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Sebastian

Sebastian, der Ritter, war
Ein Spiegel der Tugend rein und klar,
Jedoch blieb er verborgen,
Nicht aus Todessorgen,
Sondern um mit Trost zu fristen
Die eingekerkerten Christen
Zu Mailand; denn im Ritterskleid
Stand es ihm frei, sie alle Zeit
Dort aufzusuchen. Traun, er war
In großen Ehren immerdar
Bei Kaiser Diocletian
Und dem Fürsten Maximian.
Durch Geburt, Weisheit und Stärke
War er im Kriegs- und Friedenswerke
Vor ihnen stets der erste,
Der liebste und der hehrste.

Nun fügte es sich in der Zeit,
Daß böse Leute durch ihren Neid
Zwei selige Männer klagten an.
Zum Tode führte man sie dann,
Die beiden Brüder lobesan,
Markus und Marcellian.
Sebastianus war auch da
An jenem Richtplatz, und er sah,
Wie Richter und Soldaten
Die beiden Christen baten,
Sie möchten Ehre den Göttern geben
Und also retten ihr junges Leben.
Die Mutter kam daher und klagte.
Den Vater, den ein Siechtum plagte,
Den trugen seine Knechte her;
Er bat und weinte und flehte sehr.
Zuletzt kamen auch noch die Frauen
Der Brüder, gar erbärmlich zu schauen,
Mit ihren Kindern auf den Armen.
Die Henker zögerten aus Erbarmen,
Und Sebastianus sah immer bänger,
Daß, wenn das Zögern währte länger,
Die beiden heldenhaften Christen
Endlich selber wanken müßten.
Da drang er unerschrocken herbei
Und sprach also von Rücksicht frei:
»Ihr starken Ritter, jeder ein Held,
Von Gott ihm selber auserwählt
Zum ewigen Lohne,
Ihr sollet eure Krone
Durch Weiberthränen nicht verscherzen!
Ihr Freunde, nehmt es euch zu Herzen,
Daß jene doch nicht von euch scheiden,
Nein, nur zu ewigen Himmelsfreuden
Hingehn und diese arme Welt
Verlassen, die uns alle quält
Mit Hassen und mit Neiden!
Wir müssen Zorn und Brunst erleiden,
Die das Herz hier mühen
Und den Menschen erglühen
Zu Hoffart, daß er darnach jage,
Wie man den Leuten wohlbehage.
Die Welt lockt zu unstetem Ruhme.
Wie bald verwelket ihre Blume!
Aus Lieb wird Leid, aus Leben Tod,
Sucht aus Gesundheit, Not aus Not.
Der Tod ist diesen ein Gewinn;
Sie fahren aus allen Leiden hin.«

Nun war dabei ein Heidenweib,
Stumm war sie und von siechem Leib,
Zoë genannt. Es war ihr Gatte
Nikostratus, der zu richten hatte
In dieser Sache, und die beiden
Befahl vom Leben dort zu scheiden.
Als sie da hörte Sebastians Wort,
Stürzte sie vor und fiel sofort
Vor seine Füße, und mit Geschrei
Brach sie ihre Stummheit entzwei.
»Ja,« rief sie, »ja, dein Wort ist wahr!
Das bezeuge ich offenbar,
Denn ich sah einen Engel kommen
Vom Himmel, der that diesem Frommen
Aus einem Buch die Worte kund,
Die da sprach sein heiliger Mund!«
Die Freude und das Wunderzeichen
Begannen auch zu erweichen
Nikostratus, den edlen Mann
Der Zoë; er erkannte an,
Sebastianus hätte Recht.
Er fiel zu Füßen dem Gottesknecht
Und gab die beiden Brüder frei.
Dem Himmel schon so nahe bei,
Nahmen sie nur ungern an
Die Gnade. Auch ihr Vater, dann
Die Mutter und der Leute mehr
Bekehrten sich. Da kam daher
Ein Priester, Polykarp genannt,
Der taufte sie mit heiliger Hand.
Und siehe, von derselben Stund'
Ward auch der alte Mann gesund.

