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Christina

Wie Sankt Christina war genannt,
Bevor Christus mit eigener Hand
Sie taufte, ist mir nicht bekannt.
Ihr Vater Urbanus war ein Heide.
Ihm war's zu großem Leide,
Daß sein Töchterlein wenig Ehren
Den Göttern zollte. Sie zu bekehren,
Sperrte er sie in ein Schloß
Bei Bolsena, von einem Troß
Treuer Diener umgeben in Menge,
Und von goldner und silberner Götzen Gedränge.

Das Mädchen aber trieb ihren Spott
Und warf einen nach dem andern Gott
Ueber die Mauer in den Graben.
Und was die Götter sollten haben
Als Opfer, teilte sie den Armen
Alles aus mit großem Erbarmen.
Ein Engel stärkte sie dabei
Und machte sie von Sorge frei.

Im Zorn ließ ihr der Vater den weichen,
Bloßen Leib mit Ruten streichen
Und schloß sie in einen Kerker ein.
Vergebens bat ihr Mütterlein.
Die Jungfrau sehnte sich so sehr
Nach Christus, daß ihr endlich der Herr
Selber erschien, der Lobesamen
Die Taufe gab und seinen Namen.
Christina hieß sie von dem Tag.
Den Vater traf vor Gram der Schlag.

Nach dessen Tod ward noch vor Nacht
Christina vor den Richter gebracht.
Er ließ sie zum Tempel Apollos bringen
Und wollte sie zum Opfer zwingen.
Doch auf ihr Gebet zerbrach der Gott
Und schlug im Falle Dio tot,
Den Richter. Doch in seine Bahn
Trat sein Nachfolger Julian.

Sie mußte noch manches Leid ertragen:
Sie ward gegeißelt und geschlagen,
An einem Mühlstein in die See
Versenkt; nichts aber that ihr weh.
In einen Ofen ward sie gesteckt,
In eine Schlangengrube gelegt.
Da sollte ein Zauberer reizen auf sie
Die giftigen Schlangen; aber die
Töteten den Zauberer gar.
Auf Christinas Gebot fürwahr
Flohen sie in die Wüste dann.
Vom Tod erweckte sie den Mann;
Der ward bekehrt. Doch Julian,
Der böse Richter der blinden Heiden,
Ließ ihr die Brüste vom Leibe schneiden
Und die Zunge aus dem Mund.
Ihr Blut spritzte dem argen Hund
In sein Auge, das wurde blind.
Der Böse ließ sie da geschwind
Niederschießen mit manchem Pfeil.
So ward der Himmel ihr zuteil.
Elfjährig nur, nahm sie die Krone
Des Heldenkampfs von Gottes Throne.

Christina, 24. Juli 307 oder 300. Passional II. S. 304.


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