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Johannes Evangelist

Johannes, hochgelobter Held,
Von Gott besonders auserwählt,
Was soll ich von dir singen?
Dein Herze konnte sich erschwingen
So hoch der ewigen Gottheit nach!
Dem Flug zu folgen, ist zu schwach
Mein Gedanke. Es hebt sich dein Mut,
Wie der Aar unter den Vögeln thut,
Und aus dem ewigen Bronnen,
Erleuchtet von der Sonnen
Der göttlichen Klarheit, schöpfest du
Stete Weisheit ohne Ruh'!
Wohl dir, der du mit reiner Lust
Dich neigtest an die edle Brust
Des Freundes, der dir hat gegeben,
Zu schauen noch bei Leibes Leben
Der höchsten Freuden Gewinn,
Da Cherubin und Seraphin
Den Schöpfer feiern im Jubelton!
Er nannte dich des Donners Sohn:
So tönt noch bis auf diesen Tag
Deine Lehre wie ein Donnerschlag!
Du sahest deinen Meister sterben:
Drum machte er dich auch zum Erben
Bei seiner Mutter, der er gab
In dir den Führer und den Stab.

Der Jüngste der Apostelschar
War Sankt Johann. Ihr wißt, er war
Der Bruder des älteren Jacob,
Dem stets gebürt gleich hohes Lob.
Die Söhne des Zebedäus sind
Die beiden und Salomes Kind.
Die Mutter Gottes war seine Muhme;
Er pflegte ihrer mit hohem Ruhme,
Bis sie zur seligen Himmelfahrt
Von dieser Welt gerufen ward.
Er litt um Jesus Schmach und Schläge
Und predigte auf manchem Wege
Den Parthern. Er stiftete auch
Bistümer nach heiligem Brauch
Zu Smyrna, Pergamus, auch da
Zu Sardes, Philadelphia
Und andern Städten in Asia.
Ephesus war die Stadt,
Die Johannes am liebsten betrat.
Die Bösen aber an dem Ort
Verdroß der reinen Lehre Wort.
Sie klagten es den römischen Herren;
Die ließen ihn in den Kerker sperren
Und sandten Klagen gegen ihn
Nach Rom in einem Briefe hin.
Titus lebte damals nicht mehr;
Es herrschte sein Bruder, schlechter als er:

Domitianus. Dieser berief
Darauf nach Rom durch einen Brief
Johannes, daß er ihn sähe.
Aber aus Zorn, daß er bestehe
Auf seiner Lehre, und aller Orten
Predigte mit scharfen Worten,
Gab er den grausamen Befehl,
In einen Kessel voll siedendem Oel
Den Jünger zu werfen. Doch das Feuer
Verschonte den Leib so rein und teuer.
Da sandte der Kaiser aus Furcht den Mann
Auf die Insel Patmos hin dann,
Wo er die Apokalypse schrieb,
Darin er Gottes innige Lieb'
Und auch sein Gericht gab an den Tag,
Dem keiner entweichen mag.

Zu Patmos aber waren
Auch heidnische Scharen,
Die einst dahin wurden verbannt.
Darum war es also bewandt:
Als Pilatus über Jesu Gericht
Nach Rom hinsandte den Bericht,
Es wäre erstanden ein neuer Gott,
Erschrak Tiberius, und er gebot
Den Römern im Senate,
Daß sie nach weisem Rate
Den neuen Gott verehrten.
Die Heiden aber, die verkehrten,
Weigerten sich dessen sehr,
Weil Jesus Christus keinen mehr
Der anderen Götter dulden wolle
Und ihren üblen Sitten grolle.
Tiberius aber, der nicht vertrug
Der Römer Weigerung, erschlug
Genug zu Tode und verbannte
Gar viele nach dem Insellande.

Maria Salome, die schöne
Mutter der Zebedäussöhne,
Die Schwester Marias, erfuhr mit Bangen,
Daß ihr Sohn Johannes zu Rom sei gefangen.
Von Muttersorgen ergriffen
Ließ sie sich überschiffen
Ueber das Meer gar unfroh.
Sie kam nach Rom also
Und hoffte dort zu sehn Johannen.
Nun war er aber eben von dannen
Hin nach Patmos gesandt
Worden in das Einland.
Vor Schmerz starb sie auf der Heimfahrt
Zu Verulana, wo sie begraben ward.

Wir lassen diese Rede liegen;
Von Johannes sei nicht länger geschwiegen.
Er war kein volles Jahr verbannt,
Als von der edlen Römer Hand
Kaiser Domitian wurde erschlagen.
Da konnte es Johannes wagen
Aus der Verbannung fortzugehn.
Auf der guten Ephesier Flehn
Kam er wieder in ihre Stadt.

