Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Karbach-Alm.

Östlich des Traunsees am Weg zum Traunstein.

28. August.

Ich sass, des langen Wanderns müde,
Am Herde einer kleinen Alm;
Auf meiner Seele lag der Friede,
Ich betete den Abendpsalm.

Weit offen stand die kleine Pforte,
Das volle Mondlicht quoll herein,
Und Milchgeschirre jeder Sorte
Erglänzten hell im lichten Schein.

Im Hintergrund, hoch aufgezimmert,
Der Sennerin ihr Lager stand;
So lang der Mond so göttlich schimmert,
Dacht ich, bleibst du ihm zugewandt.

Das Dierndel schlief schon in der Rauschen,
Erhaben über ihrem Vieh;
Sie wollt' durchaus mit mir heut' tauschen,
Das Bett für mich, das Heu für sie.

Noch einmal trat ich vor die Hütte,
Die Nacht war zaubrisch hehr und schön;
Hoch in des blauen Äthers Mitte
War, blendend schier, der Mond zu seh'n.

Die schneebedeckten Berge hoben
Sich geisterhaft vom Horizont;
Es schien, als sei die Welt hier oben
Von weissen Riesen nur bewohnt.

Das Tosen nur vom Wasserfalle
Drang durch die tiefe Gottesruh',
Und manchmal auch im nahen Stalle
Da seufzte träumrisch eine Kuh.

Doch die Natur ist unerbittlich,
Sie fordert endlich doch ihr Recht,
Und schläfrig sein ist ungemütlich,
Und Bett ist Bett, wenn noch so schlecht.

So legt' ich mich dann endlich nieder,
Und durch die offne Bretterthür'
Da kam auf die geschlossnen Lider
Der Schlaf im Mondgewande mir.

Doch weh! was stürzt aus Paradiesen
Zurück mich in dies Jammerthal:
Zerfleischt, gemartert bin von Bissen
Ich, und Million ist ihre Zahl.

Und als die Senn'rin kam zu wecken,
Genau zwei Stund' nach Mitternacht,
Da habe ich zu ihrem Schrecken
Mein nächtlich' Leid ihr laut geklagt.

»Was hast mit Deinem Bett gebrüstet,
Du falsche Alpenjungfrau Dich!
Nach meinem Blut hat Dir gelüstet,
Und grausam traf mich Stich auf Stich.

Mein Körper brennt in heissen Wehen,
Entrüstet sag' ich Dir ade
Sammt den vermaledeiten Flöhen;
Ich flieh' verletzt aus eurer Näh'.«


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