Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Pojána lunga.

Rumänisch: lange Gebirgswiese.

Von östlich erblühenden Rosen
Wird silbernes Mondlicht verstossen.

Es flattern die nächtlichen Schleier
Der Berge, schon atmen sie freier.

Geheimnisvoll rauschen die Eichen.
Es flüstern die Buchen desgleichen.

Die Vögel des Waldes erwachen.
Sie jubeln, sie singen, sie lachen.

Vom Walde herauf schallt das Brausen
Des Wassers, wo Flussnixen hausen.

Die Adler umkreisen die Höhen,
Um schon nach der Sonne zu spähen.

Hoch oben auf steinerner Feste
Schwebt, gleich einem Raubvogelneste,

Von Pinien und Tannen gezimmert,
Ein Tempel, vom Frühlicht umschimmert.

Den Felsen umduftet der Flieder,
Und Goldregen strömt drauf hernieder.

Der Morgenwind streicht durch die Blüten,
Er kommt leicht beflügelt aus Süden.

Am Fels, den zum Thron sie erkoren,
Dort ruht, in Gedanken verloren,

Titania, dichtend und sinnend
Und östliche Lieder sich spinnend;

Ihr goldenes Buch in dem Schosse;Goldenes Buch: Heines Werke. In Mehadia las Elisabeth Band 9 bis 11 der Heine-Ausgabe bei Hoffmann und Campe (1876ff.) über »Französische Zustände«. (Laut eigenhändiger Eintragung in diesen Bänden, die sieh im Heinrich Heine-Institut, Düsseldorf, befinden.)
Es fliegen die Worte draus lose,

Gleich schillernden, bunten Libellen,
Um ihre geflochtenen Wellen.

Es sind ihres Meisters Gedanken,
Die ganz ihre Seele umranken;

Ihr geistiges Leben durchweht er
Und führt ihre silberne Feder.

So fliehen Minuten, Sekunden,
Es eilen beschwingt selbst die Stunden.

Die Sonne lässt glühende Strahlen
Herab auf des Tempels Dach fallen.

Es winken verlockend die Buchen,
Dort kühlende Schatten zu suchen.

Wie selbstbewusst mächtig doch schauen
Sie auf in den Himmel, den blauen.

Von üppigem Laubdach umwunden,
Herrscht tiefgrüne Nacht nur da unten.

Es zwitschern die Vögel mit leisen,
Gedämpfteren Tönen hier Weisen.

Um Stämme, gefällt durch das Alter,
Da gaukeln schlaftrunkene Falter.

Wild wuchert die schneeweisse Rose
Hervor aus dem sammtenen Moose.

Und Blumen, wie farbige Sterne,
Die nicken gar seltsam von ferne.

Und durch diese luftigen Räume,
Gehüllt in den Schatten der Bäume,

Ergeht sich Titania lange,
Begleitet vom Vogelgesange.

Doch naht mit des Abends Erdämmern
Der Hirte mit Schafen und Lämmern.

Sie lagern auf Pojána lunga;
Erwarten Titania zum Trunk da.

Sie kommt in der Rechten den Fächer,
Der Hirte kredenzt ihr den Becher

Voll duftenden, schäumenden Nasses,
Die Stärke der Kräuter, des Grases.

Und noch einmal leert er die Zitzen
Der Schafe, wie gut nach den Hitzen

Des Tags sich am Trunke erlaben;
Nun danket sie lächelnd dem Knaben.

Sie reicht ihm ein Goldstück zum Danke,
Er aber spricht: »Weile noch lange

In unseren Wäldern und Bergen,
Und Gott soll dich leiten und stärken!«

Ins dunkelnde Thal steigt sie nieder,
Doch Luna begleitet sie wieder;

Ihr silbernes Licht, sie zu leiten,
Lässt Luna am Pfade hingleiten.

Urplötzlich in Schrecken verloren,
Erblicket Titania Ohren

Von schaudererregender Länge,
Die drohen so vorwurfsvoll strenge.Anspielung auf den Esel im Sommernachtstraum, den Gefährten der Königin Titania, also wohl auf Kaiser Franz Joseph.

Gespenster aus uralten Stücken,
Die wähnt sie jetzt hier zu erblicken.

Entsetzenvoll stürzt sie von dannen,
Verschwindend im Dunkel der Tannen.


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