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Vom guten Schächer Dismas

Ihr habt von Dismas, dem Schächer, vernommen,
Auf den schon ein Strahl der Gnade gekommen
Dort in Aegypten. Aus Galiläa
War er entstammt, doch nach Judäa
Kehrte er später, ein Gastwirtshaus
Zu verwalten. Oft fuhr er aus;
Als Seeräuber plünderte er die Reichen,
Doch von den Armen ließ er sich erweichen
Und that ihnen Gutes. Den ganzen Haß
Zeigte er ohne Unterlaß
Gegen der Hohenpriester und
Der Schriftgelehrten verruchten Bund.
So brach er einst in den Tempel ein
Und that Gewalt dem Töchterlein
Des Hohenpriesters Kaiphas an,
Sarra geheißen, und er gewann
Durch Raub das heilige Tempelgut,
Das sie als Priesterin in Hut
Zu halten hatte. So raubte er
Auch das Gesetzbuch heilig und hehr
Aus ihrer Verwahrung. Dies war die That,
Ob der Dismas vom hohen Rat
Ergriffen ward und angeklagt.
Sarra hatte zudem gesagt:
»Er will erfüllen, was Jesus gesprochen!
Er drohte, der Tempel werde zerbrochen.
So seht nur seines Jüngers Wut,
Der, was der Meister droht, gleich thut!«

Man glaubte der Maid, die dergestalt
Als Prophetin am Tempel galt
Wie Hanna vor Zeiten. Aus diesem Grunde
Glaubte man, ja keine Stunde
Mehr zögern zu dürfen; den Aufrührer
Jesus, ihn, den Volksverführer,
Mußte man ohne Verzug in Ketten
Legen, um so den Tempel zu retten.
Huch auf Nikodemus fiel der Verdacht,
Dem die Tempelschlüssel bei Tag und Nacht
Anbefohlen waren.
Der Juden wütende Scharen
Wollten auch die Prophetin ins Feuer
Werfen, an der so ungeheuer
Gefrevelt worden. In dieser Not
Bestach Kaiphas den Iskariot,
Alle Schuld auf Jesus zu schieben:
Er hätte das Buch, von Moses geschrieben,
Geraubt, auf daß die Juden nicht
In Zukunft nach des Gesetzes Pflicht
Opfern könnten. Ihr seht, wie viel
Die Hölle wirkte zum schrecklichen Ziel.

Vom guten Schächer Dismas, 25. März. Narratio Josephi Arimathiensis bei Tischendorf, Evangelia apocrypha Nr. XX.


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