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Matthäus

Matthäus, der Evangelist
Und Apostel, erwählt von Christ,
War zuerst Zöllner, Levi genannt.
Als guter Schreiber viel gewandt,
Hat er zuerst auch seines lieben
Meisters Leben treu beschrieben.
Dann hat er sich nach dem Mohrenland
Als Bote des Herren hin gewandt.
Naddaver hieß die Stadt,
Die er dort betrat.
Darin fand er Indich, den Kämmerer
Der Königin Kandace, den vorher
Philippus hatte bekehrt.
Wie wurde dessen Freude gemehrt,
Als nun auch sein Genosse kam
Und bei ihm Herberge nahm!
Nun waren aber in dieses Land
Auch zwei Zauberer wohlbekannt,
Arphaxad und Zares, gekommen;
Zwei Drachen hatten sie mitgenommen,
An denen sie ihre Meisterschaft zeigten,
Daß sich alle vor ihnen neigten.
Matthäus aber in Gottes Namen
Bannte die Drachen, den Höllensamen,
In die Wüste auf rauhen Pfaden,
Wo sie den Leuten nicht durften schaden.

Man klagte über den schnellen Tod
Des Königssohns. In dieser Not
Ließ man die beiden Zauberer kommen.
Doch da hier jede Hoffnung benommen,
So hatten sie die List erdacht
Und den Toten zum Gott gemacht,
Dem man einen Tempel sollte bauen.
Matthäus aber mit Gottvertrauen
Weckte das Kind vom Tode auf.
Der König bekehrte sich darauf
Mit seinem Volk. Es ward errichtet
Ein schöner Dom und dankverpflichtet
Dem Schöpfergotte eingeweiht.
Matthäus blieb noch lange Zeit
Im Lande; drei und dreißig Jahr
Lehrte er dort offenbar.
Ihm halfen mit getreuem Sinn
Der König und die Königin,
Auch des Königs Tochter, die gute
Epigenia, die hochgemute,
Trat mit zweihundert Jungfrau'n rein
In ein Frauenkloster ein
Und weihte sich dem Heiland da.

Binnen dieser Zeit geschah,
Daß der König Egypus starb
Und Hyrtacus, sein Bruder, die Krone erwarb,
Dem sie nicht ziemte. Der verdarb
Des neuen, edlen Samens viel.
Dazu war seines Herzens Ziel,
Die Jungfrau Epigenia
Zum Weib zu nehmen, um allda
Sein Recht zum Throne zu bestärken.
Er ließ dem heiligen Manne merken.
Daß er die Maid, die tugendvolle,
Zu diesem Bund bereden solle.

Am nächsten Sonntag nach dem Brauch
Hielt Matthäus die Predigt auch
Dort in dem Kloster vor der Maid,
Dem Könige, dem Hofgeleit
Und vielem Volk. Und er begann,
Wie recht es sei und wohlgethan,
Wenn sich zwei verbinden,
Um all ihr Heil zu finden
In rechter Ehe gnadenvoll.
Dem König, dem gefiel das wohl.
Er dachte: »Das will werden gut;
Er will der edlen Jungfrau Mut
Erweichen wohl durch seinen Rat,
So daß sie mein wird in der That:
Das mag mir herrlich frommen;
Er hat sich meiner angenommen.«

Matthäus aber, der gute Mann,
Endete die Rede dann
Nach einem anderen Sinn
Und sprach also zum Volke hin:
»Nun hört, ihr guten Leute,
Was ich euch bedeute!
Dieweil die Ehe ist so gut,
So greife keiner mit frevlem Mut
Die rechte Ehe an.
Wenn ein König, ein reicher Mann,
Eine Braut hat genommen,
So dürfte nicht ein Knecht herkommen,
Der die Braut dem Herren nimmt,
Weil ihm das sehr übel ziemt.
Er hätte vor des Herren Zorn
Gewißlich seinen Leib verlor'n.
Die Lehre geht dich, König, an!
Es ist fürwahr nicht wohlgethan,
Daß du auf unseres Herren Braut
Dein Wähnen lassest werden laut.
Sie ist sein durch mächtigen Eid.
Du thätest ihm darum gar Leid
Und dazu gar sehr Unrecht,
Wenn du, ein so armer Knecht,
Gegen deinen König, deinen Gott,
Dich veruntreutest durch Spott.«

Da ergrimmte des Königs Mut.
Er wollte vergießen des Heiligen Blut,
Der solche Rede wagte
Und vor dem Volke sagte.
Als jener nach der Messe Amt
Dem Volke allgesamt
Den Segen gab, drangen in feindlichen Rotten
Des bösen Königs gewappnete Boten
Auf ihn ein mit bloßen Schwerten
Und vergossen das Blut, nach dem sie begehrten.
Da hörte man die Guten klagen,
Daß ihr Vater wär' erschlagen.
Sie wollten im Zorne des Königs Tod;
Doch schufen Friede in dieser Not
Die guten Priester, Gottes Jünger,
Und schützten selbst den wilden Bezwinger.

Der arge König ließ nun schauen
Auch seinen Groll gegen die Frauen.
Er wollte den Spott an ihnen rächen,
Sie töten und das Kloster zerbrechen.
Er ließ all seine Rotten versammeln
Und die Thüren des Klosters verrammeln.
Darauf warf man Feuer hinein.
Die Frau'n im hellen Flammenschein
Schrien gar jämmerlich zu Gotte.
Seht, da kam sein Zwölfbote
Matthäus selber: er war ihnen
Als mächtiger Trost und Schutz erschienen.
Das Kreuzeszeichen machte er bald
Gegen das Feuer, dessen Gewalt
Sogleich sich legte; es zerbrach
Nur des Königs Wohngemach,
Dahin sich warfen alle Flammen.
So brach seine stolze Burg zusammen.
Er rettete sich mit seinem Sohn.
Der Knabe kam in Angst gefloh'n
Zu des Matthäus heiligem Grabe
Und erkannte, daß er Unrecht habe.
Doch seines Vaters Hochfahrt kam
Zum üblen Ende; Zorn und Scham,
Verlust des Guts, Siechtum und Not,
Dawider kein Arzt Rettung bot,
Stürzte ihn an der Verzweiflung Rand:
Er fiel durch seine eigene Hand.

Das Landvolk war unmaßen froh,
Daß sich sein Ende fügte so.
Des rechten Königs echter Sohn
Bestieg darauf den Herrscherthron,
Er, der der Jungfrau Bruder war,
Die in dem Feuer wunderbar
Gerettet ward. Er pflag der Kron'
Noch siebzig Jahr' für Gottes Lohn.
Er pflegte treu den guten Samen,
Den Matthäus in Gottes Namen
Hatte ausgesä't im Land,
Und der allzeit in Blüte stand.
Des Heiligen Leichnam ließ er bewahren
Mit großen Ehren. Nach vielen Jahren
Erst ward er nach Salern gebracht;
Dort wird er treu bis heut bewacht.

Matthäus, 21. Sept. 75 (?). Passional S. 295 f.


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