Kaiserin Elisabeth von Österreich
Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

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Die Pflanze.

Schon fünfzig Jahre such' ich sie
Die wunderbare Pflanze;
Ich bände sie zum Kranze,
Doch ach! ich finde sie ja nie!

Ich suchte sie als kleines Kind
Auf meiner Heimat Wiesen,
Wo viele Blumen spriessen;
Doch, die ich suchte, nirgends sind.

Noch war ich ein blutjunges Ding,
Da musst' ich in die Fremde,
Wo ich mich bitter grämte,
Und schweres Heimweh mich umfing.

Da sucht' ich emsiger denn je
Das wunderbare Kräutlein,
Es sollt' mir Trost und Heil sein,
So dachte ich, gegen mein Weh'.

Ich suchte sie bei Tag und Nacht
In Dörfern und in Städten;
Und gern betrogen hätten,
Die falsche Pflanzen mir gebracht.

Wohl manchmal ward ich angeführt,
Und wähnt', es sei die Pflanze;
Doch ach! mit falschem Glanze
War künstlich sie nur imitiert.

Nachdem ich fünfzig Jahr' gesucht,
Bin ich nun klug geworden;
Sie wächst an keinen Orten,
Auf keinem Berg, in keiner Schlucht.

Sie wächst im Märchenreich nur weit, –
Und aus dem Land der Sagen
Zur Erde nie vertragen
Ward je das Pflänzchen Dankbarkeit.


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