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Die heiligen drei Könige

Der Weihnachtstern, der fern im Westen
Erglänzte über Roma's Festen,
Vor dem Augustus bang sich beugte,
Derselbe Sibylle fromm bezeugte,
Denn die war auch auferstanden
Drei Königen in Osterlanden,
Kaspar, Melchior, Balthasar,
So wunderdeutsam, licht und klar.

Die Inder hatten seit der Zeit
Des Bileam voll Sorgsamkeit
Auf dem Berg Va&#468;s eine Warte
Erbaut, wo mancher Seher harrte
Des Sternes, welchen der Prophet
Voraus sah. Eines Abends spät
War er erschienen, und desgleichen
Ereignete sich manch Wunderzeichen.
König Kaspar besaß einen Strauß,
Der brütete ein Lämmlein aus
Und einen Löwen. Melchior
Hatt' einen Cederbaum; empor
Auf dessen Wipfel flog und sang
Ein Vöglein weissagenden Sang.
In König Balthasar's Palast
Gebar ein Weib ein Kind, das fast
Im selben Augenblick weissagte
Vom Stern, der hoch am Himmel ragte.

Da wollten die drei Könige gerne
Dem sonnenhellen Sterne
Folgen, und in kurzer Zeit
Waren sie zur Fahrt bereit.
Doch wußte keiner von dem andern.
Das war ein sehnsuchtsvolles Wandern!
Auf schnellen Dromedaren
Kamen sie gefahren,
Bergauf und ab, durch Reif und Schnee;
Gott suchten sie zu Land und See.
Erst vor Jerusalem waren die Frommen
Auf Golgatha zusammengekommen.

Als sie nach mühevollen Stunden
Das Kindlein endlich hatten gefunden,
Da fielen sie nieder und beteten an,
Und boten ihm ihre Gaben dann.
Sie gaben ihm gar reichen Sold,
Myrrhen, Weihrauch und rotes Gold.
Mit Weihrauch und gebogenem Knie
Erkannten sie die Gottheit hie,
Mit Myrrhen seine Menschheit bloß,
Und mit dem Gold den König groß.

Unter dem Schatz, den die Könige hehr
Brachten nach Bethlehem daher,
War auch der goldene Apfel gar,
Der Alexanders des Großen war,
Ein Zeichen seiner Weltherrschaft
Und seiner weltbezwingenden Kraft.
Als nun das Kind in seine Hand
Den Apfel nahm, zerfiel der Tand
In Staub und Asche, denn vor Gott
Ist aller Erde Macht nur Spott.

Auch dreißig Gulden, die einst prägte
Der alte König Ninus, legte
Vor's Kind Herr Melchior lobesam.
Das war das Geld, das Abraham
Um Hebrons Acker reichte dar.
Das war das Geld, das Potiphar
Für Joseph gab, wofür darauf
Die Brüder den Getreidekauf
Bezahlten in der Hungersnot.
Joseph ließ dann bei Jakobs Tod
Für dieses Geld in Saba Salben
Einkaufen. Als dann allenthalben
Salomos Ruhm erscholl, da kam
Sabas Königin lobesam
Mit diesem Golde her. Nachdem
Zerstört ward ganz Jerusalem,
Kam dies Gold nach Arabia;
Denn dessen König war auch da
Im Heer, und er bekam's zum Lohn
Vom Könige von Babylon.
Melchior erbte den Schatz also.

Doch als Maria später floh
Mit ihrem Kind, da knüpfte sie fein
Die Gaben in ein Tüchelein.
Das ging verloren im Wüstenland.
Ein armer Hirte aber fand
Den Schatz und behielt ihn bis zur Zeit,
Da Jesus lehrte. Siechtums Leid
Bewog den Hirten, den Wundermann
Aufzusuchen, und er gewann
Die frühere Gesundheit wieder.
Dem Heiland bot er treu und bieder
Den Schatz dafür. Doch der befahl,
Daß er die Gabe allzumal
Auf den Altar des Tempels legte.
Der Priester, der des Amtes pflegte,
Verbrannte den Weihrauch Gott zum Dank.
Die Myrrhen dienten zum bitteren Trank,
Den man dem Todgeweihten bot
Und zum Begräbnis nach seinem Tod.

Die dreißig Gulden gab man dann
Dem Judas. Doch der arme Mann
Warf sie von sich. Man kaufte dafür
Einen Totenacker, doch blieb noch schier
Die Hälfte; die wurde hingezählt
Den Wächtern am Grab als Schweigegeld.
Gold waren die Münzen und nicht geringe,
Man nannte sie nur Silberlinge;
Drei Gulden galt jede an Gewicht.
Wohin sie nun sind, weiß ich nicht.

Weil sie dem Kinde dienen wollten
Und ihm die höchsten Ehren zollten,
So loben wir auch alle gern
Die heil'gen drei Könige mit ihrem Stern.
Das Kindelein, das Jesulein
Woll' stets in unsern Herzen sein
Und uns bewahren alle Zeit
Vor Sünden, Schanden und vor Leid!

Die hl. drei Könige, 6. Jan. Passional S. 23 und das Volksbuch von Johannes von Hildesheim bei Simrock: Die deutschen Volksbücher, 4. Bd., S. 421.


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