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Christus vor Gericht und in der Unterwelt

Als Jesus nach der Juden Rat
In des Pilatus Richthaus trat,
Da beugten sich vor seiner Gottheit, der reichen,
Die römischen Fahnen und Feldzeichen.
Zu seinen Gunsten zeugte
Nikodemus, der ungebeugte,
Und er, der, acht und dreißig Jahr
Krank, von Christus geheilt worden war,
Der Aussätzige zeugte da,
Der Blindgeborene, der nun sah,
Und mancher geheilte Lahme,
Veronica auch, die lobesame,
Die einst, berührend den Saum seines Kleides,
Plötzlich frei ward alles Leides.
Zwölf Biedermänner auch beschworen,
Daß er ehrlich sei geboren.
Das half doch alles nichts;
Zum Lohne gerechten Gerichts
Ward Jesus verurteilt zum Kreuzestod.
Nikodemus, der ihm Hilfe bot,
Ward von den Juden gescholten da,
Und Josef von Arimathia,
Der seinen Leichnam hatte gepflegt,
Ward zur Strafe gefangen gelegt.

Nun hört, wie Christi Höllenfahrt
Den Juden ward geoffenbart!
Simeon der weise,
Der einst zu Gottes Preise
Zum Tempel war gekommen
Und dem Kind, wie wir vernommen,
Geweissagt hatte große Leiden,
Hatte zwei Söhne; diese beiden,
Carinus und Leucius genannt,
Waren schon tot, doch es erstand
Ihr Leib mit vielen andern Toten
Bei Christi Tod. Als heilige Boten
Traten sie unter die Juden sogleich
Und sprachen: »Ihr Brüder, vom unteren Reich
Kommen wir zur Erde heut'.
Lang bangten wir in Dunkelheit,
In Abrahams Schoße, bei den alten
Vätern, nicht fern von den Höllengewalten,
Bis uns ein helles Licht erschien.
Da rief Isaias: »Sehet hin!
Das ist das Licht, das ich geschaut.«
Auch unser Vater jubelte laut.
Johannes dann, der zuletzt gekommene,
Gab uns die Kunde, die froh vernommene,
Von Christi Ankunft. Und Adam und Seth
Erkannten das Heil, dazu mancher Prophet.
Da erschrak Fürst Satan und Lucifer,
Nun Hades genannt, der Unterwelt Herr.
Zugleich ertönte von außen die Stimme
Der Engelschar im heiligen Grimme:
»Ihr Fürsten der Hölle, thut auf das Thor!
Der König der Herrlichkeit steht davor.«
Mit den Legionen der Höllenmächte
Stellte sich Satan nun zum Gefechte.
Doch er ward überwunden. Lucifers Schelten
Und Hohn ließ ihn seine Thorheit entgelten.
Der Hölle Riegel zerbrachen mit Krachen.
Da ward unser Weinen zu seligem Lachen.
Von David angestimmt erschallte
Das Loblied, das die Hölle durchhallte.
Und Christus legte Adams Hand
In die Sanct Michaels. Allzuhand
Brachte er uns ins Paradies.
Henoch und Elias hieß
Uns dort willkommen und auch dabei
Der gute Schächer. – Wir sprachen frei,
Was uns erlaubt ist, euch zu sagen.
Mehr dürfen wir nicht zu verraten wagen.
Michael sandte uns wieder ins Leben,
So hehres Zeugnis euch zu geben.
Bald müssen wir von dannen ziehn:
Zum Himmel führt uns Christus hin.«

Und sie verschwanden. Ihre Worte
Wurden vielen des Heiles Pforte.

Christus vor Gericht und in der Unterwelt. Acta Pilati und Descensus Christi ad inferos bei Tischendorf Nr. IX-XIV.


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