheilt sich in dem reinen
Christentum zur Ehe vereinen.
So sind noch manche dieser Berichte
Bilder und Gleichnisse der Weltgeschichte.
Nur kurz und wie im Traum
Berührt mein Sang sie kaum.

Zur Stadt Sotina kamen sie.
Von ihren Gestellen stürzten hie
Die Götzen, als das Jesuskind
Dem Tempel nahte, ihm geschwind
Zu Füßen sich zu legen.
Er brachte lauter Segen
Dem Land Aegypten; nicht den Schrecken,
Wie Moses einst, wollt er erwecken.
In Milch und nicht in Blut
Verwandelte sich des Niles Flut;
Nicht Ungeziefer ließ er erstehen,
Nein, in der Fischer Netze gehen
Unzählige Fische, Saaten ergrünen,
Herschwärmen honigreiche Bienen.
Statt Pest und Tod ward Heil und Leben,
Der Geburten Fülle dem Lande gegeben.
Statt schädlichen Hagels kam fruchtbarer Thau
Hernieder über Aegyptens Au,
Statt Heuschrecken singende Vögelein,
Statt Finsternis hellsten Lichtes Schein.

Doch Gott rief aus Aegypten wieder
Seinen Sohn, wie die alten Lieder
Der Propheten kündeten.
Maria und Joseph gründeten
In Nazaret ihr heiliges Heim.
Und Jesus wuchs auf, der göttliche Keim,
Als Menschenkind an der Eltern Brust.
Die göttliche Weisheit fand ihre Lust,
Auf Erden mit Menschenkindern zu spielen.

Eines Tages stand er mit vielen
Anderen Knaben am Bachesrand.
Sie bildeten manchen kindischen Tand
Aus Lehm; Jesus aber machte
Kunstvolle Vögelein; dies brachte
Einen Juden in Zorn. Wie schalt er da,
Dieweil es an einem Sabbat geschah!
Doch Jesus warf sein Werk darauf
Lächelnd in die Luft hinauf;
Da wurden lebend die Vögelein
Und flogen bis in den Himmel hinein.

Gar viele heilte wunderbar
Das Jesuskind. Darunter war
Auch Bartholomäus, der darauf
Zu ihm hielt durch all seinen Lebenslauf.
Einer von Jesu Gespielen war
Simon, der zur Apostelschar
Später gehörte. Eine Schlange
Biß den Knaben. Doch nicht lange
Währte es, da zwang der Sohn
Gottes jene Natter mit Droh'n,
Ihr Gift der Wunde wieder zu entsaugen.
Da hob der Totgeglaubte die Augen
Und blieb getreu dem Wunderknaben,
Den schon die Kinder, ihnen erhaben,
Als König ehrten im Kinderspiel.

Als einst ein Krug in Scherben fiel,
Brachte Jesus das Wasser schnell
In Falten seines Kleides vom Quell.
Und als mit dem Wasser Maria das Haus
Reinigte, strahlte es überaus,
Als ob es von Gold und Marmor wäre.

Den Eltern erwies er alle Ehre,
Half ihnen bei jeder Arbeitspein
Im Bund mit seinen Engelein.
Was nur Maria zu thun gedacht,
War oft schon wunderbar gemacht,
Im Haus, am Herd, in Garten und Feld.
Die Arbeit, womit sich Joseph gequält
Umsonst den ganzen Tag, sie war
Oft über Nacht fertig und gar.

Einst wurde Joseph zum König berufen,
Ihm für seines Thronsaals Stufen
Einen prächtigen Sitz zu machen.
Zwei Jahr lang blieb er zu diesen Sachen
In Jerusalem; doch zum Schluß
Bemerkte der König mit Verdruß,
Daß der Thron zu kurz geraten sei.
Da wußte Jesus Rat: die zwei,
Vater und Sohn, zogen gemach
Das Werk auseinander, bis es entsprach
Dem Könige. Jener reiche Thron
War aus einer Ceder vom Libanon,
Mit manchen Figuren wohlgeglückt
Und Zieraten ausgeschmückt.

Als Jesus einst auf dem flachen Dach
eines Hauses mit Kindern spielte und sprach,
Da fiel ein Kind herab und war tot.
Die Eltern schalten: »Dieser Not
Alleinige Schuld ist Jesus. Er
Warf unsern Sohn vom Dach.« Nunmehr
Ging Jesus herunter und sprach zu dem Toten:
»Sag', Zeinon, ob ich dir das Leid entboten?«
Und aus dem Toten sprach es: »Ja!«
Wie wüteten die Eltern da!
Doch Jesus sprach: »Nicht Zeinon spricht
Aus diesem. Wahrheit sagst du nicht,
Du Teufel, der ihn besessen hält!
So fahre aus über Wüste und Feld!«
Als schwarzer Rabe floh von hinnen
Der Teufel; der Tote kam zu Sinnen
Und gab mit voller Klarheit
Die Ehre der Wahrheit.

Ein Lehrer war in jener Stadt,
Zachäus geheißen; dieser trat
Stolz auf: Physik, Metaphysik,
Hyperphysik, Hypophysik
War ihm geläufig. Jesus ging
In seine Schule; doch zu gering
Ward ihm dessen Weisheit bald.
Er lehrte selber mit Geistesgewalt
Den, der sein Lehrer sein sollte.
Dem blieb nicht verborgen, ob er auch grollte,
Daß Jesus ein Engel oder ein Gott
Sein mußte und daß sein Wissen Spott
Gegen Jesu Weisheit wär'.
Drum wollt er ihn lehren nimmermehr
Und bat die Eltern überaus,
Daß sie den Knaben nähmen nach Haus.

An Alter, Weisheit und an Gnade
Wuchs er empor, die Erdenpfade
Ging er, den andern Kindern gleich.
Also bereitete er sein Reich.

Die Kindheit Jesu. Außer dem Passional das apokryphe Evangelium infantiae bei Tischendorf » Evangelia apocrypha« Nr. V-VIII.


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