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Petronilla

Eh Petrus ward zum Apostel erwählt,
War er in rechter Ehe vermählt
Mit Sankt Perpetua. Sie erwarb
Die Martyrkrone, da sie starb.

Petronilla war das Töchterlein
Petri, schön und hold, allein
Von schwerem Siechtum bezwungen.
Da sprach bei Tisch einst seiner jungen
Schüler einer, Titus genannt:
»Meister, mache mir bekannt,
Was doch dies bedeute,
Daß so viele sieche Leute
Durch dich die Gesundheit bekommen;
Doch deinem Kind kannst du nicht frommen!«

Da sprach Petrus zu Tito:
»Zu ihrem Heil geschieht es so,
Weil sie dadurch demütig wird.
Doch daß euer Glaube sich nicht verwirrt,
So sag ich, Petronilla, dir:
Steh' auf vom Bett und dien' uns hier!«
Die Maid that, was der Vater gebot.
Ganz frei war sie von jeder Not
Und diente risch und frisch
Ihnen allen da zu Tisch.

Als das Essen ein Ende nahm,
Und man das Brot zu sammeln kam,
Sprach Petrus wieder: »Petronille,
Kehr' nun zum Krankenlager stille!«
Gehorsam trug ihr Ungemach
Die Tochter, bis sich gänzlich brach
Ihr Wille, und von dieser Stund'
Blieb Petronilla auch gesund.

Ein Graf begehrte sie zum Weib,
Denn ihm gefiel ihr holder Leib;
Flaccus war er genannt
Und den Abgöttern zugewandt.
Doch konnt' er Petronillen
Nicht wenden ihren Willen.
Vergebens sandt' er ihr Jungfrauen her,
Sie zu locken nach seinem Begehr.
Vergebens bat er auch noch da
Ihre Gespielin Fellicula,
Für ihn zu reden. Die Gottesbraut
Blieb ihrem ewigen Liebsten vertraut.
Da ließ er sie ergreifen und schlagen,
Durch Hunger sie zwingen. Nach sieben Tagen
Sprach Petronilla zu ihm so:
»Denkst du so ungestüm und roh
Der Jungfrau Liebe zu erringen?
Nur sanfte Liebe kann sie zwingen.
Willst du, daß ich deine Gattin sei,
So lass' mich noch drei Tage frei,
Daß ich zum Fest mich mag bereiten.
Dann sende die Deinen, mich zu geleiten
In deinen Palast.« Durch dieses Wort
Ward Flaccus besänftigt. Vor dem Hort
Der Reinen sank die Maid nun hin:
Und als der dritte Morgen erschien,
Kam Nikomedes, ihr Trost und Stab,
Der ihr den Leib des Heilands gab.

Dann sank sie auf ihr Lager nieder
Und öffnete das Aug' nicht wieder.
Das schön geschmückte Festgeleite
Fand die Maid als des Todes Beute.
Hoch wallte der Zorn des Bräutigams auf.

Nikomedes begrub darauf
Den Leichnam, den man in den Kot
Geworfen hatte. Doch schwere Not
Schuf dies dem Guten. Flaccus ließ
Ihn töten, und die Leiche hieß
Er in das Wasser werfen. Da kam
Der Freunde einer und nahm
Ihn aus dem Wasser, daß er werde
Ehrlich bestattet zu der Erde.

Petronilla, 31. Mai. Passional II. S. 297.


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