Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Nebel-Lieder.

I.

Mir träumte, ich sei krank, und auf mir lasten
Der Alpen Nebelschichten schwer und kalt;
Die Kröten nahen, mein Gesicht betasten,
Mich zu erwehren fehlt mir die Gewalt.

Durchwässert stockt mein Hirn, doch kanns nicht rasten,
Mit grauen Visionen ist's bemalt;
Die Augen will ich öffnen, doch die Lider
Drückt bleiern schwer der nasse Nebel nieder.

In meinem Ohre rauscht's wie dumpfes Sausen,
Die feuchten Dünste sickern kalt hinein,
Ein Leichentuch umhüllt es mich von aussen
Und füllt mein Innerstes mit stumpfer Pein.

Mir ist, als müsste ich aus diesem grausen
Scheintod, empor mich raffend, laut aufschrei'n.
Doch bleiern liegt im Gaumen meine Zunge;
Es ringt umsonst nach Luft die müde Lunge.

II.

1.

Hintergrund eisengrau;
Stahlfarbner Vordergrund,
Berge mit Nebelwund,
Contouren ungenau,
Zeigt nur der Gletscher sich
Schnee weiss und schreckensnah',
Zackig und dräuend da,
Herrlich, doch fürchterlich!

2.

Im Westen glüht das Abendrot,
Doch finster ist es schon bedroht
Von schwarzer, schwerer Wolkenlast,
Der jeder Rosenschein verhasst.

3.

Schon streichen tief und tiefer
Die Fledermäus' herab,
Dies gräuliche Geziefer
Entfliegt dem Felsengrab.

»Sie sind der Hölle Schwalben
Und dürfen nur bei Nacht
Sich in den Lüften balgen.« –
Hat jüngst jemand gesagt.

III.

Die Möve auf dem FichtenbaumElisabeth selbst.
Hoch auf des Berges Spitze,
Im grünen Wipfelsitze,
Die glättet ihres Flügels Saum,
Sie schüttelt ihn vom Nebel frei,
Durchnässt ist ihr Gefieder;
Die Federn liegen nieder
Und dünken ihr fast schwer wie Blei.
Zur Reise macht sie sich bereit:
»Mein Berg, wir müssen scheiden,
Dein Nebel thut verleiden
Mir jedes fernre Bleiben heut';
Er macht mich elend, macht mich krank,
Mir bangt nach Licht und Wärme,
Dass ich danach mich härme,
Währt ohnedies schon viel zu lang.
Du Nordsee, bist mir jetzt zu kühl,
Das könnte mich verletzen
Und nimmermehr ersetzen
Im Herz das eisige Gefühl.
Ich brauche Wärme, brauche Licht,
Mich dürstet nach dem Süden,
Nach Pomeranzenblüten;
Dies alles beut dein Herbst mir nicht.
Ein ZaubereilandDie griechische Insel Korfu, wo sich Elisabeth im Oktober/November 1887 für vier Wochen aufhielt., fern im Meer,
Scheint duftig mich zu grüssen;
Es tanzt zu seinen Füssen
Die warme blaue Flut umher;
Zu lange bin ich schon allein,
Mein Kopf ist müd' vor Sinnen,
Ich will jetzt mit Delphinen
Ergötzen mich im Sonnenschein!«

IV.

Die hämischen Zeitlosen
Die flüstern auf den Wiesen:
»Wir sind des Herbstes Rosen;
Tritt ihr uns auch mit Füssen,
Wir werden dennoch sprossen
Und scharenweise spriessen;
Sei's nur, euch zu erbosen,
Uns freut's, euch zu verdriessen.«
So flüstern sie, die Losen,
Indem sie neckend grüssen.

V.

Der Winter naht; in weisse Lacken
Schlägt sorglich er die Berge ein,
Er drückt in ihre steilen Zacken
Schneekäppchen tief und fest hinein.

Die letzten Blätter von den Bäumen
Streift er mit eisig kaltem Hauch;
Die Äste thut er drauf umsäumen
Mit weissem Froste, wie's sein Brauch.

Wenn mein Gefühl mich nicht betrogen,
Hat er auch mir voll Todeslust
Das Herz mit Eis heut' überzogen,
Es liegt so kalt mir in der Brust.

VI.

Im Lenz war ich ein albern Ding,
Zum Trotz dem dümmsten Schmetterling,
Von Lust berauscht, besessen.
Nun kommt des Herbstes kaltes Weh'n
Und gibt mir eisig zu verstehn,
Dass ich ein Thor gewesen.


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