Zu Rom vernahm davon zum Schluß
Der reiche Vogt Chromatius,
Der auch in langer Krankheit lag.
Er rief zu sich denselben Tag
Polykarp und Sebastian.
Die sagten ihm mit Treuen an,
Die Krankheit würde eh' nicht ruh'n,
Die Götzen müßte er von sich thun;
Der hatte er zweihundert wohl.
Der reiche Heide hoffnungsvoll
Ließ sie sogleich zerschlagen
Und aus dem Hause tragen.
Ein Werk nur, einst um teueren Kauf
Erhandelt, das der Sterne Lauf
Ihm zeigte und die Zukunft wies,
Das reute ihn; auch liebte dies
Sein Sohn Tiburtius gar sehr.
Er sprach: »Ich geb' es eh' nicht her,
Eh' ihr euch beide nicht mit Eiden
Verbindet, Feuertod zu leiden,
Wenn trotz des Opfers immer noch
Den Vater drückt der Krankheit Joch!«
Die Heiligen waren dazu bereit.
Man zerbrach das Werk. Zur selben Zeit
Ward auch Chromatius gesund.
Der Edle nahm zur selben Stund'
Mit seinem Sohn Tiburtius
Die Taufe, und zum guten Schluß
folgten noch diesen beiden
An tausend und vierhundert Heiden.

Gar weit erscholl die Märe,
Was hier geschehen wäre.
Dem wollte ein Herzog widerstehen,
Vom Kaiser dazu ausersehen;
Fabianus war sein Name.
Der tötete viele lobesame
Bekenner; auch das reine Weib
Zoë verlor nun ihren Leib.
Er ließ Tiburtius über die Glut
Hinschreiten; der that's wohlgemut,
Als ob er über Rosen ging.
Doch endlich ward dem Jüngling
Das Haupt herab geschlagen.
Kühn starb er ohne Klagen.
Dann ließ Fabianus, der grausame Mann,
Auch Markus und Marcellian
Zu einem Pfahle binden
Und mit Speeren zerschinden.
So haben sie ihr Leben
Doch noch hingegeben.

Sebastianus auch, der gute,
Bekannt ob seinem hohen Mute,
Ward als arger Verräter dann
Verklagt vor Diocletian.
Der warf ihm seine Untreue vor:
»O Freund, wie trug ich dich empor!
Zum Freunde hatte ich dich erkoren.
Ich sehe wohl, das ist verloren
Durch diesen fremden Glauben.
Willst du dich aller Treue berauben?«
Sebastianus aber sprach:
»Nein, lieber Herre, keine Schmach
Noch Untreu' that ich gegen dich.
Glaub' mir's, für dich nur bete ich
Zu meinem Herren Jesus Christ,
Der auch dein Erlöser ist
Und auch das Römerreich fortan
Allein vom Falle retten kann.
Den Glauben kann ich nimmer lassen!«
Der Kaiser konnte es nicht fassen;
Von Zorn und Schmerz ergriffen, ließ
Er ihn hinführen ins Verließ
Und darauf töten mit bitterer Qual.
Man band ihn fest an einen Pfahl
Und schoß mit Pfeilen also lang,
Bis er wie tot darnieder sank.

Man ließ ihn auch liegen für tot;
Doch Gott half ihm noch aus der Not,
Um mit diesem Zeichen
Noch manchen zu erweichen.

Auf den Palast kam Sebastian
Vor beide Kaiser so heran.
Er strafte sie mit hartem Wort
Und sprach: »Ich bin es, den ihr dort
Zum Tode wolltet geben.
Gott ließ mir noch das Leben,
Damit ich euch hier strafen soll.«
Da ließ man ihn in grimmem Groll
Mit Knütteln schlagen, bis er starb.

Von Gott aber erwarb
Er eine lichte Krone
Zu ewigem Lohne.
Die Leiche wollte man noch schänden
Und den Brüdern entwenden.
Da ließ im Traum sich schauen
Der Heilige einer heiligen Frauen,
Lucia, und zeigte ihr an,
Wo sie den Leichnam fände, dann
Sollte sie den süßen
Zu der Apostel Füßen
Bestatten. So geschah es auch.

Nun folget alle solchem Brauch,
Zu dem er uns mit Fleiße mahne!
Er sei uns eine Tugendfahne
Und ein treuer Leitestern
Zu alles Lebens ewigem Kern!

Sebastian, 20. Jan. 288. Passional II. S. 100.


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