Eben als er in die Pforte trat,
Trug man daraus einen Leichnam
Einer Frau gar lobesam,
Drusiana genannt;
Die hatte all die Zeit verwandt,
Sehnend Johannes zu erwarten;
Sie starb aus Sehnsucht nach dem Erharrten.
Johannes aber, der dies vernommen,
Sprach sein Gebet zum Heil der Frommen:
»Der Herr geruhe dir zu geben,
O Drusiana, dein Leben!
Steh fröhlich auf und geh nach Haus,
Und richt' uns zu den Abendschmaus,
Wie es sonst deine Güte pflegte!«
Seht, wie die Frau sich plötzlich regte!
Sie stand auf also unerschreckt,
Als ob sie wär vom Schlaf erweckt.
Bei seinem Anblick ward sie froh
Und sprach: »Herr, gerne thu ich so!
Sie ging nach Haus, wie er sie hieß,
Wo sie die Kost ihm machen ließ.

Nun war ein Meister in der Stadt,
Kraton genannt, der auftrat
Als Lehrer der Philosophie.
Er lehrte auf dem Markt und schrie,
Daß man die Lust der Welt verlasse
Und alle Pracht der Erde hasse.
Zwei seiner Schüler hatten nun,
Um nach des Meisters Wort zu thun,
Zerbrochen all ihr Edelgesteine.
Da kam Johannes der reine
Und tadelte des Meisters Rat:
»Es wäre besser in der That,
Wenn man es mochte verkauft haben,
Die Armen und Siechen damit zu laben,
Und nicht der eitlen Ehre zu fröhnen!«
Da sprach Kraton mit Höhnen:
»Hat dich ein wahrer Gott gesandt,
So mache seine Macht bekannt,
Indem du das Zerbrochene heilst
Und den Erlös den Armen verteilst!«

Und dies geschah auf Johannes Beten.
Von solcher Wunderkraft betreten
Nahm Kraton Christenglauben an
Mit den zwei Schülern wohlgethan.
Doch diese beiden fühlten Reue
Nach ihren Schätzen bald aufs neue.
Das merkte Johannes. Den Wahn zu bezwingen,
Ließ er sie Kiesel und Gerten bringen,
Verwandelte jene in Kleinode hold,
Diese in das lauterste Gold,
Und sprach: »Nehmt dies nach eurem Willen,
Um mindestens eure Sehnsucht zu stillen
Nach dem vergänglichen Hort,
Weil ihr an himmlischen Freuden dort
Doch keine Lust mehr habt!
Seht zu, daß ihr euch hier noch labt,
Weil ihr doch drüben in Armut stehn
Und ewiglich müßt betteln gehn!
Habt das, was euer Herz begehrt:
Gezwungener Dienst ist Gott unwert.
Wähnt ihr euch im Reichtum frei,
Ihr wißt nicht, daß euch wohnet bei
Eigentliche Knechtschaft; euer Herz
Wird hier wie dort belohnt mit Schmerz!«
Und zu einem Jüngling, den er vom Tode
Erweckte, sprach der Gottesbote:
»Eia, nun sage diesen zwein,
Die sich der Erde wollen weihn,
Was sie dort jenseits haben verloren!«
Da sprach der Erweckte: »O ihr Thoren,
Ich sah, wie eure Engel rein
Sich sehr betrüben. Ich sah die Pein,
Die euer harrt in der Hölle Glut.
Ich habe gesehen das reiche Gut,
Das euch Gott wollte geben,
Wenn treu beharrte euer Streben.«
Als die zwei Schüler dies vernahmen,
Zur rechten Einsicht sie kamen;
Sie warfen Gold und Edelstein nieder;
Das wurde zu Gerten und Kieseln wieder.
Sie lebten nach Sankt Johannes Rate,
Der sie zu lieben Kindern hatte.

So ward Johannes allda
Das Heil des Landes Asia.
Das ward den Heidenpriestern leid:
Aristodemus ließ voll Neid
Ihn auffordern, sein Recht zu zeigen
Oder zu schweigen.
Nun war nach heidnischem Wahne
Zu Ephesus der Göttin Diane
Der große Tempel geweiht.
Dort sprach Johannes allbereit:
»Betet eure Göttin an,
Ob sie sich selber helfen kann;
So will ich rufen zu meinem Christ,
Daß seine Macht zu dieser Frist
Hier diesen Tempel fälle
Bis an die unterste Schwelle!«
Und so geschah es; auf sein Wort
Zerbrach der Tempel alsofort
Mit der Göttin Diana Bild.
Da erhub sich ein Aufruhr wild,
Und Aristodemus sprach mit Beben:
»Ich will dir nur dann Glauben geben,
Wenn du dies Gift trinkst, ohne zu verderben,
Dran zwei Verbrecher eben sollen sterben.
Nur dann beug' ich mich gerne,
Von jedem Zweifel ferne!«
Johannes, der gute Mann,
Sah da den Priester lieblich an,
Nahm dann den Becher hin, darob
Schlug er ein Kreuz zu Gottes Lob,
Und trank ihn aus bis auf den Grund
Ohne Schaden. Mit bebendem Mund
Sprach Aristodemus wieder:
»Nun schlage alle Zweifel nieder
Und gieb den beiden Verbrechern das Leben,
So hast du auch mir das Heil gegeben!«
Da sprach Johannes: »So nimm mein Gewand
Und leg es auf die Leichen zuhand;
Befiehl ihnen dann in Christi Namen,
Daß sie erstehen!« – Und bald kamen
Die beiden Wiedererweckten daher.
Da glaubte alles Volk nunmehr.
Sie beschlossen, sich von Dianen zu kehren,
Und bauten eine Kirche Gott zu Ehren.

