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Eugenia, Protus und Hyacinth

Ein edler Römer, Philippus genannt,
War Statthalter über Aegyptenland.
Zwei Söhne hatte er, Anytus
Geheißen sowie Sergius,
Auch eine Tochter Eugenia.

Nun war zu Alexandria
Es damals Sitte, daß Jungfrauen
Sich in der Schule ließen schauen,
Zu lernen die Philosophie.
So war's auch mit Eugenien hie;
Als ihre Begleiter hatte sie
Dabei zwei Jünglinge bekommen,
Protus und Hyacinth, die frommen.
Doch waren sie allesamt noch Heiden.

Nun geschah es in jenen Zeiten,
Daß der holden Eugenia
Ein Christenbuch zukam, und da
Fand sie Sankt Pauli Lehre.
Sie fand darin, was besser wäre
Als aller Philosophen Kunst.
Sie trug der Lehre solche Gunst,
Daß, als ein edler Jüngling ihr
Die Hand antrug, das Mägdlein zier
Es abschlug und nach Höherem trachtete.

Das war zur Zeit, da man verachtete
Der Christen Lehre, doch ließ man sie
Friedlich leben im Lande hie
Und ließ sie Kirchen bauen.

Mit Jünglingen und Jungfrauen
Fuhr einst Eugenia, zu beschauen
Das Land, in einem Wagen aus.
Da kam sie zu einem Gotteshaus
In einem Dorf. Sie hörte den Sang
Daraus erschallen, der sie bezwang
Zu horchen. Man sang eben dort
Aus Davids Psalmen dieses Wort:
»Die Götter aller Heiden sind
Nur Teufel ohne Kraft und blind.
Gott allein ließ werden
Die Himmel und die Erden.«

Da rief Eugenia geschwind
Protus herbei und Hyacinth
Und sprach zu ihnen: »Was wir drei
Zur Schule lernten mancherlei
Von jenen Meistern, Sokrates,
Platon und Aristoteles,
Das wird weitaus übertroffen
Von den Propheten. Klar und offen
Ist mir der Weg. Ihr wart bisher
Meine Diener. Ich will nunmehr
In Christo eure Schwester sein,
Nein, euer Bruder! Wir wollen zu drei'n
In ein Kloster uns begeben.
Ich will als Mann hinfürder leben
In Männerkleidern, auf daß mich
Niemand erkenne künftiglich.«

Und also that sie, wie sie gesagt.
Die Eltern, von großem Schrecken gejagt
Bei ihrer Tochter heimlicher Flucht,
Haben lang hin- und hergesucht
Und endlich von ihren Priestern vernommen,
Die Tochter sei in den Himmel gekommen;
Die Götter hätten sie dahin gebracht.
Nun wurde ein schönes Bild gemacht
Von der Verschwundenen, auf den Rat
Der Priester, da sie in der That
Als Göttin angebetet ward.

Auf ihrer heimlichen Fahrt,
Nachdem zu Heliopolis
Die kleine Schar sich taufen ließ,
Kamen nun jene drei dahin
Zu einem Kloster; es lebte darin
Als Abt ein gar frommer Mann,
Der schon viel Wunders hatte gethan.
Helenus hieß er. Einst im Streit
Mit einem Heiden war er bereit,
Für seine Lehre ins Feuer zu gehen;
Vor vielem Volk war es geschehen.
Der Heide hatte sich's nicht getraut.
Das Volk, das solches Wunder geschaut,
Bekehrte sich zu Jesu, dem lieben;
Der Heidenpfaffe ward vertrieben.

In diesem Kloster wurden die frommen
Drei Wanderer aufgenommen,
Protus und Hyacinthus;
Sie nannte sich Bruder Eugenius.

Eugenius, der Gottesknecht,
Lebte so heilig und gerecht,
Daß er, als Vater Helenus starb,
Selber des Abtes Würde erwarb.

Nun lebte zu Alexandria
Eine reiche Frau Melanthia,
Die lag schon krank seit manchem Jahr.
Ihr half Eugenius wunderbar
Mit Gottes Hilfe. Doch da braute
Der Teufel Arges. Sündlich schaute
Die Frau den schönen Mönch und sann,
Wie sie verlocke den heiligen Mann.
Sie log sich falsches Siechtum an
Und sandte Boten, er möge kommen.
Als sie allein war mit dem Frommen,
Gestand sie ihre sündige Liebe.
Doch er entfloh. Gleich einem Diebe
Schrie ihm die Frau voll Zornes nach.
Sie häufte auf ihn jede Schmach
Und verklagte ihn gar schwer,
Als ob er der Verführer wär'.

Vor den Landvogt kam nun das.
Das war Philippus, Eugenias
Betrübter Vater. Wie schlug die Verklagte
Das Antlitz nieder und verzagte.
Wenn sie ihr Vater nun erkannte!

Melanthia aber, die böse, entbrannte
Auf Rache und bewog ihr Gesinde,
Falsches Zeugnis dem heiligen Kinde
Entgegen zu setzen. Da war der frommen
Eugenia jeder Ausweg benommen.
Sie mußte die Wahrheit sagen. O!
Wie wurde da ihr Vater froh!
Die Mutter auch kam bald herzu.

Gott aber rächte den Lug im Nu.
Ein Feuer vom Himmel verschlang geschwind
Die böse Frau und ihr falsches Gesind'.

Philippus, sein Weib, seine beiden Söhne
Wurden bezwungen durch die schöne
Lehre Christi. Er wollte nicht mehr
Landvogt bleiben wie bisher.
Dafür ward er von der Gläubigen Schar
Zum Bischof erwählt. Und immerdar
Blieb er getreu. In späteren Tagen
Ward er von der Heidenschaft erschlagen.

Die Gottesmagd Eugenia
Und ihre Mutter Claudia
Fuhren darauf nach Rom dahin.
Ihnen folgten mit treuem Sinn
Protus und Hyacinth, die beiden.
Ihr Predigen ärgerte die Heiden.
Der Kaiser ließ die Jungfrau ergreifen,
Einen Stein am Hals in den Tiber schleifen.
Der Stein versank; doch mit trockenem Fuß
Wandelt' Eugenia auf dem Fluß.
Auch vor des brennenden Ofens Glut
Bewahrte ihr Gott so Leben wie Mut.
Im Kerker sollte sie Hungers sterben;
Doch Christus erschien ihr in dem herben
Geschick und brachte ihr ein Brot.

Am zehnten Tag, da keine Not
Sie beugte, ließ man ihr abschlagen
Das Haupt. Nach wenigen Tagen
Erschien sie ihrer Mutter und sprach:
»Am nächsten Sonntag folgst du mir nach!«

Und so geschah es. Im Gebete,
Da sie mit großer Andacht flehte
Zum Himmel, starb sie ohne Klage.

Drauf litten an demselben Tage
Den Martertod durch die Hand der Heiden
Protus und Hyacinth, die beiden.
Man schlug sie tot, da sie nicht wollten
Den Göttern opfern, wie sie sollten.

Ihre Seelen seien gebeten,
Uns stets fürbittend zu vertreten.

Eugenia, 25. Dez. 258; Protus, 11. Sept. Passional II. S. 471.


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