Als einst aus Ephesus von dannen
Johannes zog, um andren Mannen
Den Weg des Himmelreichs zu weisen,
Da übergab er einem greisen
Bischof einen Jüngling zur Hut
Und sprach: »O hüte mir gar gut
Diesen Schatz, bis daß ich komme!«
Den Jüngling lehrte nun der Fromme,
Gab ihm die Taufe und pflag sein bieder.
Nun geschah es aber wieder,
Daß der Jüngling lobesam
In seine alte Gesellschaft kam.
Die verleitete ihn zu üblem Leben.
Bald war er dem Laster so ergeben,
Daß er mit Räubern in dem Wald
Das Land brandschatzte mit Gewalt.
Als nun Johannes wiederkam,
Fragte er den Bischof lobesam:
»Wo ist der Schatz, den ich zur Hut
Dir habe gegeben?« Der Bischof gut
Antwortete: »Ach, der ist leider verloren,
Der Teufel hat ihn wieder erkoren.«
Voll Schmerz bestieg Johannes sogleich
Ein Pferd und jagte in den Bereich
Der Räuber. Als der Jüngling da
Den Heiligen fernher kommen sah,
War es die Scham, die ihn so zwang,
Daß er sogleich zu Rosse sprang
Und floh von dannen. Johannes jagte
Ihm nach und rief und bat und sagte:
»Halt an, halt an, mein liebes Kind,
O kehre dich zu mir geschwind!
Gedenke, daß ich über dein Leben
Am jüngsten Tag muß Antwort geben!«
Bei diesem Ruf kam neue Reue
Ins Herz des Räubers, die alte Treue
Erstarkte und er kehrte wieder,
Sprang vom Roß, fiel vor ihm nieder
Ausgestreckt auf die Erde
Mit weinender Geberde,
Indem er um Vergebung bat.
Johannes, nach der Minne Rat,
Stieg zu ihm nieder und umwand
Mit Armen ihn, die rechte Hand
Küßte er lieblich, die doch so viel Mord
Verübte. Mit ihm alsofort
Kehrte er zurück in die Stadt,
Wo er unseren Herren bat,
Daß er ihm Gnade wieder gebe
Und empor aus der Sünde hebe.
So ward der Jünger in kurzer Zeit
Gerettet und endlich zum Bischof geweiht.

Johannes blieb in Ephesus
Solange, bis er denn zum Schluß
Gar alt und schwach ward, so daß er
Mit Müh' zur Kirche konnte mehr.
Die Jünger mußten ihn unterstützen,
Oft mußte er aus Müde sitzen,
Weil ihn sein Alter machte schwach.
Bei jeglicher Ruhe er aber sprach:
»O liebe Kinder, habt einander lieb!«
Und wenn der Weg ihn weiter trieb
wieder stillstehend zu seiner Ruh,
Sprach er wieder den Seinen zu,
Geneigt auf seinem Stabe:
»Daß jeder den andern LIeb habe!«
Zuletzt fragt' ihn ein Jünger dort,
Warum er nur spräche dies einzige Wort.
»O«, sprach er da, »viel liebes Kind,
Alle Mahnungen sind
Darin wohl beschlossen,
Denn dies Wort ist geflossen
Von Jesu Christi Munde
Und liegt aller Tugend zugrunde!«

Als er sein Evangelium schrieb,
Bat er Gott aus großer Lieb,
Daß die Stadt, in der er es schriebe,
Allezeit frei und ledig bliebe
Von Unwettern und Ungemach.
Und es geschah so, wie er sprach.

Noch sieben und siebzig Jahre lehrte
Nach Christi Tod der Hochgeehrte
Und wurde hundert Jahre alt.
Der Herr in hoher Lichtgestalt
Mit den Aposteln allgemein
Erschien da dem Freunde sein
Und sprach: »Nun, Lieber, komm zu mir!
Es ist Zeit, daß ich dir
Nun lohne deine Arbeit,
Und du in voller Würdigkeit
Essest ob dem Tische mein
Mit andern Brüdern dein!
An dem nächsten Sonntage
Nimmt ein Ende deine Klage.«

Johannes, glühend von Liebesflammen,
Rief darauf das Volk zusammen,
Er bat die Jungen und die Alten
Am rechten Glauben festzuhalten.
Dann hieß ein Grab der Klare
Graben am Hochaltare.
Er stieg dann selber in das Grab
In rechter Demut hinab.
Da kam vom Himmel ein Licht so groß
Auf ihn, das ihn rings umfloß,
So, daß sein niemand ward gewahr.
Man sah darauf gar wunderbar
Manna aus dem Grabe kommen.
Es meinen heut noch manche Frommen,
Daß Johannes nicht sei gestorben,
Sondern im Grabe unverdorben
Erwarte den jüngsten Tag,
Wo Gott ihn wieder wecken mag.

Johannes, Evangelist, 27. Dez. 110. Passional S. 226 f.


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